Forschungsprojekt :Teebeutel in der Erde

Lesezeit: 3 min

Wer sich an der Aktion beteiligt, dem wird das komplette Forschungsset geliefert. (Foto: Marco Einfeldt)

Juliane Tanz aus Kranzberg vergräbt Teebeutel und beteiligt sich so an einer bundesweiten Forschungsaktion. Nach drei Monaten wird geprüft, wie stark sich das Material zersetzt hat. Das gibt dann Aufschluss über den Bodenzustand.

Von Petra Schnirch, Kranzberg

Juliane Tanz lädt nicht etwa zum Nachmittagstee ein, obwohl sie eine Schachtel mit Grün- und Rooibos-Tee in der Hand hält. Doch die Beutel kommen in keine Kanne, sondern in den Boden. Die Kranzbergerin beteiligt sich an der bisher umfassendsten Citizen-Science-Aktion in der Bodenforschung. Die Daten aus ganz Deutschland sollen in Studien zur nachhaltigen Bodennutzung einfließen - und teilweise auch für die Klimamodellierung genutzt werden. Drei Monate lang bleibt der Tee in der Erde. Dann wird erhoben, wie stark sich das pflanzliche Material zersetzt hat - und dies gibt Aufschlüsse über den Zustand der Böden.

Es sei spannend, Teil eines großen Bürgerforschungsprojekts zu sein, sagt die 24-Jährige. Sie interessiert sich aber auch selbst für die Ergebnisse. Juliane Tanz ist sozusagen vom Fach, sie studiert Landwirtschaft an der Hochschule in Bernburg, Sachsen-Anhalt, wohnt derzeit aber auf dem Kistler-Hof im Kranzberger Ortsteil Berg und macht dort ein Praktikum. Als sie das Set Ende 2020 angefordert hatte, wusste sie noch nicht, dass es in der Gemeinde Kranzberg in die Erde kommen würde.

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Die Teebeutel werden in ganz Deutschland an bis zu 9000 Standorten vergraben. Hinter der Mitmach-Aktion "Expedition Erdreich" steht das Bundesministerium für Bildung und Forschung, es hat das Wissenschaftsjahr 2021 mit dem Schwerpunkt Bioökonomie ausgerufen. Wissenschaftlich begleitet wird die Aktion vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung und dem Bona-Res-Zentrum für Bodenforschung. Das Projekt soll dazu beitragen, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Boden vor der eigenen Haustür besser kennenlernen. Gleichzeitig unterstützen sie die Wissenschaft und machten diese direkt erlebbar, heißt es von Seiten der Initiative Wissenschaftsjahr 2021.

Die Teebeutel werden in ganz Deutschland vergraben. Juliane Tanz versenkt ihre Teebeutel in Berg bei Kranzberg. (Foto: Marco Einfeldt)

Mit einfachen Methoden lasse sich oft viel erreichen, sagt die 24-Jährige. Die Teilnahme an dem Experiment ist tatsächlich kein Hexenwerk. Das Forschungsset enthält eine genaue Beschreibung der einzelnen Schritte plus einige wissenswerte Zusatzinformationen, insgesamt zwölf Teebeutel, ein Schäufelchen, kleine Holzstöcke zum Markieren der Standorte, aber auch Zubehör wie Destillierwasser, um den pH-Wert des Bodens bestimmen zu können. "Man wird sehr gut angeleitet", sagt die Studentin.

Auch ein Schäufelchen wird mitgeliefert. (Foto: Marco Einfeldt)

Die Teebeutel sind genormt, dennoch wiegt Juliane Tanz die kleinen 1,97 bis 2,31 Gramm schweren Dreiecke und notiert die Werte. Am Rande eines Blühstreifens neben einem Soja-Feld gräbt sie sechs jeweils acht Zentimeter tiefe Löcher. Mit dem nicht besonders stabilen Plastikschäufelchen ist das gar nicht so einfach, auch ein paar kleine Kartoffeln aus dem Vorjahr kommen noch zum Vorschein. Eine walnussgroße Probe des Bodens, die Tanz in der Hand zerkrümelt und zu rollen versucht, zeigt: Es ist ein relativ schwerer Lehmboden mit viel Sand- und Schluffanteilen, der auch Feuchtigkeit gut halten kann. "Das ist ein richtig guter Standort", analysiert die 24-Jährige. Bodenkunde habe sie im ersten Semester gar nicht sonderlich interessiert, erzählt Juliane Tanz. Sie habe das Fach eher langweilig gefunden. Mit zunehmender Dauer des Studiums wisse man aber um die Bedeutung des Bodens für die Landwirtschaft, ein Thema, das lange zu wenig Beachtung gefunden habe. Auch ihr Chef, ein Biobauer, sei begeistert von der Mitmach-Aktion und warte gespannt auf die Ergebnisse.

Eine walnussgroße Probe des Bodens, die Juliane Tanz in der Hand zerkrümelt und zu rollen versucht, zeigt: Es ist ein relativ schwerer Lehmboden. (Foto: Marco Einfeldt)

In drei Monaten werden die Teebeutel ausgegraben und nach kurzer Trocknung erneut gewogen - aus dem Unterschied zwischen Anfangs- und Endgewicht lässt sich dann der sogenannte Tea-Bag-Index berechnen. Mutet der Begriff für den Laien eher etwas sonderbar an, betont die Initiative "Wissenschaftsjahr 2021 - Bioökonomie", dass es sich um ein anerkanntes Verfahren handelt, mit dem sich bestimmen lässt, wie schnell Bodenorganismen Pflanzenreste abbauen. Er sei ein Indikator für die biologische Aktivität im Boden. Im Falle ihrer Proben auf dem Feld in Berg und an einem zweiten Standort im Garten des Anwesens rechnet Juliane Tanz, dass die Teereste 40 bis 50 Prozent weniger auf die Waage bringen werden als zu Beginn des Experiments. In sandigen Böden sei die Zersetzung geringer.

In drei Monaten werden die Teebeutel ausgegraben und nach kurzer Trocknung erneut gewogen - aus dem Unterschied zwischen Anfangs- und Endgewicht lässt sich dann der sogenannte Tea-Bag-Index berechnen. (Foto: Marco Einfeldt)

Sie wird noch einige Monate in Berg bleiben. Die Mitmach-Aktion kann sie bis zum Ende begleiten, eventuell wird sie auch ihre Bachelor-Arbeit im Landkreis Freising schreiben. Was danach folgt, weiß Juliane Tanz noch nicht. Sie würde gern weiterhin zumindest teilweise draußen arbeiten und nicht nur im Büro, ihr Interesse gilt vor allem dem Ökobereich.

Gerade mit dem Wandel zu einer biobasierten Wirtschaft würden gesunde und fruchtbare Böden immer wichtiger, begründet Bundesforschungsministerin Anja Karliczek die Initiative. Es freue sie, dass die Aktion auf so großes Interesse stoße.

© SZ vom 15.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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