Gaspipeline:Deutschland und USA einigen sich im Streit um Nord Stream 2

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Mecklenburg-Vorpommern: Rohre für die Gaspipeline Nord Stream 2 werden im Juni auf dem Gelände des Hafens Mukran auf ein Schiff verladen. (Foto: Stefan Sauer/dpa)

Die fast vollendete Pipeline in der Ostsee belastet die transatlantischen Beziehungen seit Jahren. Nun wird der Dauerstreit beigelegt.

Nach jahrelangem Streit haben die USA und Deutschland einen Durchbruch im Konflikt um die deutsch-russische Pipeline Nord Stream 2 erzielt. Die Top-Diplomatin Victoria Nuland aus dem US-Außenministerium sagte am Mittwoch bei einer Anhörung im Kongress in Washington, die Einigung werde im Laufe des Tages offiziell vorgestellt werden.

Nuland sagte, Deutschland habe sich in der Einigung unter anderem zu Maßnahmen verpflichtet, "sollte Russland versuchen, Energie als Waffe einzusetzen oder weitere aggressive Handlungen gegen die Ukraine zu begehen". Das schließe mögliche Sanktionen ein. Vereinbart sei außerdem Unterstützung für eine Verlängerung des 2024 auslaufenden Gas-Transitabkommens durch die Ukraine um weitere zehn Jahre. Man werde außerdem daran arbeiten, die Abhängigkeit der Ukraine vom russischen Gas und den Transit-Einnahmen zu verringern.

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Joe Biden und Angela Merkel wollen die negativen Folgen der russischen Gas-Pipeline abmildern. Das ist dringend nötig - die Ukraine aber hat weiterhin Grund zur Sorge.

Kommentar von Daniel Brössler

Die fast fertiggestellte Pipeline soll Erdgas von Russland über die Ostsee direkt nach Deutschland bringen - unter Umgehung des traditionellen Transitlandes Ukraine. Bei der Einigung dürfte es daher vor allem auch um einen dauerhaften Schutz und die wirtschaftliche Zukunft der Ukraine gehen.

US-Präsident Joe Biden und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatten am vergangenen Donnerstag in Washington einen Neustart in den deutsch-amerikanischen Beziehungen beschworen, nach schwierigen Jahren unter Bidens Vorgänger Donald Trump.

Biden sagte anschließend, er habe Merkel gegenüber nochmals seine Bedenken bezüglich der Pipeline ausgedrückt. Russland dürfe diese nicht nutzen, um "die Ukraine auf irgendeine Weise zu erpressen". Merkel sagte, Nord Stream 2 sei ein zusätzliches Projekt und keine Alternative zum Gastransit durch die Ukraine: "Unser Verständnis war und ist und bleibt, dass die Ukraine Transitland für Erdgas bleibt." Merkel machte deutlich, man werde "auch aktiv handeln", falls Russland das Recht der Ukraine auf Gastransit nicht einlösen werde.

Am Mittwoch hat die Bundeskanzlerin mit Russlands Präsident Wladimir Putin über Nord Stream 2 gesprochen. Das gab eine Regierungssprecherin am Abend in Berlin bekannt. In dem Telefonat sei es einerseits um die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen zur friedlichen Lösung des Konflikts in der Ostukraine gegangen. "Auch Energiefragen wie der Gastransit durch die Ukraine und die Pipeline Nord Stream 2 waren Thema des Gesprächs", fügte sie hinzu.

Einigung dürfte im Kongress auf Widerstand stoßen

In den USA gab es seit Jahren parteiübergreifend Widerstand gegen Nord Stream 2. Die Einigung dürfte im Kongress daher auf Widerstand stoßen. Dort lehnen viele Republikaner das Projekt ab und fordern Sanktionen, genauso wie einige von Bidens Demokraten. Kritiker sehen in der Pipeline ein geopolitisches Projekt Russlands, das die Energiesicherheit Europas gefährde. Sie bemängeln außerdem, dass die Pipeline der Ukraine schaden könnte. Kiew ist auf Milliardeneinnahmen aus dem russischen Gastransit angewiesen. Befürworter der Pipeline wiederum werfen den USA vor, nur ihr eigenes, teureres Gas in Europa absetzen zu wollen.

Biden hatte seit seinem Amtsantritt im Zuge eines Neustarts in den Beziehungen zu Deutschland Entgegenkommen bei Nord Stream 2 gezeigt. Im Mai verzichtete seine Regierung auf Sanktionen gegen die Schweizer Betreibergesellschaft und deren deutschen Geschäftsführer - ausdrücklich aus Rücksicht auch auf die Beziehungen zu Deutschland, wie es in einem Bericht des US-Außenministeriums hieß.

Lambsdorff: "Heftpflaster bei einem Beinbruch"

Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Fraktion Alexander Graf Lambsdorff sagte am Mittwoch nach Medienberichten über eine bevorstehende Einigung zwischen Deutschland und den USA zu Nord Stream 2, dies wirke wie ein "Heftpflaster bei einem Beinbruch". Nach wie vor bestehe die Gefahr, dass die Pipeline zur außenpolitischen Waffe in der Hand Moskaus werde. "Die Bundesregierung hat die diplomatische Einbettung des Projekts bei unseren Partnern in Europa und Amerika jahrelang fahrlässig vernachlässigt. Deshalb muss Deutschland jetzt wie die USA das direkte Gespräch auch mit Polen und der Ukraine suchen", forderte er.

Bei den Grünen erklärten der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Oliver Krischer und der Sprecher für Osteuropapolitik, Manuel Sarrazin: "Die Vereinbarung zu Nord Stream 2 ist ein herber Rückschlag für den Klimaschutz." Die Bundesregierung habe damit vor allem die Laufzeitverlängerung fossiler Infrastruktur besiegelt, erklärten sie. Die Regierung predige Klimaschutz, praktiziere aber das Gegenteil, hieß es weiter.

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