Klimaschutz:Die Tage von Ziel 21 sind gezählt

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Drei Landkreise möchten gemeinsam eine professionelle Klima- und Energieagentur gründen, um den Klimaschutz voranzubringen. Doch was wird aus dem Verein, der das schon seit 20 Jahren in und um Fürstenfeldbruck leistet?

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Gemeinsam möchten die Landkreise Fürstenfeldbruck, Starnberg und Landsberg eine regionale Klima- und Energieagentur gründen. Sie soll ein Kompetenzzentrum mit Dienstleistungsfunktion werden. Nach der Verschärfung der EU-Klimaziele und einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird der Bedarf an Beratung und Begleitung in Fragen von Energie- und Ressourceneffizienz weiter zunehmen. Der seit 2001 im Kreis Fürstenfeldbruck etablierte Energiewendeverein Ziel 21 soll in der Agentur aufgehen und nicht mehr eigenständig tätig sein. Der Kreistag will das Projekt an diesem Donnerstag auf den Weg bringen. Die wichtigsten Fragen und Infos dazu im Überblick.

Warum braucht es eine Klimaagentur?

2030 wollte der Landkreis Fürstenfeldbruck die Wende hin zu erneuerbaren Energien geschafft haben und unabhängig von fossilen Energieträgern geworden sein. Das hatte er sich im Jahr 2000 vorgenommen. Mittlerweile weiß man, dass er das ehrgeizige Ziel verfehlen wird. Die künftige Klimaagentur soll dabei helfen, die Bemühungen um mehr Klimaschutz zu besseren Ergebnissen zu führen.

Wieso tun sich Landkreise zusammen?

Eine große Photovoltaikkampagne (hier ein Dach auf einem Bauernhof bei Moorenweis) hat Ziel21 vor der Pandemie gestartet. (Foto: Johannes Simon)

Fürstenfeldbruck, Starnberg und Landsberg wollen ihre Kräfte bündeln. Bereits 2017 fanden entsprechende Sondierungsgespräche statt, der Kreis Dachau zog sich zwischenzeitlich zurück. Durch die Zusammenarbeit dreier Kreise erhält das Vorhaben eine bessere finanzielle Basis und wird mittelfristig günstiger, als wenn jeder Landkreis seine eigenen Kapazitäten ausbauen würde.

Welche Aufgaben hat eine Klimaagentur?

Sie soll eine zentrale, unabhängige Beratungsstelle für Kommunen, Unternehmer und Verbraucher in Sachen Energiewende und Klimafragen werden und dabei Aufgaben übernehmen, die im Kreis Fürstenfeldbruck aktuell noch der Energiewendeverein Ziel 21 leistet. Allerdings soll die Agentur professionell agieren - mit Geschäftsführer und angestelltem Personal. Vorbilder gibt es in der Energieagentur Ebersberg-München oder im Energie- und Umweltzentrum Allgäu (Eza). Verstärkte Öffentlichkeitsarbeit soll das Thema besser in der öffentlichen Wahrnehmung verankern. So sollen zum Beispiel Hauseigentümer zur Gebäudesanierung und Nutzung erneuerbarer Energien motiviert werden. Die Beratungsangebote sollen über eine gemeinsame Plattform präsentiert werden.

Was haben die Kommunen davon?

Die Beratung der Städte und Gemeinden bei der Umsetzung von Klimaschutz- und Energiewendeprojekten soll eine der zentralen Aufgaben der neuen Agentur werden. Die Agentur soll sich dementsprechend als Dienstleister für die Kommunen verstehen, vor allem was deren öffentliche Gebäude angeht. Sie könnte beispielsweise Energiecontrolling für die Liegenschaften anbieten oder Optimierung von Regelung und Nutzerverhalten.

Gottfried Obermair (links) und Max Keil von Ziel 21. (Foto: oh)

Was versteht man unter einem "Bündnis für Klimaneutralität"?

Im vom Energiezentrum Allgäu vorgelegten Konzept findet sich auch der Vorschlag für ein regionales "Bündnis für Klimaneutralität". Im Allgäu haben sich 79 Unternehmen, Verwaltungen und andere Institutionen und Akteure zu einem solchen zusammengeschlossen. Sie wollen ihre CO₂-Emissionen durch mehr Energieeffizienz und stärkeren Einsatz von erneuerbaren Energien vor Ort reduzieren. Die Agentur könnte dafür Treibhausgasbilanzen erstellen.

Reicht das Klimaschutzmanagement im Landratsamt nicht aus?

Es ist im Vergleich zur Klimaagentur weniger in technischen Projekten aktiv und kann auch keine Dienstleistungen anbieten. Im Hinblick auf künftig zu erwartende Gesetzgebungen wird das Klimaschutzmanagement zusätzliche Aufgaben leisten müssen wie Klimafolgenabschätzung in der Bauleitplanung oder den Klimacheck von Beschlussvorlagen. Ein stark besetztes Klimaschutzmanagement gilt dennoch als wichtig, damit die Landkreise ihrer Vorbildwirkung gerecht werden können.

Was wird aus dem Energiewendeverein Ziel 21, der bisher ähnliche Aufgaben mit Ehrenamtlichen wahrgenommen hat?

Ziel 21 ist ein Sonderfall. Der Verein arbeitet fast wie eine Klimaschutzagentur, galt lange als Vorzeigeprojekt. Aufgaben und Projekte von Ziel 21 sollen in die neue Klimaagentur übernommen werden. Deshalb werde es dann "kein Ziel 21 mehr geben, auch nicht mehr im Namen", stellt dessen Vorsitzender, FW-Kreisrat Gottfried Obermair, auf Nachfragen anderer Kreisräte unmissverständlich klar. Die erste Aufgabe werde deshalb sein, Ziel 21 in die Agentur zu überführen. Alles andere, etwa ob oder wie die bisherigen Ehrenamtlichen weiter mitwirken, würde im Anschluss daran geregelt. Auch der Name Ziel 21 muss laut Obermair "von der Bildfläche verschwinden", denn er sei "gut installiert" im Landkreis. "Die Bevölkerung würde sonst den Wechsel nicht verstehen". Für die Überführung von Ziel 21 in die Agentur ist eine einjährige Übergangsphase geplant.

Was kostet die neue Agentur?

Die drei Landkreise sollen sie entsprechend ihrer Einwohnerzahl finanzieren. Der Kreis Fürstenfeldbruck als größter zahlt mit jährlich 200 000 Euro am meisten, die beiden anderen Kreise bringen knapp 125 000 Euro (Starnberg) und 110 000 Euro (Landsberg) ein. Zudem sollen die Landkreise zusammen 50 000 Euro Gesellschaftskapital einlegen. Dazu gibt es drei Jahre lang staatliche Fördergelder. Durch Beratungstätigkeit soll die Agentur später selbst Einnahmen generieren.

Welche Erwartungen haben die Politiker aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck an die neue Einrichtung?

"Unfassbar spät dran" sei der Landkreis Fürstenfeldbruck, kritisiert Christoph Maier, SPD-Fraktionsvorsitzender im Brucker Kreistag: "Der Klimawandel ist längst da. Es ist Zeit zu handeln." Er habe aber die Befürchtung, es werde mit der neuen Klimaagentur ein "weiterer Laberklub installiert". Maier fordert deshalb, umgehend Aufgaben für die neue Agentur zu definieren, "die vor allem mit operativer Tätigkeit zu tun haben". Skeptisch war lange Zeit auch Landrat Thomas Karmasin (CSU) gewesen, und ganz ist die Skepsis wohl noch nicht ausgeräumt, wenn er sagt: "Ich habe mich im Kreistag belehren lassen, dass das Ding jetzt Agentur heißen muss." Er sehe immerhin den Vorteil, mit anderen Kommunen zusammenzuarbeiten. ÖDP-Kreisrat Max Keil, der auch stellvertretender Vorsitzender von Ziel 21 ist, nennt die Gründung einer Agentur "wichtig und richtig", aber die Energiewende würde nicht von Ziel 21 oder einer Agentur gemacht, sondern: "Die Energiewende müssen wir machen!" Ziel 21 habe "oft auf Granit gebissen", wenn es um Veränderungen ging. Mehr zu erreichen als bisher, sei die Erwartungshaltung, betont CSU-Fraktionschef Emanuel Staffler. Die Landkreise sollten sich auf eine Art Leitbild verständigen und Standards setzen, wo die Agentur als echte Dienstleisterin fungieren soll. Grünen-Kreisrat Martin Runge wünscht sich, dass auch der Sektor Mobilität und Verkehr in das Aufgabengebiet aufgenommen wird. Den Kreistagsfraktionen ist wichtig, dass der Übergang von Ziel 21 in die Agentur gelingt und die beiden Mitarbeiter und die Ehrenamtlichen gehalten werden können.

© SZ vom 15.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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