Inklusion im Kindergarten:Schritt für Schritt ans Ziel

Inklusion im Kindergarten: Stehen für Integration und Inklusion: Dorothee Bischof (links) und Brigitte Haas vom Taufkirchner Verein Integra.

Stehen für Integration und Inklusion: Dorothee Bischof (links) und Brigitte Haas vom Taufkirchner Verein Integra.

(Foto: Claus Schunk)

Vor 30 Jahren gründeten Eltern in Taufkirchen den Kindergarten Tranquilla Trampeltreu. Seither hat sich die Initiative Integra mit Beharrlichkeit zu einem "der bedeutendsten Player" für Familien entwickelt.

Von Patrik Stäbler, Taufkirchen

Als ein Grüppchen couragierter Eltern aus Taufkirchen vor bald 30 Jahren einen Namen für seinen Kindergarten suchte, da stieß es auf die Schildkröte Tranquilla Trampeltreu aus der gleichnamigen Fabel von Michael Ende. In dieser will das Panzertier die Hochzeit seiner großmähnigen Majestät, Löwe Leo der Achtundzwanzigste, besuchen - zu Fuß, was ob seiner Langsamkeit von den anderen Tieren mit Spott und Argwohn quittiert wird. Doch wenn auch verspätet, so erreicht Tranquilla Trampeltreu ihr Ziel - weil sie beharrlich ihren Weg geht.

Diese Geschichte, so erkannten die Eltern, passte perfekt zu ihrem Kindergarten, wo Kinder mit und ohne Behinderung zusammen eine Heimat finden und sich ein jedes von ihnen nach seinen individuellen Bedürfnissen entwickeln sollte - Schritt für Schritt, im eigenen Tempo, wie die Schildkröte. Und so eröffnete Anfang 1993 der integrative Kindergarten Tranquilla Trampeltreu in Taufkirchen. Zudem gibt es heute zwei Krippen gleichen Namens. Und darüber hinaus engagiert sich der dahinterstehende Verein auf vielerlei Weise für Familien im Ort - bei der Mittagsbetreuung, im Familienzentrum, mit einer Beratungsstelle, einem Familienstützpunkt und bald auch in einem neuen Waldkindergarten.

Der Verein wurde auf den Tag genau an diesem Freitag vor 30 Jahren von einigen engagierten Müttern gegründet. Anfangs hieß er noch "Verein zur gemeinsamen Förderung behinderter und nicht behinderter Kinder"; im Jahr 2001 wurde der Name dann geändert - in Integra. Seither hat der Verein eine erstaunliche Entwicklung genommen, die ebenfalls Parallelen zur Schildkröte von Michael Ende aufweist.

Denn, so formuliert es Brigitte Haas, seit 2014 Geschäftsführerin von Integra: "Wir haben immer auf ein bedächtiges Wachstum geachtet - Schritt für Schritt. Wir wollten nie noch eine und noch eine Einrichtung aufmachen, sondern alles, was passiert ist, entstand aus dem eigenen Bedürfnis heraus." Dieses war zu Beginn der Wunsch einiger Eltern, dass ihre behinderten und nicht behinderten Kinder gemeinsam in den Kindergarten gehen - was seinerzeit noch völlig unüblich war, wie Haas sagt. "Kinder mit Behinderung sind damals daheim geblieben, bis sie sechs waren, und danach auf die Sonderschule gekommen." Inklusion? Allein das Wort kannten zu dieser Zeit nur die wenigsten.

Und so wurden die Taufkirchner Mütter selbst aktiv, taten sich nach dem Vorbild eines Oberhachinger Montessori-Kindergartens zusammen und gründeten 1991 einen Verein - mit dem Ziel, einen integrativen Kindergarten zu eröffnen. Als Vorsitzende wurde Andrea Riesenberger gewählt, ihre Stellvertreterinnen waren Gabriele Höbenreich-Hajek und Marianne Sobetzki, überdies gehörten Sabine Harbeck und Roswitha Leysieffer dem Vorstand an.

Eineinhalb Jahre später wurde der Kindergarten Tranquilla Trampeltreu am Postweg eröffnet und kurz darauf erweitert; 1995 folgte der Umzug in einen Neubau im Köglweg neben der Realschule. Dort habe "eine ganz besondere Atmosphäre geherrscht", erzählt Dorothee Bischof. Sie war 1997 von München nach Taufkirchen gezogen, ihre Tochter und ihr Sohn besuchten den Integra-Kindergarten, zudem war sie später jahrelang Vorsitzende des Vereins. "Die Erzieherinnen waren alle mit sehr viel Herzblut dabei", sagt Bischof über die Einrichtung. Zudem seien die Eltern eingebunden worden, etwa wenn es um Gartenarbeit ging, ums Fensterputzen oder um den nächsten Weihnachtsmarkt. "Wir hatten das Gefühl, dass das unser Haus ist", sagt sie über den Kindergarten. "Die Eltern waren nicht nur Konsumenten, sie wollten und durften mitgestalten."

Das große Engagement sowie der Bedarf der Eltern hatte überdies zur Folge, dass der Verein Integra stetig größer wurde und zusätzliche Aufgaben übernahm. So eröffnete im Herbst 1996 das Familienzentrum am Postweg - inklusive einer Mittagsbetreuung für Schulkinder, die später sukzessive ausgebaut wurde. Ein weiterer großer Schritt war 2011 die Inbetriebnahme einer integrativen Krippe, die nach längerer Standortsuche im Unterhachinger Gewerbegebiet am Grünwalder Weg unterkam. 2016 folgte der Startschuss für den Familienstützpunkt, den Integra zusammen mit der Nachbarschaftshilfe betreibt. Und als jüngstes Großprojekt steht ganz aktuell der Waldkindergarten hinterm Friedhof auf dem Zettel, wo es im September mit einer Gruppe losgeht.

Kurzum: Was 1991 als Elterninitiative mit einer Hand voll Mütter begann, ist heute "einer der bedeutendsten Player in Taufkirchen im sozialen Bereich", wie es Bürgermeister Ullrich Sander (parteifrei) formuliert hat. Allein die Zahlen sprechen für sich: Aktuell zählt Integra 270 Mitglieder und 85 Beschäftigte; in den drei Einrichtungen werden 270 Kinder betreut. "Im Vergleich zu früher ist alles viel professioneller geworden", sagt Dorothee Bischof, die die Entwicklung des Vereins seit 25 Jahren begleitet. "Doch auch wenn vieles im Wandel ist - der Kern von Integra ist geblieben." Und für diesen Kern steht niemand besser als die Schildkröte Tranquilla Trampeltreu, die Schritt für Schritt ihren Weg geht und sich nicht vom Ziel abbringen lässt - seit nunmehr 30 Jahren.

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