Wimbledon-Siegerin Ashleigh Barty:Ein Sieg als Inspiration für einen Kontinent

Wimbledon-Siegerin Ashleigh Barty: Von einer Last befreit: die Weltranglistenerste Ashleigh Barty mit der Siegerschale.

Von einer Last befreit: die Weltranglistenerste Ashleigh Barty mit der Siegerschale.

(Foto: Kirsty Wigglesworth/AP)

50 Jahre nach dem Premierensieg ihres großen Idols Evonne Goolagong Cawley gewinnt Ashleigh Barty Wimbledon - und will nun ihrerseits Kindern und Jugendlichen den Weg weisen.

Von Barbara Klimke

Fast zwei Stunden waren gespielt, als Ashleigh Barty auf dem Tennisplatz in die Hocke ging, die Hände auf den Kopf legte und ihr Gesicht in den Armen vergrub. Am leichten Zittern sah man, dass sie weinte. Manchmal sind es die stillen Tränen, nicht die ausladenden Jubelposen, die einen Hinweis darauf geben, was ein Erfolg auf diesem Rasen, vor 15000 Zuschauern, bedeutet.

"Es hat lange gedauert, bis ich überhaupt gewagt habe, meinen Traum in Worte zu fassen und auszusprechen, dass ich dieses unglaubliche Turnier irgendwann gewinnen wollte", sagte Barty, als sie kurz darauf auf dem Centre Court unter dem Applaus des Publikums die schwere Trophäe, die Venus-Rosewater-Schale, entgegennahm. Die bis dahin letzte Australierin, deren Name der Silberschmied dort eingravierte, war Evonne Goolagong Cawley. Nun hat sich Barty, 25, tatsächlich zur Nachfolgerin ihres großen Vorbilds, ihrer Mentorin gekürt - 50 Jahren nach deren erstem Wimbledonsieg. Ein Blick in ihre ungläubigen Augen nach dem 6:3, 6:7 (4), 6:3 gegen die Tschechin Karolina Pliskova gab eine Ahnung davon, was ihr dieser Jubiläumstriumph wert war.

Es hätte kaum verwundern können, hätten ihr an diesem Samstagnachmittag die Hände gezittert: Barty trug im Finale, ihrem ersten Endspiel in Wimbledon, nicht nur ein Kleid am Körper, dessen Schnitt an das weiße Dress ihres Idols im Sommer 1971 erinnerte. Sie trägt auch die Verbundenheit mit den indigenen Wurzeln Goolagongs, die aus einer Aboriginal-Familie stammt, in ihrem Herzen. "Evonne ist so ein wichtiger Mensch in meinem Leben", sagte sie. "Sie hat den Weg bereitet und indigenen Jugendlichen vorgelebt, dass man an seine Träume glauben kann. Und das hat sie auch mir gezeigt." Sie sei stolz und froh, in Goolagong Cawley eine Freundin zu haben, eine Beraterin, die immer "nur einen Telefonanruf entfernt ist".

Evonne  Goolagong Cawle

Evonne Goolagong Cawley 1971 in Wimbledon.

(Foto: United Archives/Imago)

Sie nahm nicht nur die Bürde mit auf den Rasen, ihr Idol nicht zu enttäuschen, das sogar zweimal in Wimbledon gewonnen hatte; Goolagong Cawley triumphierte 1971 als 19-Jährige und erneut 1980, als sie schon Mutter war. Barty hatte sich zusätzlich die Last der Erwartung eines ganzen Kontinents auf ihre recht schmalen Schultern gewuchtet. Sie mag zwar die Nummer eins der Tennisweltrangliste sein - aber mit nur 1,66 Meter Größe gehört sie nicht zu den Schwergewichten ihrer Zunft. "Australien hat so eine reiche Sportgeschichte", sagte sie, nach 41 Jahren des Wartens sei sie froh, ein kleines Kapitel hinzufügen zu können. "Ich hoffe, dass ich ebenfalls nun für Jungen und Mädchen einen Weg vorausweisen kann."

Karolina Pliskova muss weiter auf ihren ersten Triumph bei einem Grand-Slam-Turnier warten

Ein Sieg als Inspiration für viele - zumal ihre körperliche Verfassung nicht die beste war: Bei den French Open hatte sie vor einem Monat wegen einer Hüftverletzung vorzeitig aufgeben müssen und anschließend keinen Wettbewerb mehr bestritten; über die Diagnose der Ärzte ließ das Team sie im Ungewissen, sagte sie nun, aber die Prognose sei wohl alles andere als vorteilhaft gewesen.

Auf dem Platz war von all diesen Lasten und Beschwernissen wenig zu sehen. Barty sprintete förmlich hinein in dieses Match gegen Pliskova, die ebenfalls eine Novizin im Wimbledon-Finale war. Sie sicherte sich 14 Punkte in Serie, und bis zum 4:0 deutete alles auf ein Endspiel in Rekordzeit hin. Pliskova verfügt über einen der besten Aufschläge auf der Tour, 54 Asse waren ihr bis zum Halbfinale gelungen, doch Barty retournierte anfangs mit einer Sicherheit, als flögen ihr Wattebälle entgegen. Nach einer halben Stunde war der erste Satz vorbei.

Anschließend bewies Pliskova, 29, weshalb sie seit Jahren zu den besten und konstantesten Spielerinnen der Tennis-Tour zählt - viele halten sie für die brillanteste, die niemals ein Grand-Slam-Turnier gewann. Einmal nur stand sie zuvor in einem Grand-Slam-Finale, bei den US Open 2016, als sie gegen Angelique Kerber verlor. Seit einigen Monaten wird sie von dem deutschen Erfolgscoach Sascha Bajin trainiert, der die Japanerin Naomi Osaka zu zwei Grand-Slam-Siegen geführt hatte, und hoffte nun endlich auf die Trophäe, die ihr bislang versagt gewesen ist. Doch blieb sie erneut ohne Fortüne, trotz wuchtiger Vorhandschläge, mit denen sie Barty zunehmend unter Druck setzte. Den zweiten Satz konnte sie im Tiebreak für sich entscheiden. Im dritten Durchgang ermöglichte sie Barty mit einem Volleyfehler erneut ein frühes Break. Den Vorsprung rettete die Australiern nach 1:55 Stunden ins Ziel.

Auch Pliskova vergoss nach dem Match Tränen. "Ich habe jede Minute genossen, auf diesem Platz zu spielen", sagte sie. Weiter kam sie nicht. "Ich weine nie, und jetzt ..." Sie wird es weiter versuchen. Barty indes, die schon 2019 die French Open gewonnen hatte, wirkte wie von einer Bürde befreit. Für Australier, sagte sie, als alle Tränen trocken waren, bedeute dieses Turnier so viel: "Das ist schließlich der Ort, an dem Tennis gewissermaßen geboren wurde." Ihre härtesten und ihre schönsten Stunden habe sie hier erlebt: "Ich kann sagen, dass ich ein ziemlich glückliches Mädchen bin."

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