Ungarn:Orbán lässt Bevölkerung über LGBTQ-feindliches Gesetz abstimmen

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Ungarns Regierungschef Viktor Orbán will per Referendum über das umstrittene LGBTQ-Gesetz abstimmen lassen. (Foto: POOL/REUTERS)

Ungarns Ministerpräsident ruft zur Unterstützung bei einem Referendum auf, ähnlich wie beim Referendum gegen die Aufnahme von Flüchtlingen 2016. International wird das Gesetz scharf kritisiert.

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán will per Referendum über das umstrittene LGBTQ-Gesetz abstimmen lassen. Orbán zählte fünf Fragen für das Referendum auf: Ob die Ungarn dafür seien, dass Minderjährige ohne Zustimmung der Eltern sexuell aufgeklärt werden, ob bei Kindern für Geschlechtsumwandlungen geworben werden dürfe sowie ob bei Kindern Geschlechtsumwandlungen durchgeführt werden dürfen. Ferner soll gefragt werden, ob Kindern Medienberichte zugänglich sein sollen, die ihre sexuelle Entwicklung beeinflussen können sowie Medienberichte über Geschlechtsumwandlungen. In einem auf Facebook veröffentlichten Video warb er um Zustimmung.

Orbán forderte die Ungarn zu einem "gemeinsamen Nein" auf diese fünf Fragen auf. Als Vorbild nannte er das Referendum von 2016, das sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen richtete. Damals "wollte Brüssel uns Einwanderer aufzwingen", sagte Orbán. "Damals ist es uns gelungen, es zu stoppen, gemeinsam wird es auch diesmal gelingen." Das Referendum von 2016 war wegen mangelnder Beteiligung ungültig. Wenige Stunden vor Orbáns Ankündigung hatte die Regierung das bisher wegen der Corona-Pandemie geltende Referendumsverbot aufgehoben.

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Das Gesetz verbietet Publikationen, die Kindern zugänglich sind und nichtheterosexuelle Beziehungen darstellen. Auch wird Werbung verboten, in der Homosexuelle oder Transsexuelle als Teil einer Normalität erscheinen.

Die EU-Kommission leitete wegen des Gesetzes ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn ein. Es bedrohe den Grundsatz der Gleichheit und der Achtung der Menschenwürde. Diese seien Grundwerte der EU, begründete die Behörde ihre Entscheidung, und man werde deswegen alle zur Verfügung stehenden Instrumente einsetzen, um diese Werte zu verteidigen. Ein Vertragsverletzungsverfahren kann bis zu Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof führen. Auch viele EU-Staaten kritisieren das Gesetz als diskriminierend.

Ungarn weist die Vorwürfe gegen das Gesetz hingegen zurück. Aus Sicht der Regierung sorgt es nur dafür, dass Eltern allein darüber entscheiden können, wie sie die sexuelle Erziehung ihrer Kinder gestalten wollen. Orbán warf der EU vor, sie verlange, dass Aktivisten von LGBTQ-Vereinen in ungarischen Kindergärten und Schulen Sexualaufklärung durchführten, "so wie dies in Westeuropa bereits üblich ist".

© SZ/dpa/Bloomberg/saul/hij - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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