Dem Geheimnis auf der Spur:Der Millionen-Coup des Philosophen

Francois-Marie Arouet (21 November 1694 - 30 May 1778), more commonly known by his nom de plume Voltaire, was a F

Philosoph, Dramatiker und Millionär mit einem Hang zum Glücksspiel: Voltaire.

(Foto: imago images/AGB Photo)

Voltaire war nicht nur einer der größten französischen Denker, sondern auch einer der größten Lotterie-Gewinner. Seinen Sieg verdankt er einem raffinierten Trick.

Von Josef Schnelle

Es gibt keine zwei Meinungen dazu, dass der politische Philosoph, Dramatiker und Trendsetter mit dem selbstgewählten Künstlernamen "Voltaire" - tatsächlich hieß er ja François-Marie Arouet - einer der wichtigsten Denker der französischen Aufklärung war. Es gibt auch keine zwei Meinungen dazu, dass er mit rund 700 Schriften und mehr als 20 000 Briefen ein gewaltiges Werk hinterließ, von dem vieles widersprüchlich und manches längst vergessen ist.

Reich war er auch, jedoch nicht aufgrund seines schmalen Erbes, für das er noch lange hatte kämpfen müssen. Sein Lebenswandel war auch deshalb finanziell sehr aufwendig, weil er es nicht lassen konnte, die Mächtigen seiner Zeit mit frechen Bemerkungen herauszufordern, und dabei immer Aufführungsverbote für seine mehr als 50 Theaterstücke riskierte. So musste er sein geliebtes Heimatland Frankreich häufiger verlassen. Er ging für ein paar Jahre ins damals liberalere England oder stellte sich später unter den Schutz des preußischen Friedrich. 1729 hatte sich seine Lage für immer verändert - durch eine staatliche Lotterie, an der Voltaire und seine Freunde wie an einem Schelmenstück teilnahmen und die ihn finanziell für immer unabhängig machte. Aber war er einfach ein x-beliebiger Glückspilz?

Voltaire schrieb spöttische Sprüche auf die Rückseiten der Lose

Der Jammer mit Lotterien besteht ja darin, dass wir niemals einigermaßen sicher gewinnen können, weil wir nicht sämtliche Lose erwerben können. Das sei bei der eben aufgelegten neuen Staatslotterie des französischen Vize-Finanzministers Michel Robert Le Peletier des Forts anders, rechnete der Mathematiker und Spieler Charles-Marie de la Condamine Voltaire beim Souper vor. Der Schriftsteller war eben erst von seinem Englandintermezzo zurückgekehrt und versuchte gerade erneut, in Frankreich Fuß zu fassen. Der Erwerb eines Loses bei der neuen Lotterie des Königs war an den Besitz von Staatsanleihen gebunden, die in unterschiedlicher Höhe im Umlauf waren und aufgrund der zerrütteten Staatsfinanzen als weitgehend wertlos galten.

Das Los kostete ein Tausendstel des Preises der Anleihe, die jemand besaß. Wem ein Staatspapier im Wert von 1000 Livre gehörte, der musste also nur einen Livre zahlen. Jedes Los hatte aber die gleiche Gewinnchance, zum Beispiel auf den monatlichen Hauptgewinn von damals sagenhaften 500 000 Livre. Außerdem bekamen zahlreiche mindere Gewinner 85 Prozent der Höhe ihrer nominellen Anleihe ausgezahlt, was einige Besitzer schon als beträchtlichen Gewinn verbuchten. Außerdem, das war auch eine der zusätzlichen Absichten der Lotterie, konnten die Finanzbehörden hoffen, dass einige Loskäufer neue Staatsanleihen erwerben würden, um überhaupt teilnehmen zu können. Für die Besitzer hochwertiger Anleihen lohnte sich der Loserwerb sowieso eher weniger, weswegen die Wahrscheinlichkeit vieler kleiner Loskäufer in dem begrenzten Kontingent sehr groß war. Und wenn man dann noch ein Konsortium gründen würde, das mögliche Finanziers zusammenführte, konnte kaum auffallen, dass die Gewinne immer wieder in denselben Händen landeten.

Condamines gute Idee, die er perfekt durchgerechnet hatte, konnte funktionieren. Doch es fehlten ihm die sozialen Kontakte, die notwendig waren, um ein entsprechendes Konsortium zusammen zu bekommen. Das war die Aufgabe, die er dem bestens vernetzten Voltaire zugedacht hatte und die dieser gerne übernahm. Im Januar 1729 startete die Lotterie. Im Februar war schon eine ungewöhnlich hohe Anzahl kleiner Lose erreicht. Alles lief also perfekt. Doch die notwendige Verwendung von zahlreichen Stroh- und Schattenmännern samt mit Voltaire gut bekannten Schauspielern, die entsprechend feierlich als Loskäufer auftraten, musste bald auffallen. Voltaire ließ es sich auch nicht nehmen, die Rückseiten der Lose mit spöttischen Sprüchen zu verzieren wie: "Vielen Dank an den Finanzminister". Er holte die Gewinne sogar oft höchstpersönlich ab.

Le Peletier des Forts schöpfte Verdacht und strengte schließlich einen Prozess an. Doch der Staatsrat bestätigte, dass alles mit rechten Dingen zugegangen war. Schließlich hatten die Spieler der Gesellschaft "Gebrüder Paris-Deverney" sich abgesehen von einigem Brimborium stets an sämtliche rechtlichen Bestimmungen gehalten. Voltaires "großer Lotterie-Schwindel" nutzte lediglich einen Konstruktionsfehler der ganzen Veranstaltung aus, die 1730 eingestellt wurde. Condamine und Voltaire sollen nach Abzug aller Unkosten im Verlauf der Lotterie jeweils circa 500 000 Livres kassiert haben. In heutige Währung ist das schwer umzurechnen. Selbst bei der konservativen Berechnung des Wertes anhand des damaligen Monatslohns eines Handwerkers als Bezugsgröße kommt man allerdings auf die gigantische Summe von 75 Millionen Euro.

Während La Condamine seinen Reichtum dazu benutzte, sich mit seinen Südamerika-Expeditionen als bedeutender Entdecker einen Namen zu machen, finanzierte Voltaire von seinem Gewinn sein Leben als ungebundener Schriftsteller. Die trickreiche Beschäftigung mit Staatsanleihen ließ ihn allerdings nicht los. Während seiner Zeit als Kammerherr Friedrichs des Großen, der ihn sehr bewunderte, versuchte Voltaire 1751 von Geschäften mit sächsischen "Steuerantizipationsscheinen" zu profitieren. Geschäfte damit waren aber verboten. Und so flogen bei einem Prozess Voltaires Pläne, die er mit dem Bankier Hirschel geschmiedet hatte, auf. Der Philosoph musste sich für seinen Betrugsversuch entschuldigen. Friedrich verzieh ihm aber postwendend und schrieb in einem Brief süffisant: "Ihre Werke verdienen, dass man Ihnen Bildsäulen errichte; Ihr Betragen aber verdient die Galeere."

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Voltaire, französischer Schriftsteller

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