Fotografie:Kulturlandschaft von oben

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Der Luftbildarchäologe Klaus Leidorf hat die abstrakten Strukturen dokumentiert, die bei der Bestellung von Feldern und Wiesen entstehen. Unter dem Titel "Bauernmalerei" sind seine Fotos in einer Ausstellung im oberfränkischen Kleinlosnitz zu sehen.

Von Hans Kratzer, Kleinlosnitz

Seit Jahrzehnten fliegt Klaus Leidorf mit seiner Cessna 172 regelmäßig über die bayerischen Gebirge, Täler und Fluren. Als Luftbildarchäologe sucht er nach Spuren, die der Mensch in der Vergangenheit im Boden hinterlassen hat. Tausende archäologische Fundstellen hat er bei seinen Flügen schon entdeckt. Er dokumentiert mit seinen Luftaufnahmen aber auch die sich durch den Flächenverbrauch dramatisch verändernde Landschaft. Außerdem gelingen ihm bei seinen Erkundungsflügen mit seiner Kamera auch faszinierende künstlerische Aufnahmen. Vor allem die abstrakten Strukturen geben manches Rätsel auf oder verleiten den Betrachter zum Schmunzeln.

Zum Beispiel jener Bauer, der auf einem Acker nahe Ampfing (Landkreis Mühldorf) ein großflächiges Herz angelegt hatte. Ein Liebessymbol, wie Leidorf unschwer erkannte. Das man aber nur von der Luft aus bestaunen konnte, weshalb er auch dieses Motiv dokumentierte. Das Herzmotiv ist ja im Liedgut wie in der volkstümlichen Kunst weitgehend zum Kitsch mutiert. "Dieser Landwirt aber hatte sicherlich nur die wahre Liebe im Sinn", sagt Leidorf, der zu gerne wüsste, ob sein immenser Aufwand belohnt wurde.

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So wie er bei seinen Erkundungsflügen belohnt wird, bei denen er immer wieder auf kuriose und faszinierende Strukturen in der Landschaft stößt. Für manche von ihnen fand er den sehr treffenden Begriff Bauernmalerei. Dabei handelt es sich um Abbilder, die das Ergebnis einer maschinellen Tätigkeit auf den Feldern sind. "Die meisten Landwirte ahnen nicht einmal ansatzweise, was sie Einzigartiges auf ihren Äckern erschaffen", sagt Leidorf. Die Muster ähneln jenen auf alten Möbelstücken. Die Luftaufnahmen und die öffentliche Präsentation erheben sie jetzt sogar zur abstrakten Kunst. Und die ist nun Gegenstand einer Ausstellung im Oberfränkischen Bauernhofmuseum Kleinlosnitz im Fichtelgebirge.

"Bauernmalerei ist ein zwiespältiger Begriff", sagt Bertram Popp, der Leiter des Museums. Meist denke man dabei an die mit Blumen, Ranken und Ornamenten verzierten Möbeloberflächen. In Abgrenzung zum städtischen oder bürgerlichen Geschmack und zur maschinellen oder industriellen Formensprache suggeriere das Wort Bauernmalerei Tradition, Urwüchsigkeit und Natürlichkeit. "Dabei gibt es weder Bauernmöbel noch Bauernmalerei", sagt Popp. Die Möbel im Dorf wurden einst von Schreinern hergestellt und bemalt, und sie wurden gleichermaßen von Handwerkern, Bürgern und Bauern benutzt.

Die Vorlage für Leidorfs Luftbilder haben aber allein die Bauern geliefert. Allerdings erscheinen sie erst aus großer Höhe wie Kunst. Zugrunde liegen landwirtschaftliche Flächen, die gedüngt, geeggt, geackert, gesät, gewalzt, gemäht und gespritzt wurden. Bauernmalereien sind deshalb auf vielen Äckern und Feldern zu finden. Nur dass sie, wenn etwa Gülle auf eine Schneefläche aufgebracht wird, schnell wieder verschwinden. Viele dieser Werke fallen in die Kategorie abstrakte Kunst, die keine erkennbaren Objekte oder Szenen darstellt. Auch bei der Bauernmalerei auf dem Feld dreht sich alles um den gedanklichen Gehalt der Darstellung.

"Im Märzen der Bauer die Rößlein einspannt. Er pfleget und pflanzet all' Bäume und Land. Er ackert, er egget, er pflüget und sät, und regt seine Hände gar früh und noch spät." Leidorfs Fotografien belegen nicht zuletzt, dass die im Kinderlied idealisierte Darstellung der bäuerlichen Tätigkeiten schon längst nicht mehr gilt. Heute ermöglicht die Technologie eine Präzisionslandwirtschaft, die den Landwirten dabei hilft, ihren Betrieb zu vernetzen, um in Echtzeit datengestützte Entscheidungen für mehr Produktivität und Rentabilität treffen zu können. Offen ist jedoch, welche Bauernmalereien diese automatisierten Systeme künftig zustande bringen.

Bauernmalerei - Luftbilder von Klaus Leidorf. Oberfränkisches Bauernhofmuseum Kleinlosnitz (Landkreis Hof). Geöffnet bis Herbst. Tel. 09251/3525.

© SZ vom 02.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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