Popkolumne:Percussion wie vom Bauernhof

Popkolumne: Aktiv, aber jeder für sich. Bis jetzt: das Duo Darkside.

Aktiv, aber jeder für sich. Bis jetzt: das Duo Darkside.

(Foto: Jed DeMoss)

Neue Musik von Darkside, David Crosby, den "Barenaked Ladies", und beim Label 4AD gibt es Altes neu, aber nicht besser, weil Covern eben sehr schwer ist.

Von Max Fellmann

Auf das Debüt des Duos Darkside konnten sich 2013 viele einigen, der leicht entrückte Elektropop lief gern mal in Wohnzimmern als urbanes Hintergrundrauschen. Danach kam dann - nichts. Nicolas Jaar und Dave Harrington blieben sehr aktiv, aber jeder für sich. Jetzt, acht Jahre später: plötzlich doch noch ein neues Album. Die Zeiten haben sich geändert, die Grundstimmung auch, "Spiral" (Matador / Beggars) zeigt vor allem die dark side von Darkside. Verhaltene Gesänge über tröpfelnden Trommeln, schwerer Kontrabass, ein bisschen Krautrock, fast Kammermusik. Dazwischen Unruhe, Spaziergänge durchs digitale Unterholz, Percussion wie vom Bauernhof, Glocken, Töpfe, Kupferklang. Man kann sich gut vorstellen, dass der David Bowie aus der "Blackstar"-Phase das alles sehr gemocht hätte. Nur das schon vor einem halben Jahr veröffentlichte "Liberty Bell" tanzt hier etwas einsam herum, klarer Beat, klassische Songstruktur, ein irritierend gut gelaunter Partygast. Aber das soll um Gottes willen nichts gegen die Party sagen. Manchmal sind doch die Abende am schönsten, bei denen man melancholisch beisammensitzt und gemeinsam ins Kaminfeuer schweigt.

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Was für ein Leben! David Crosby, das alte Walross: Mitgründer der Byrds, Mitgründer von Crosby Stills Nash (& Young), Ex-Freund von Joni Mitchell, Samenspender für Melissa Etheridge, Drogen, Waffen, Gefängnis, Band-Trennungen, Wiedervereinigungen, dann noch mehr Entzweiung, böse Worte, inzwischen die uneinholbar größte Hassfigur im Leben von Stills, Nash und Young. Ewiges Auf und Ab, über weite Strecken vor allem Ab. Aber immer und über allem diese Engelsstimme, dieser samtene Tenor, in dem sich jungenhafte Unschuld mischt mit der Straßenranderfahrung von mindestens zehn kalifornischen Landstreichern. Kurz bevor er jetzt 80 wird, haut Crosby noch mal ein richtig gutes Album raus, "For Free" (BMG/Warner). Über die etwas gefälligen ein, zwei Country-Rock-Nummern am Anfang muss man freundlich hinwegsteigen, dann hebt sich das Niveau, komplexe Chöre, jazzige Harmonien (kein Wunder: Donald Fagen als Gast). Und schließlich der Titelsong von Joni Mitchell, sanft gesungen, aber nicht abgeklärt, behutsam, aber nicht müde. Ein alter Mann in der Form seines Lebens.

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One Hit Wonder kennt jeder. Ein Riesenerfolg, dann nie mehr einer. Oft tragisch. Ähnlicher Fall: das Phänomen, äh, wie nennen wir's - TV Show Hit Wonder? Bands, die man im Grunde nur wegen des Titelsongs einer Fernsehserie kennt. Die Rembrandts sind für alle Zeiten die mit dem "Friends"-Lied (klatsch, klatsch, klatsch). Und die Barenaked Ladies aus Toronto wären in Europa ziemlich unbekannt, wären sie nicht jahrelang am Anfang jeder Folge von "Big Bang Theory" zu hören gewesen. Dabei haben die Ladies - und das verbindet sie mit den gemein unterschätzten Rembrandts - viele gute Songs, die auch ohne Serie funktionieren. Auf ihrem 13. Album "Detour De Force" spielen sie flockigen Folk-Pop mit viel Witz, die Melodien laufen gut, alles strahlt und funkelt sehr sympathisch. Hervorragende Sommermusik. Allerdings machen die Texte relativ viel aus, lustige Alltagsbeobachtungen, absurde Lebensfragen, meistens ziemlich all american - und das transportiert sich nicht immer ohne Weiteres nach hier drüben. Trotzdem, die Band hat ein freundliches Hinhören verdient, auch und gerade wenn man "Big Bang Theory" nicht so mag.

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Zuletzt noch ein ewiges Missverständnis: Viele Menschen sind der Ansicht, um sich in der Musikwelt vor jemandem zu verneigen, sei es das Beste, dessen Musik nachzuspielen. Die Geste ist schön, natürlich. Aber die Fälle, in denen Coverversionen ans Original ranreichen, kann man halt dann doch an einem Satz Gitarrensaiten abzählen. Das traditionsreiche britische Indie-Label 4AD, 1980 gegründet, hätte vergangenes Jahr Jubiläum feiern können. Aber weil zuletzt nicht viel war mit Feiern, wird das Festalbum dieses Jahr nachgereicht: "Bills & Aches & Blues" (4AD / Matador) versammelt große Lieder aus der Label-Vergangenheit, gecovert von Musikern aus der Label-Gegenwart. Tune Yards spielen "Cannonball" von den Breeders, ganz ordentlich, SOHN schweben entrückt durch "Song To The Siren" von This Mortal Coil, Future Islands verkleben "The Moon Is Blue" von Colourbox mit sehr viel Synthesizer. Und so weiter. Kann man alles machen, herzlichen Glückwunsch auch. Aber nahezu keine Version gewinnt dem Original wirklich spannende neue Seiten ab. Geste gut, Ergebnis schade. Und bitte, der verunglückte Auftakt, "Gigantic" in der Version von Tkay Maidza? Hilfe, nein! Lieber sofort die großen alten Pixies noch mal im Original hören.

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