Ausstellung "Parapolitics":Danke, CIA

Arthur Koestler spricht auf dem Kongreß für kulturelle Freiheit, 1950

Der Schriftsteller und ehemalige Kommunist Arthur Koestler spricht 1950 auf dem "Kongreß für kulturelle Freiheit" im Westberliner Titania-Palast.

(Foto: UPI/SZ Photo)

Mit dem "Kongress für kulturelle Freiheit" wollte der US-Geheimdienst einst Linke auf den rechten Weg bringen. Funfact: Dabei kam viel Gutes heraus.

Von Willi Winkler

Die Referentin war wieder mal bester Laune: "Diese ganze Sache ein Riesenskandal", berichtet sie ihrem Mann aus Mailand, wo sich Politiker und Wissenschaftler zu einer internationalen Konferenz trafen. Unter den Gästen befanden sich Willy Brandt, Raymond Aron und Czesław Miłosz, manche waren aus Japan und Indonesien angereist, um über die "Zukunft der Freiheit" zu diskutieren. "Alles lebt in einem Luxus, von dem man sich kaum einen Begriff macht. Alle vollkommen und auf das primitivste korrumpiert. Das fährt und frißt und kauft sich dumm und dämlich."

Hannah Arendt war natürlich auch dabei. Als Autorin eines Buches über den Totalitarismus war sie in den stramm antikommunistischen Fünfzigern eine gefragte Referentin, was sie aber nicht hinderte, das Mailänder Symposium "zum Sterben langweilig" zu finden. "Man könnte beinahe auf die Vermutung kommen, die hätten das alles mit Absicht so angestellt, um den Kommunisten Propaganda zu liefern."

Die Absicht war naturgemäß eine andere. "Das alles" wurde vom Kongress für kulturelle Freiheit (CFF) veranstaltet, einer Nachkriegsgründung, mit der der Sog der kommunistischen Ideologie durch ein kulturelles Gegenangebot abgeschwächt werden sollte. Ehemalige Kommunisten wie Arthur Koestler und Ignazio Silone warnten den Westen vor Stalins Terrorherrschaft. Doch Bert Brecht war aus dem Exil in den USA nach Ostberlin gegangen, wo man ihm ein Theater zur Verfügung stellte. Pablo Picasso drohte mit seiner Friedenstaube ebenfalls ins gegnerische Lager abzugleiten. Bei der Gründungsveranstaltung im Juni 1950 hatte Koestler verkündet: "Freunde, die Freiheit hat die Offensive ergriffen."

Der Kongress bezuschusste Künstler und fungierte als exklusives Reisebüro

Im Herbst 2017 zeigte die Ausstellung "Parapolitics" im Berliner Haus der Kulturen der Welt mit einer Fülle von Materialien, wie engagiert diese Freiheitsoffensive betrieben wurde. Dutzendweis lagen Exemplare des Monats, von Preuves (Paris) und Encounter (London) aus. Den Veranstaltern ist das Kunststück gelungen, jetzt, dreieinhalb Jahre nach dem Ende der Ausstellung, den seinerzeit dringend benötigten Katalog nachzuliefern. So schön er geworden ist, so entschieden englisch ist er auch, und deshalb hat ihn nicht die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien finanziert, sondern "the Federal Government Commissioner for Culture and the Media". Das Haus der Kulturen der Welt wurde 1960 auf Betreiben der Regierungsbeauftragten Eleanor Dulles errichtet, deren Bruder Allen Dulles Chef der CIA war und im Namen der Freiheit in Iran und in Lateinamerika manchen Umsturz organisiert und zuletzt die Invasion in der Schweinebucht versemmelt hatte.

Selbstverständlich agierte auch der Kongress für kulturelle Freiheit im Auftrag der amerikanischen Regierung, auch wenn die so kulturfeindlich wie jede andere war. Unschlagbar daher das Bild von Sigmar Polke, der ein Fotoeckchen der Leinwand schwarz hält und mit Schreibmaschine drunterschreibt: "Höhere Wesen befahlen: rechte obere Ecke schwarz malen!"

Die höheren Wesen saßen bei der CIA und meinten es gut mit den Künstlern. Anderthalb Jahrzehnte lang subventionierte die CIA über den Kongress weltweit annähernd fünfzig Zeitschriften. Die erste, Der Monat, von dem ehemaligen Trotzkisten Melvin Lasky gegründet, zahlte die höchsten Honorare in der Bundesrepublik und konnte deshalb von Karl Jaspers bis Theodor W. Adorno die besten Autoren gewinnen. Durch Artikeltausch mit Schwesterzeitschriften wie Partisan Review (New York) und Tempo Presente (Rom) gelangte ein unvergleichliches Bildungsprogramm in die Bundesrepublik. Als Konterbande wurde der Monat in die DDR geschmuggelt und auch dort eifrig gelesen.

Ausstellung "Parapolitics": Ausstellungskatalog "Parapolitics". Cultural Freedom and the Cold War. Sternberg. 618 Seiten, 34 Euro.

Ausstellungskatalog "Parapolitics". Cultural Freedom and the Cold War. Sternberg. 618 Seiten, 34 Euro.

Das Literarische Colloquium in Berlin, die Tagung der Gruppe 47 1966 in Princeton, das halbe Verlagsprogramm von Kiepenheuer & Witsch wurde auf diese Weise finanziert. Louis Armstrong wurde auf Tournee geschickt. Weitere Kulturbotschafter brachten den Abstrakten Expressionismus nach Europa, um wiederum die kulturelle Überlegenheit des Westens gegenüber dem angeblich rückständigen und für den Ostblock vorgeschriebenen sozialistischen Realismus zu demonstrieren.

Der Kongress bezuschusste nicht nur Maler, Schriftsteller und Musiker, er fungierte als exklusives Reisebüro und erfand nebenbei den spesenritterlichen Jet-Intellektuellen. Hannah Arendt mochte in den lieben Kollegen nur "dummdreiste Ignoranten und Schwätzer" sehen, der Kongress feierte sich und die Freiheit des Westens bei Konferenzen in der ganzen Welt. Die Offensive, die der ehemalige Spanienkämpfer Koestler angekündigt hatte, brachte die Freiheitskrieger (Kriegerinnen gab es außer Arendt kaum) nach Stockholm, Hamburg und New York, aber auch nach Rangun und Tunis, nach Dakar und Santiago de Chile.

Als 1967 bekannt wurde, dass sie alle indirekt auf dem Ticket der CIA gereist waren, das luxuriöse Nachdenken über Freiheit und Totalitarismus also vom amerikanischen Geheimdienst finanziert wurde, war der Jammer groß. Angeblich hatte niemand davon gewusst, man hatte nur Fördermaßnahmen genutzt, Stipendien bezogen und sich über schöne Honorare gefreut.

Die CIA beförderte indirekt auch das langsame Ende der Apartheid

Ein Aufsatz von James Baldwin über eine Tagung schwarzer Schriftsteller und Künstler in Paris, 1957 im Encounter erschienen, lag 2017 prominent in der Vitrine, jetzt kann oder könnte er nachgelesen werden. Er präsentiert ein Muster jener "repressiven Toleranz", die der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter Herbert Marcuse als Kennzeichen westlicher Gesellschaften ausgemacht hat. Bei dieser Konferenz, die allerdings nicht der CFF ausgerichtet hatte, wurde eine Grußadresse des schwarzen Soziologen und Bürgerrechtlers W. E. B. DuBois verlesen, der einst bei Max Weber in Heidelberg studiert hatte: "Ich kann an der Tagung nicht teilnehmen, weil mir die amerikanische Regierung keinen Pass ausstellt. Wer heutzutage als Schwarzer ins Ausland reist, dem sind die Schwarzen entweder gleichgültig oder er muss das sagen, was ihm das Außenministerium vorschreibt."

Baldwin schreibt in der Sprache seiner Zeit, er spricht also vom amerikanischen negro, den er von den blacks in Afrika und überhaupt den people of color unterscheidet, und plädiert für eine erneute Untersuchung der Geschichte der verschiedenen schwarzen Kulturen, die "systematisch missverstanden, unterschätzt und manchmal zerstört" worden seien. Er tut das in einem Kongress-Organ, das auf Umwegen von genau der Regierung finanziert wird, die nach Art der zeitgenössischen kommunistischen Staaten DuBois die Reise ins Ausland verweigert hat und alles tut, um den Schwarzen im eigenen Land den Zugang zur Bildung zu verweigern und ihren Aufstieg nach Kräften zu verhindern.

Auf diese dialektische Volte war niemand vorbereitet, Koestler nicht und Lasky nicht und schon gar nicht die CIA: Der amerikanische Geheimdienst brachte nicht nur Kultur ins Nachkriegseuropa, er beförderte auch das langsame Ende der Apartheid. Während die amerikanischen Südstaaten noch mit aller Kraft an der Rassentrennung festhielten, agitierte der Kongress durch seine unermüdliche Arbeit mehr oder weniger verdeckt gegen die Apartheid in Südafrika. Als die langjährige Kulturarbeit der CIA schließlich bekannt wurde, war auch die Bürgerrechtsbewegung in den USA nicht mehr aufzuhalten. Wenn Korruption, dann richtig.

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