Umstrittene Pipeline:Merkel verteidigt Einigung im Streit um Nord Stream 2

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Bundeskanzlerin Angela Merkel und Russlands Präsident Wladimir Putin bei einem Treffen im Moskauer Kreml im Januar 2020. (Foto: REUTERS)

Die Kanzlerin begrüßt das Ende des Konflikts mit den USA wegen Nord Stream 2. Bedenken, dass Russland im Gas-Transitland Ukraine wieder militärisch aktiv werden könne, versucht sie zu zerstreuen. Die EU habe da ihre Mittel.

Von Daniel Brössler, Berlin

Die deutsch-amerikanische Einigung im Streit über die Gaspipeline Nord Stream 2 stößt auf Skepsis und Sorge in der besonders betroffenen Ukraine. Es sei noch unklar, ob Russland seine Verpflichtungen hinsichtlich der Energiesicherheit und der Rolle der Ukraine als Gas-Transitland erfüllen wolle, erklärte Außenminister Dmytro Kuleba am Donnerstag. "Das ist ein grundlegendes Problem", sagte Kuleba. Er wünsche sich eine stärkere deutsch-amerikanische Erklärung zur Sicherheit der Ukraine.

Deutschland könne gar nicht garantieren, dass Russland nach der Inbetriebnahme der neuen Gasleitung die Ukraine weiter als Transitland nutze, kritisierte der Chef des staatlichen Gaskonzerns Naftogaz, Jurij Witrenko. "Wenn es keinen physischen Gastransit über die Ukraine gibt, dann steigt das Risiko einer großflächigen militärischen Aggression vonseiten Russlands", warnte er.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte die Übereinkunft, die am Mittwochabend von den Regierungen Deutschlands und der USA bekanntgegeben worden war und die einen jahrelangen Konflikt beendet. In ihrer Sommer-Pressekonferenz in Berlin lobte sie einen "guten Schritt", der beiderseits Kompromissbereitschaft erfordert habe und auch für die Ukraine gut sei. Deutschland verpflichtet sich in der Vereinbarung, "alle verfügbaren Einflussmöglichkeiten zu nutzen", um eine Verlängerung des 2024 auslaufenden Gastransitabkommens der Ukraine mit Russland um bis zu zehn Jahre zu erreichen.

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Die fast vollendete Pipeline in der Ostsee belastet die transatlantischen Beziehungen seit Jahren. Nun wird der Dauerstreit beigelegt.

Für den Fall, dass Russland Energie "als Waffe" einsetzt, sagt Deutschland zu, "auf nationaler Ebene" zu handeln und in der Europäischen Union "auf effektive Maßnahmen einschließlich Sanktionen" insbesondere gegen russische Energieexporte zu drängen. Teil der Vereinbarung sind auch massive Investitionen in den ukrainischen Energiesektor. Im Gegenzug setzen die USA Sanktionen gegen Nord Stream 2 weiterhin aus. Die Fertigstellung der Pipeline steht nach Angaben der Betreibergesellschaft kurz bevor.

Eine Frage der "wirtschaftlichen Rentabilität"

Zweifeln, dass Deutschland eine weitere Verlängerung des russisch-ukrainischen Transitvertrags erwirken kann, trat Merkel entgegen. "Wir sind ja nicht ohne jedes Mittel", sagte sie. Als Möglichkeit, "die wir immer haben", nannte sie Sanktionen. Es sei dies allerdings ein Mittel, von dem sie nicht Gebrauch machen wolle. "Die russische Seite hat ja heute noch mal gesagt, sie will Energie nicht als Waffe einsetzen", sagte Merkel. Hier wolle sie die russische Führung beim Wort nehmen.

Kremlsprecher Dmitrij Peskow verwies in Moskau darauf, dass die Verlängerung nur zwischen Russland und der Ukraine vereinbart werden könne. Es handele sich ausschließlich um eine Frage der "wirtschaftlichen Rentabilität", zitierten ihn russische Agenturen. Präsident Wladimir Putin hatte vor wenigen Wochen darauf verwiesen, dass eine Verlängerung des Gastransits vom Verhalten der Ukraine abhänge. In der deutsch-amerikanischen Vereinbarung gebe es Elemente, "denen wir nicht zustimmen können", aber auch solche, die Russland begrüße, sagte Peskow.

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USA wollen auf Sanktionen verzichten. Deutschland soll sich dafür bemühen, negative Folgen für die Ukraine abzumildern.

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Nach dem Willen der EU-Kommission soll die Einigung auch auf europäischer Ebene diskutiert werden. "Die Energiepolitik der EU ist nicht nur eine nationale Angelegenheit - sie erfordert eine Abstimmung mit der EU und zwischen den Mitgliedstaaten", sagte ein Sprecher in Brüssel. Die Kommission beabsichtige, mit den Mitgliedstaaten die Details der Umsetzung dieses Abkommens zu erörtern. Damit solle sichergestellt werden, dass alle Maßnahmen im Geiste der Solidarität gut koordiniert würden. Die EU-Kommission stehe bereit, die Bemühungen um eine Verlängerung des Gastransitabkommens zu unterstützen.

Auf scharfe Kritik stieß der auf US-Initiative zustande gekommene deutsch-amerikanische Kompromiss im EU-Parlament. Es handele sich um einen "Deal zulasten Dritter", sagte Sergey Lagodinsky, der russlandpolitische Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament. "Dritte sind die Ukraine, aber auch die EU, denn die europäische Position zu Nord Stream 2 ist klar und deutlich - das Projekt NS2 verstößt gegen die innereuropäische Solidarität", kritisierte er. Die Fertigstellung der Pipeline sei nun nicht mehr zu verhindern, räumte sein Fraktionskollege Reinhard Bütikofer ein. Bevor die Pipeline in Betrieb genommen werden könne, müsse das Betreiberkonsortium aber "zunächst darlegen, dass es europäisches Energierecht einhält".

Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen, ein langjähriger Gegner von Nord Stream 2, begrüßte die Einigung als "Demonstration des Partnerschaftswillens". US-Präsident Joe Biden habe gezeigt, dass die deutsch-amerikanischen Beziehungen wichtiger seien als Nord Stream 2. Die Gaspipeline halte er aber nach wie vor für falsch, betonte Röttgen. "Sie ist eine politische Waffe in der Hand von Wladimir Putin", sagte er im Deutschlandfunk. In den USA steht Präsident Biden nach der Einigung in der Kritik. Der republikanische Senator Ted Cruz sprach von einer "vollständigen und totalen Kapitulation" Bidens gegenüber dem russischen Präsidenten Wladimir Putin.

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