Technische Universität:"Mission Erde"

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Am Standort Ottobrunn wächst die TU München enorm, die Luft- und Raumfahrtforschung wird stark ausgebaut, hier der TUM-Hyperloop. Aus Platzgründen zieht ein Teil des Departments an den Flughafen um. (Foto: Claus Schunk)

Im Münchner Süden entsteht ein riesiger Campus für Luft- und Raumfahrt. Bei der Eröffnung des ersten Gebäudes sprechen manche schon von einem "Space Valley", allen voran der Ministerpräsident.

Von David Wünschel

Wären hier nicht so viele Menschen in Anzügen, man könnte meinen, man sei in einem Museum für Flugobjekte gelandet. In einer Ecke des Raums steht eine giftgrüne Drohne, in einer anderen zwei würfelförmige Satelliten und eine Miniatur-Rakete. Überall liegen Broschüren herum, auf denen die Erdkugel oder der Sternenhimmel abgebildet sind. Doch der vermeintliche Museumsraum gehört zum ersten Fakultätsgebäude für Luftfahrt, Raumfahrt und Geodäsie (LRG) der Technischen Universität München (TUM), und die Menschen in Anzügen sind am Montag gekommen, um die Einweihung zu feiern.

Das Fakultätsgebäude soll nur das erste von vielen sein. Im Münchner Süden, an der Grenze zwischen Taufkirchen und Ottobrunn, entsteht ein riesiger Campus für Luft- und Raumfahrt. Er soll Teil eines bayerischen "Space Valleys" werden.

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Der Ministerpräsident eröffnet das erste Gebäude der Fakultät für Luftfahrt, Raumfahrt und Geodäsie am Standort Ottobrunn/Taufkirchen. Tausende Studierende sollen hier bald lernen und forschen.

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Das wünscht sich zumindest Mirko Hornung, Dekan der LRG-Fakultät. Ihm zufolge soll der TUM-Campus in den kommenden Jahren auf ein Vielfaches seiner jetzigen Größe anwachsen. "Es ist für uns eine Riesenchance, weil hier Teile zusammenkommen, die gut harmonieren", sagt Hornung. In Ottobrunn und Taufkirchen haben sich zahlreiche Startups und Unternehmen aus der Luft- und Raumfahrtindustrie angesiedelt.

Airbus unterhält beispielsweise einen Standort mit 3000 Mitarbeitern. Das wolle die Fakultät nutzen und gemeinsame Projekte vorantreiben. "Wir sind dorthin gegangen, wo die Industrie schon ist", sagt Hornung. Die Pläne für den Ludwig-Bölkow-Campus sind ehrgeizig: Bis 2030 sollen hier 55 Lehrstühle und mehr als 3000 Studierende unterkommen - und die LRG-Fakultät soll zur größten ihrer Art in Europa werden.

Auch weitere Flugobjekte gaben den Eröffnungsgästen einen Eindruck vom Entwicklungspotenzial des Geländes. (Foto: Claus Schunk)

Weil es im neuen Gebäude aber keinen Hörsaal gibt, findet der Großteil der Lehre aktuell noch am TUM-Standort in Garching statt. Immerhin sind schon einige Lehrstühle und Forschungsprojekte umgezogen. So auch die studentische Initiative "Horyzn", die eines der "Museumsstücke" entwickelt hat: die giftgrüne Drohne nämlich, die irgendwann einmal Leben retten könnte. 13 Kilogramm ist sie schwer, die Flügelspannweite beträgt mehr als dreieinhalb Meter, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 120 Kilometern pro Stunde. Momentan sei die Drohne noch anfällig für Pilotenfehler, sagt die Studentin Sonja Dluhosch, die gemeinsam mit 57 Mitstreitern an einem neuen Prototyp arbeitet. Künftig soll die Drohne auf dem Land stationiert werden und im Notfall einen Defibrillator dorthin fliegen, wo ein Mensch eine Herzrhythmusstörung hat.

Vier bis fünf Minuten, so der Plan, solle das dauern und damit deutlich schneller sein als ein Krankenwagen. "Damit können wir die Überlebenschancen in manchen Fällen verdreifachen", sagt Dluhosch. Bislang hat das "Horyzn"-Team in Garching an der Drohne gearbeitet. Doch weil der Platz dort nicht mehr ausreicht und die passenden Ansprechpartner in Ottobrunn und Taufkirchen sitzen, hat die Initiative nun eine Flughalle im neuen Gebäude bezogen.

TU-Präsident Thomas Hofmann hat keine "abgespacten Marsmissionen" im Blick. (Foto: Claus Schunk)

In den kommenden Jahren könnten am Ludwig-Bölkow-Campus zahlreiche Flugobjekte entwickelt werden, die wie die "Horyzn"-Drohne einen konkreten und naheliegenden Nutzen haben. Denn die Studenten und Professorinnen sollen von hier aus nicht primär den Weltraum erobern, sondern vor allem den eigenen Planeten beobachten. "Mission Erde" heißt denn auch das Motto, das bei der Eröffnung des neuen Gebäudes überall an der Wand prangt. Man wolle sich nicht mit "abgespacten Marsmissionen" beschäftigen, sagt TU-Präsident Thomas Hofmann. Stattdessen stünde die Forschung an gesellschaftsrelevanten Themen im Fokus. Mit Hilfe von Satelliten könne man beispielsweise Veränderungen der Natur und des Klimas in unvorstellbarer Präzision messen.

Doch es gibt wohl zumindest einen, der gegen eine bayerische Marsmission nichts einzuwenden hätte: Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Auch er ist zur Einweihung des Gebäudes gekommen, schließlich hat er vor drei Jahren den Startschuss für die bayerische Weltraumstrategie "Bavaria One" gegeben, zu der auch die LRG-Fakultät zählt. Für ihn sei die Marsmission "eine der faszinierendsten Ideen überhaupt", sagt der Ministerpräsident. "In der Raumfahrt spiegelt sich der Pioniergeist der Menschheit wieder." Bayern solle das "Space Valley" in Deutschland und auch in Europa werden.

Nach seiner Rede schaut Söder sich einige Exponate an, darunter auch die "Horyzn"-Drohne und das Miniaturmodell einer Rakete. Er tätschelt sie so hingebungsvoll, als wolle er gleich in eine echte Rakete steigen. Doch trotz möglicher Weltraum-Ambitionen muss der Ministerpräsident auf längere Sicht am Boden bleiben: Am Ludwig-Bölkow-Campus sollen nur unbemannte Flugobjekte entwickelt werden.

© SZ vom 13.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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