British Open im Golf:Schneller als Jones, Nicklaus und Woods

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Letzte Bahn zum zweiten Major-Titel: Collin Morikawa schlägt am Sonntag an Loch 18 ab auf dem Royal St George's Club in Sandwich. (Foto: Glyn Kirk/AFP)

Collin Morikawa gewinnt als Debütant die British Open - und zählt damit schon jetzt, mit 24 Jahren, zu den Besten seines Sports. Doch so entspannt er sich gibt: Er will mehr.

Von Felix Haselsteiner

Etwas zu erreichen, was zuvor noch niemand geschafft hat, ist im Golfsport nicht allzu leicht. Sicher, die Technologie von heute ermöglicht längere Schläge, und mit dem Trainingseifer der heutigen Athleten werden die Muskeln immer dicker, aber die wahren Rekorde hat eigentlich immer schon jemand eingestellt. Bobby Jones am Anfang, Jack Nicklaus in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Tiger Woods vor, während und nach der Jahrtausendwende - einer der drei war in den meisten Fällen der jüngste, der beste, der unschlagbarste. Bis Collin Morikawa kam.

Der 24-Jährige gewann am Sonntagnachmittag die British Open, es war sein insgesamt fünfter Sieg als Profi und sein zweiter Sieg bei einem der vier Majors-Turniere. Bei der Open Championship gelang ihm nun erneut das Kunststück, das ihm bereits im vergangenen Jahr bei der PGA Championship gelungen war: Morikawa gewann das traditionsreichste aller Golfturniere bei seinem Debüt. Eine unglaubliche Leistung. Erfahrung ist bei Major-Turnieren noch wichtiger als ohnehin schon - doch Morikawa scheint das nicht zu interessieren. Erst seit zwei Jahren ist der Kalifornier Profi. Zweimal als Debütant so große Siege zu erringen, das hat noch niemand vor ihm geschafft - auch nicht Jones, Nicklaus oder Woods.

"Das ist mit großem Abstand einer der besten Tage meines Lebens", sagte Morikawa in seiner ersten Ansprache als Champion Golfer of the Year, so der offizielle, förmliche Titel, den der Sieger erhält (neben einer Prämie in Höhe von rund 1,5 Millionen britischer Pfund) und der über die Bedeutung der British Open im Golfsport eigentlich schon alles aussagt. Morikawa konnte diesmal auch den "großartigen" Fans danken, die bei seinem ersten Major-Sieg 2020 aufgrund von Covid-Restriktionen nicht zugelassen gewesen waren. Im nun wieder würdigen Rahmen bekam auch der deutsche Amateurgolfer Matthias Schmid die Silbermedaille als bester Amateur im Feld überreicht. Mit dem geteilten 59. Rang erzielte der 23-Jährige ein herausragendes Ergebnis und wurde zweitbester Deutscher hinter Marcel Siem, der als 15. das zweitbeste Major-Ergebnis seiner Karriere schaffte. Schmid wird von der kommenden Woche an als Profi an den Start gehen, mit dem Selbstvertrauen eines guten Major-Ergebnisses - und mit guten Wünschen von Morikawa: "Ich war bis vor zwei Jahren auch noch Amateur", sagte der Turniersieger, an Schmid gewandt: "Ich sehe große Dinge auf dich zukommen."

Seine Familie in den USA sei extra früh aufgestanden, um ihn zu unterstützen: "I feel the love."

Morikawa ist jemand, der die vielen großen Worte, die er sprach, mit einer gewissen Leichtigkeit verbinden kann. Die Bühne der Siegerehrung schien ihn genauso wenig zu überfordern wie die 18 Löcher zuvor, er initiierte erst ein Geburtstagsständchen für seinen Caddie und berichtete dann, dass seine Familie in den USA besonders früh aufgestanden sei, um ihn sehen zu können, weil sie leider nicht nach Großbritannien hatte reisen können. Er wusste, dass sie ihn aus der Ferne begleiten: "I feel the love", sagte er, er spüre die Liebe.

Die Leichtigkeit in seinem Umgang mit dem Triumph ist beeindruckend, solche Zeremonien haben schon weitaus erfahrenere Spieler übermannt - erinnere sei an Dustin Johnson, der bei seinem Masters-Sieg im vergangenen Jahr kaum ein Wort herausbrachte, weil ihm die Stimme versagte. Morikawa jedoch erobert jeden Winkel der Golfwelt seit zwei Jahren auf eine entspannte Art und Weise, die kaum zu erklären ist oder, wenn überhaupt, dann nur im Ansatz damit, dass er in Kalifornien aufwuchs und von väterlicher Seite hawaiianische Ursprünge hat - die Lässigkeit könnte ihm also, einem bis zwei Klischees folgend, angeboren sein. Nicht von der Hand zu weisen sind Parallelen zu Woods, der seine Karriere ebenfalls im Großraum Los Angeles begann. Morikawa allerdings ist nicht der neue Tiger - der 24-Jährige nämlich ist ein ganz anderer Typ. Neben dem Platz, weil er so befreit über seine Familie, seine Herangehensweise, seine Sorgen spricht, wie der von Perfektionismus getriebene Woods es nie konnte.

Auf dem Platz, weil Morikawa nicht auf Spektakel und Power setzt. Sein Schwung ist ruhig, vergleichsweise unspektakulär - aber hochgradig effizient und, statistisch gesehen, derzeit der beste der Welt. Woods gewann seine Turniere mit wilden, kraftvollen Schlägen, langen, gelochten Putts und meist so haushoch, dass die Konkurrenten nicht den Hauch einer Chance hatten. Morikawa hingegen zeichnet sein kühler Kopf aus und sein nahezu fehlerfreies Spiel. Wenn er dann, wie an den vier Tagen im Süden Englands, auch noch die letzte kleine Schwäche in seinem Spiel - das Putten - verbessern kann, ist er kaum zu schlagen, selbst wenn der Weltranglistenerste Jon Rahm und der nie aufgebende Kämpfer Jordan Spieth am Sonntag auf den finalen Löchern ihr bestes Golf spielen. Wirklich nahe kamen sie Morikawa nur ein Mal, kurz, als er auf Loch 14 doch einen kleinen Fehler machte - diesen aber sofort ausbügelte und wieder davonzog.

Morikawa ist sich durchaus bewusst, dass er im Moment der beste junge Golfspieler der Welt ist, hier gleichen Woods und er sich wiederum ein wenig. Ohne je zuvor ein Major auf einem flachen, englischen Links-Kurs gespielt zu haben, sagte er bereits vor dem Turnier, dass er natürlich gewinnen wolle - eine Aussage, die von Woods hätte stammen können. Nun saß Collin Morikawa nach seinem zweiten Majorsieg auf der Tribüne der Pressekonferenz, die Claret Jug, die silberne Karaffe als Trophäe für den Sieger neben sich, und sprach über das, was noch kommen könnte: "Ich genieße diese Momente und ich will sie noch mehr genießen und mich vielleicht auch mal ein paar Tage zurücklehnen, um aus dem Ding hier zu trinken. Aber ja...", Morikawa pausierte kurz: "Ich will mehr."

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