Münchner Momente:Jede Tat eine gute Tat

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Gutes tun, es wird immer einfacher. Vielleicht auch, weil es so wirkt, als gäbe es so viel mehr Gutes zu tun

Kolumne von Philipp Crone

Manche Neuerungen sind vielschichtiger, als man zunächst denkt. Zum Beispiel gibt es ja jetzt rasende Radler, die mit waschmaschinengroßen Würfeln auf dem Rücken winzige bis riesige Mengen an Einkäufen in der Stadt verteilen, in den vierten Stock oder an den vierten Strauch im Park bringen. Das erschließt zum einen neue Möglichkeiten, etwa dass man doch noch das Gericht kochen kann, zu dem man eine Zutat beim Oldschool-Einkauf im Supermarkt vergessen hat. Die kommt für eine Gebühr halt nach zehn Minuten angeradelt. Oder man kann feiern, ohne sich auch nur einmal aus dem Gras aufrichten zu müssen, um beim Kiosk Rum-Cola nachzukaufen. Man kann nun aber auch doppelt freundlich sein. Neben dem Trinkgeld-Click für den rasenden Radler zum Beispiel das Zeitfenster der Lieferung nett wählen, nicht während, sondern nach dem Platzregen. Gutes tun, es wird immer einfacher, vielleicht auch, weil es so wirkt, als gäbe es so viel mehr Gutes zu tun.

Wer am Morgen irgendwo an der Isar vorbei muss, kann sich zum Beispiel das Jeden-Tag-eine-gute-Tat-Gefühl (bei der Google-Suche "Jeden Tag ein" erst an Stelle fünf, hinter "ein Bier" und "eine Banane") auch durch ein kurzes Wegschieben der schlimmsten Scherben holen. Oder sich als ehrenamtlicher Platzwundenvermeider in die Fußgängerzone stellen und dort smartphonegebückten Stechschrittlern rechtzeitig "Achtung!" zurufen, ehe sie ineinanderkrachen. Ehrenamtliche Pfadfindergefühle, da könnte man noch einiges etablieren. Zum Beispiel in den Hipster-Oasen mit angetäuschten Schritten auf die Straße die mit 30 Stundenkilometern anpreschenden Lastenradväter und -mütter ausbremsen, zumindest in verkehrsberuhigten Zonen. Und wer ein längerfristiges Engagement sucht, könnte sich als Parkplatz-Freihalter für künftige Schanigärten einbringen. Dazu ab und an ein Lastenrad bremsen und sich was dorthin bestellen, vielleicht eine Regenjacke.

© SZ vom 16.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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