Tierschutz in Bayern:Striktere Vorgaben für eine artgerechte Rinderhaltung

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Mehr Auslauf und frische Luft? Umweltminister Glauber will mit einer neuen Tierschutz-Leitlinie Klarheit schaffen. Experten begrüßen diese als überfällig.

Von Christian Sebald, München

Es ist wenige Wochen her, dass Polizisten und Amtstierärzte nach einem anonymen Hinweis auf einem Bauernhof nahe Rothenburg ob der Tauber die Kadaver von 150 Mastrindern entdeckt haben. Einige waren so verwest, dass die Tiere offenkundig schon vor geraumer Zeit verendet waren. Die Polizei, die sofort ein Ermittlungsverfahren wegen Tierquälerei gegen den Landwirt in Gang gesetzt hat, geht davon aus, dass die Rinder viel zu wenig zu fressen und zu saufen hatten. 50 Tiere waren noch am Leben, aber in so schlechtem Zustand, dass sie alsbald eingingen oder notgetötet werden mussten. Inzwischen liegt der Fall bei der Staatsanwaltschaft in Ansbach.

Zustände wie auf dem Bauernhof bei Rothenburg sind ganz sicher ein extremer Einzelfall und keineswegs auf die vielen anderen Rinderhalter in Bayern übertragbar. Auf der anderen Seite aber fehlen nach wie vor klare Tierschutz-Vorgaben für die Haltung von Mastrindern. Auf Bundesebene ebenso wie in Bayern. Natürlich müssen sich die Bauern wie alle anderen Tierhalter an Paragraf zwei des Tierschutzgesetzes halten. Also ihre Rinder deren Bedürfnissen entsprechend "angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen", wie es dort heißt.

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Was das aber konkret für den Platz bedeutet, den so ein Mastrind braucht, ob es Auslauf bekommen muss oder sogar zeitweise an die frische Luft, um nur einige Bespiele zu nennen, ist bislang in keinem eigenen Regelwerk ausgeführt. Die Großtierärztin Frigga Wirths von der Akademie für Tierschutz in München und der Amtsveterinär Kai Braunmiller von der Landesarbeitsgemeinschaft Fleischhygiene und Tierschutz Bayern beklagen das seit Langem als großen Missstand.

Umweltminister Thorsten Glauber (FW), der kraft Amtes auch für den Tierschutz zuständig ist, will nun auf bayerischer Ebene Vorgaben für die Mastrinder-Haltung erlassen. Bis Jahresende will er eine Tierschutz-Leitlinie dafür herausbringen. "Wir alle wollen hochwertige Lebensmittel von gesunden Tieren aus artgerechter Haltung", sagt Glauber. "Dafür braucht es Klarheit." Die Leitlinie wird, so lautet seinem Versprechen, die wichtigsten Anforderungen an eine artgerechte Haltung und Informationen für die Bauern umfassen. Damit werde nicht nur den Bauern die Arbeit und den Veterinären die Überwachung der Höfe erleichtert. Sondern auch den Gerichten die Beurteilungen etwaiger Verstöße.

Die Experten Wirths und Braunmiller begrüßen die Leitlinie als überfällig. Sie teilen Glaubers Einschätzung, dass sie die Rechtssicherheit für Bauern und Amtstierärzte gleichermaßen verbessern wird. Allein das sei ein Fortschritt. Schließlich ist die Mastrinder-Haltung ein gewichtiger Zweig der bayerischen Landwirtschaft. 2020 sind im Freistaat knapp 900 000 Rinder geschlachtet worden, fast zwei Drittel davon in Oberbayern und Schwaben. Ein großer Teil davon dürften Mastbullen gewesen sein. Sie sind laut Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) im Schnitt mit gut eineinhalb Jahren schlachtreif und wiegen dann etwa 725 Kilogramm. Mit der Produktion von Rind- und Kalbfleisch erwirtschaften die Bauern gut 14 Prozent ihrer Gesamterlöse.

Eine andere Frage ist, ob es Glauber gelingt, mit der Tierschutz-Leitlinie die Haltungsbedingungen tatsächlich zu verbessern. Zum Beispiel ein Ende der Anbindehaltung durchzusetzen, wie es Tierschützer seit Langem fordern. Dabei sind die Rinder in einem zumeist alten Stall ein jedes für sich in einer engen Box eingepfercht. Obwohl die Anbindehaltung zu den düsteren Seiten der Rinderhaltung zählt, ist sie weit verbreitet. Fachleute schätzen ihren Anteil bei den Mastrindern auf bis zu 40 Prozent. Und viele Bauern wollen offenbar nicht von ihr lassen, bisher haben sie sich jedem endgültigen Ausstiegsszenario verweigert. Erst im Mai hat Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) die Landwirte per Regierungserklärung aufgefordert, endlich darauf zu verzichten. Seither sei sie einem regelrechten Shitstorm ausgesetzt, heißt es aus ihrem Umfeld.

© SZ vom 01.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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