Kommentar:Die Hybris der Gründer

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Ein Start-up-Beirat wollte die Medien "disziplinieren" - das ist gefährlich.

Von Caspar Busse

Aus der kleinen Firma, die Werner von Siemens vor mehr als 175 Jahren in einem Berliner Hinterhof gründete, wurde ein Weltkonzern. Als sich fünf ehemalige IBM-Mitarbeiter vor fast 40 Jahren selbständig machten, schufen sie SAP, der Konzern ist heute einer der größten Softwareanbieter. Und zwei Studenten aus Kalifornien begannen 1998 in einer Garage mit Google. Gründerinnen und Gründer sind zweifellos wichtig. Sie gehen ins Risiko, ohne Angst vorm Scheitern, bauen Neues auf, geben wichtige Impulse und schaffen vor allem Jobs. Doch immer wieder steigt ihnen der Erfolg auch allzu schnell zu Kopf, sie heben ab - und offenbaren dann nicht selten ziemlich krude Einstellungen.

Jüngstes Beispiel: In einem Positionspapier des Beirats Junge Digitale Wirtschaft, der den Bundeswirtschaftsminister beraten soll und in dem vor allem Firmengründerinnen und -gründer sitzen, wurde die "Disziplinierung der Presse" gefordert. Den Medien solle, so der Vorschlag, künftig gesetzlich vorgeschrieben werden, wie und ob über Start-ups berichtet werden soll. Bislang, so die Klage, seien die Berichte zu kritisch und teilweise diffamierend, das sei ein Hemmnis für den Erfolg deutscher Start-ups, so die Analyse. Die Medien hätten sogar eine Mitschuld am schlechten Umfeld für Börsengänge in Deutschland.

Natürlich sind solche Ideen einer staatliche Kontrolle der Berichterstattung irritierend und völlig absurd. Sie würden zudem die Pressefreiheit schwer beschädigen. CDU-Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier distanzierte sich sofort von den Ideen seiner Berater, die Mitglieder des Beirats kassierten die Vorschläge umgehend, aber viel zu spät, war das Papier doch bereits einige Monate alt und zugänglich. Die Brisanz war keinem der Verantwortlichen aufgefallen. Keiner will es nun gewesen sein, Kontrollmechanismen hätten versagt, heißt es. Es ist trotzdem ein Vorgang, der mit nichts zu entschuldigen ist und das Image schädigt.

Wie gefährlich es ist, Kritik zu unterdrücken, zeigt der Fall Wirecard

Es zeigt vor allem, wie gefährlich die Hybris von Gründerinnen und Gründern (meistens sind es immer noch vor allem Männer) sein kann. Auch Unternehmer müssen sich an Gesetze und Konventionen halten. Doch das ist ihnen nicht selten egal. Sie sehen sich lieber als Disruptor, als Zerstörer von traditionellen Geschäftsmodellen, die es den etablierten Unternehmen mal so richtig zeigen. Sie sind von ihrem Erfolg geblendet und generieren sich manchmal gar als vermeintlicher Gutmensch. Travis Kalanick, der einst die Taxi-App Uber gegründet hat, war das deutsche Personenbeförderungsgesetz herzlich egal. Manche Lieferdienste ignorieren schon mal die Gültigkeit deutscher Arbeitsgesetze für ihre eigenen Mitarbeiter. Und Facebook-Gründer Mark Zuckerberg macht den Handel mit den Daten seiner Kunden ganz gezielt zum lukrativen Geschäftsmodell. Öffentliche Kritik daran lassen die meisten Gründern nicht gerne gelten. Die Medien zu "disziplinieren", das würde vielleicht auch Zuckerberg gefallen.

Doch das ist ein Irrweg. Eine kritische Auseinandersetzung gerade auch mit Start-ups ist unerlässlich, vor allem, wenn es um geplante Börsengänge geht. Denn dann sollen Investoren ihr Geld in die Unternehmen stecken und Aktien kaufen. Sie sind darauf angewiesen, dass die Firma und ihr Geschäftsmodell sehr genau und fair geprüft werden - von den Medien, von Banken, Behörden und Aktionärsschützern oder von Aktienanalysten. Transparenz ist gefragt. Wohin es führen kann, wenn kritische Stimmen einfach weggewischt werden oder gar massiv unterdrückt werden, zeigt eindrucksvoll der Fall Wirecard. Viele waren von der Hoffnung benebelt, der Zahlungsdienstabwickler aus Aschheim bei München könnte eine weltweit erfolgreiche Internetfirma werden, und haben Nachsicht walten lassen. Es wäre besser für alle gewesen, man hätte besonders kritisch hingeschaut.

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