Artenschutz:Bienchen summ herum

Artenschutz: Zwei Jahre sind seit dem Volksbegehren "Rettet die Bienen" vergangen.

Zwei Jahre sind seit dem Volksbegehren "Rettet die Bienen" vergangen.

(Foto: Marco Einfeldt)

Zwei Jahre sind seit dem erfolgreichsten Volksbegehren aller Zeiten in Bayern "Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern- Rettet die Bienen" vergangen. Was ist seither passiert? Eine Bilanz.

Von Melanie Katschko und Melanie Glinicke

Loewenzahn Biene AUFNAHMEDATUM GESCHÄTZT
(Foto: Manfred Ruckszio/imago)

Zwei Jahre sind vergangen, seit das Volksbegehren "Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern - Rettet die Bienen" vom bayerischen Landtag angenommen wurde. Es ist das bislang erfolgreichste Volksbegehren aller Zeiten in Bayern, 1,7 Millionen Bürger unterschrieben dafür. Initiiert wurde es von der ÖDP, nach und nach traten dem Trägerkreis dann weitere Unterstützer bei. Ziel war es, die Artenvielfalt zu schützen. Das Insektensterben sollte verhindert werden und die heimische Flora und Fauna sollte gesichert werden. Wie sieht es nun nach zwei Jahren aus? Wurden die Erwartungen erfüllt, gibt es noch Herausforderungen? Freisinger Initiatoren, Beteiligte und Betroffene ziehen Bilanz.

Felix Bergauer, ÖDP

"Ob die Erwartungen an das Volksbegehren erfüllt wurden, muss differenziert beantwortet werden. Im Sinne einer strategischen Weichenstellung war es sehr wichtig, dass unser Gesetzesentwurf unverändert übernommen wurde, das ist ein großer Erfolg. Konkrete Fortschritte sind allerdings schwer zu messen. Sicher ist aber, dass der Absatz von Bioprodukten signifikant gestiegen ist. Wir sind aber auch dafür, dass Bio-Produkte endlich in alle öffentlichen Kantinen gehören. Auf den eigenen Agrarflächen hinkt der Staat hinterher. Die Erwartung, die sich aus meiner persönlichen Sicht besonders erfüllt hat, ist eine Bewusstseinsveränderung bei den Bürgern. Alle achten mehr darauf, ob an Wiesen ein Randstreifen nicht gemäht wird oder sie selbst lassen beim Mähen im eigenen Garten Stellen frei. So lassen sie den Bienen oder anderen Insekten einen besseren Lebensraum. Aktuell von einer erfolgreichen Umsetzung der Maßnahmen zu sprechen, wäre unangemessen. Die Herausforderungen, vor denen die Landwirte stehen, sind zum Teil noch zu groß.

Dafür gibt es auch zu wenig Daten und Fakten. Man sollte eigentlich jedes Jahr Forscher rausschicken, die das konkret messen, also gibt es mehr Wildbienen oder andere Insekten. Was außerdem noch fehlt oder wichtig für die Ziele des Volksbegehrens wäre, ist ein durchgängiger bayernweiter Biotopverbund. Es braucht mehr als ein Fleckchen hier und ein Fleckchen dort. Dadurch könnten die schrumpfenden Lebensräume für Vögel oder Insekten stabilisiert werden. In diesen Verbund sollten geeignete Flächen aufgenommen werden und diese sollten sich vernetzt über den Freistaat Bayern erstrecken."

Martin Wildgruber, Landwirt

"Wir Landwirte sind zwar die Grundstückseigentümer, aber trotzdem kann jeder seinen Beitrag leisten. Deswegen habe ich damals die Blühwiesen zum Verpachten ins Leben gerufen, so können sich auch Leute, die kein Grundstück besitzen, beteiligen. Im ersten Jahr lief das gut, dann ist es wieder abgeflacht. Die Leute setzen ein Kreuz und vergessen es dann wieder, aber wir Landwirte haben dann die Auflagen. Mähroboter zum Beispiel sind sehr schlecht für den Insektenschutz, aber das ist dann egal. Man muss den Leuten einfach die Augen öffnen und die Verantwortung nicht nur bei den Landwirten suchen. Mit den neuen Auflagen zu arbeiten wird immer schwieriger, das Walzverbot, das Freilassen von Randstreifen an Gewässern, die ich nicht bewirtschaften kann. Das ist eine stille Enteignung der Landwirtschaft. Wir Landwirte bekommen immer weniger, wenn uns die Fläche entschädigt werden würde, wäre es ja kein Problem. Wir würden für die Verbraucher alles tun, aber eben nicht zum Nulltarif."

Heinz Kotzlowski, LBV

"Die Erwartungen gegenüber dem Volksbegehren haben sich nicht erfüllt. Nichts davon wird in der Praxis umgesetzt. Ich sehe hier keine Veränderungen oder eine Verbesserung der Situation, was die Artenvielfalt angeht. Bei der Lebenssituation für die heimische Natur sieht es genauso aus. Ich habe viel Kontakt zu den regionalen Landwirten. Die lehnen es kategorisch ab, etwas an ihrer bisherigen Praxis zu ändern. Auch wenn es im Gesetz anders verankert ist. Sie möchten ihren Grund und Boden so bewirtschaften, wie sie es richtig finden. Man müsste sich viel mehr mit den Landwirten zusammensetzen. Auf die Bedenken und Probleme der Landwirte müsste mehr eingegangen werden. Was nicht gemacht wird, ist die preisliche Anpassung. Ein kleiner landwirtschaftlicher Betrieb bekommt viel zu wenig Geld für seine Produkte. Bei Kartoffeln bekommen die Landwirte nur ein Fünfundzwanzigstel von dem Kaufpreis. Stattdessen bekommen sie immer mehr Auflagen. Zum Beispiel dürften sie nur zu bestimmten Zeiten die Felder düngen und mähen. Es scheint von der Wirtschaft und Politik mehr erwünscht zu sein, große Agrarindustrien zu unterstützen. Man müsste zurückgehen zu den kleinbäuerlichen Betrieben. Der Landwirt würde so mehr am Erhalt der Natur beteiligt sein. Es ist schade, dass das Volksbegehren überhaupt nichts gebracht hat. Es hat der Natur sogar mehr geschadet, so wurden auf einmal Wiesen umgebrochen oder Obstbestände gefällt."

Stefan Hörmann, Bauernverband

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(Foto: imago/Ikon Images)

"Beim Volksbegehren war vieles gut gemeint aber manches falsch gedacht. Es müssten mehr Personen ihren Teil zum Insekten retten beitragen, so sind die Eingriffe hauptsächlich in der Landwirtschaft. Da gibt es auch Probleme, wie zum Beispiel bei den Gewässerrandstreifen, da es dabei teilweise keine klaren Regeln gibt. Außerdem sind die Gewässerrandstreifen ja auch ein Eingriff in den Besitz, für alle anderen Bevölkerungsgruppen hat das Volksbegehren null Konsequenz. Auch die Kommunen haben ja nicht wirklich Auflagen bekommen, wie zum Beispiel Kreisverkehre Insektenfreundlich zu gestalten, da kommt dann irgendein Eisenkunstwerk drauf. Das Insektensterben kommt ja nicht nur durch die Landwirtschaft, sondern auch durch Straßenbau oder Baugebiete. Ein kontinuierliches Wachsen des Biolandbaus ist definitiv zu beobachten, aber das erreicht man auch nicht durch eine Vorgabe. Entweder jemand macht das gerne und mit Leidenschaft oder eben nicht, man kann niemanden dazu zwingen. Außerdem kommt es auch auf den Markt an: Wenn Verbraucher das wollen, gibt es auch mehr Bio. Nicht nur das Kreuz muss gesetzt werden, in diesem Fall kann man das ganz aktiv selbst beeinflussen. Der Grundgedanke des Volksbegehrens ist natürlich sehr gut, da braucht man gar nicht drüber streiten, aber es ist schwierig, wie es ausgeführt wird. Grundsätzlich müssen einfach alle Bevölkerungsgruppen noch mehr mitmachen."

Manfred Drobny, BN

"Alle Erwartungen vom Volksbegehren wurden sicherlich nicht erfüllt. Der wesentliche Effekt war, dass das Thema in der Öffentlichkeit und Politik angekommen ist. Immer mehr haben verstanden, dass wir mit dem Rückgang der biologischen Vielfalt ein existenzielles Problem haben. Die Rückgänge sind dramatisch. Jeder, der etwas länger Auto fährt, etwa 20 Jahre lang, weiß, dass die Windschutzscheiben früher im Sommer nach Landfahrten gereinigt werden mussten. Heute ist das nicht mehr so. Das Volksbegehren hat im öffentlichen Bewusstsein einen großen Schub gegeben. Es gibt sehr viele Bürgerinnen und Bürger, die sich anschließend für den Artenschutz eingesetzt haben. Was jedoch fehlt, ist die Nachhaltigkeit und fachliche Expertise. Um ein Beispiel zu nennen: Die Blühstreifen am Ackerrand haben die Artenvielfalt nicht gerettet. Hier kann man schon voraussagen, dass es nichts bringt. Bei dem Rest sind wir auch ausgesprochen skeptisch. Insbesondere von der Politik gibt es keine großen Änderungen in der Agrar- und Flächensparpolitik. Es geht alles so weiter wie vorher, als ob nichts gewesen wäre. Es gibt viele Landwirte, die etwas machen möchten. Nur werden sie an verschiedenen Stellen wie etwa der Landwirtschaftsverwaltung und insbesondere von den Förderungen ausgebremst. Sie müssen zum Beispiel seit einigen Jahren zwangsweise umbrechen, um den Status als Acker nicht zu verlieren. Das führt direkt zu einer finanziellen Einbuße. Es müsste zwingend die Förderpolitik geändert werden. Die Bereitschaft bei den politisch Handelnden geht offenbar gegen null. Das ist eines der zentralen Probleme. Der Schutz der Artenvielfalt gelingt nicht von einem Tag auf den nächsten. Mit einer Blumenwiese ist es ganz sicher nicht getan."

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