Dirndl und Lederhose:Die lange Blüte des Almrösls

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Vor 100 Jahren hat ein schwäbischer Kanalarbeiter in Schäftlarn die Liebe zu Traditionsgewändern entfacht. Nächstes Jahr im Mai feiert der örtliche Trachtenverein nun sein Jubiläum - und zwar mit einem großen Fest

Das Zelt ist gebucht, das Bier bestellt, ein Festwirt wird kochen, ein Pfarrer predigen, die Kabarettistin Martina Schwarzmann hat Zeit - selbst die Toilettenhäuschen sind schon reserviert. Dabei ist doch fast noch ein ganzes Jahr hin bis zum großen Fest: Vom 25. Mai 2022 an wird der Schäftlarner Trachtenverein Almrösl für fünf Tage seinen 100. Geburtstag feiern - vorausgesetzt, Corona lässt das auch zu. Aber so ein Jubiläum ist schließlich keine Kleinigkeit. Vereinsvorstand Franz Fischer wirft deshalb auch jetzt schon einmal einen Blick zurück auf die vergangenen 100 Jahre.

Fischer tritt aus seinem Haus und führt in seine Gartenhütte. Auf seinem Kopf ein grüner Samthut, die Füße stecken in stattlichen Stricksocken, die Beine in einer grün bestickten Hirschlederhose. Die Schäftlarner Trachtler haben ihre Sonntagsrobe schon lange nicht mehr gemeinsam angehabt, jetzt aber wird sie wieder häufig zum Einsatz kommen: Nach den Sommerferien werden die Mitglieder seines Vereins ihre Proben beginnen. Denn in einem Trachtenverein trägt man nicht nur Tracht, man tanzt vor allem darin.

Vor 100 Jahren zog eine Reihe von Kanalarbeitern nach Schäftlarn, sie halfen bei den Bauarbeiten am Isarkanal. Unter ihnen auch der "schwäbische Gastarbeiter Willy Noll aus dem Donautal", sagt Fischer und schmunzelt. Noll hatte in seiner Heimat ein Jahr zuvor ebenfalls einen Trachtenverein gegründet. Nun schlug er den Schäftlarnern vor, das ebenfalls zu tun. 30 Männer schlossen sich ihm an.

Viele Trachtenvereine feiern derzeit ihr 100-jähriges Bestehen - sie wurden also fast zeitgleich gegründet. Warum um das Jahr 1920 besonder viele Trachtenvereine gegründet wurden, kann sich Fischer nur mit dem Wunsch nach Zugehörigkeit nach dem Ersten Weltkrieg erklären. "Der Wunsch nach dem Krieg, dass man wieder zusammen tanzt, zusammen lacht, sich zusammen trifft", ergänzt seine Frau Monika, die nun mit ihm am Tisch im Gartenhaus sitzt.

Das Platteln, ein Tanz, bei dem sich Burschen auf Oberschenkel und Fußsohlen schlagen, sei zunächst ein freier "Balztanz" gewesen, mit dem die jungen Männer um Frauen warben, sagt Franz Fischer. Im Laufe der Jahre sei das Platteln zum Gruppentanz mit festen Tanzelementen geworden. Weitere Tänze kamen hinzu. Und die Regeln seien immer strenger geworden, sagt Monika Fischer.

Treten die Trachtenvereine heutzutage bei der Meisterschaft, dem sogenannten Bayerischen Löwen, beim Tanz gegeneinander an, gilt es vieles zu beachten: Die Socken dürfen nicht rutschen, die Hüte müssen sitzen, alle Bewegungen haben synchron und im Takt zu sein. Es werde bewertet, sagt Franz Fischer, "ob du dein Mädchen richtig einfängst" und ob die Körperhaltung stimme.

Vor einigen Jahren sei auch der Umgangston im Schäftlarner Trachtenverein noch sehr streng gewesen. "Es hat schon Jahrzehnte gegeben, da hat es Ärger gegeben, wenn man die Haare nicht geschnitten hat", sagt Fischer. Heutzutage hingegen, sagt seine Frau, wolle man den Mitgliedern vermitteln: "Es ist schön, dass du da bist, auch wenn es nicht total unserem Trachtenkodex entspricht." Der Verein sei bemüht, sagt Franz Fischer, zu zeigen, dass das "angestaubte Image" nicht mehr gelte.

35 Kinder und Jugendliche und 180 Erwachsene sind Mitglied in dem Verein. Und tatsächlich seien es heuer vor allem die Kinder gewesen, die sich gewünscht hätten, nach der langen Corona-Pause nun selbst in den Sommerferien einmal die Woche zu proben statt wie üblich nur alle zwei Wochen. Neben den Tanzproben veranstaltet der Verein Ausflüge wie Baumpflanzaktionen, Stadtbesichtigungen oder Skitouren. 2012 tanzten Abgesandte des Vereins für den Papst in Rom, 2019 waren sie dabei, als in Antdorf mit 1312 Männern der Weltrekord beim größten Schuhplattler-Tanz gebrochen wurde. "Es ist schon ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl", sagt Monika Fischer. "Erhalt der Tradition, Erhalt der schönen Trachten - und die Gemeinschaft", sagt ihr Mann, das seien die Motive des Vereins.

Wer nun motiviert ist, für Tradition und Tracht zu tanzen, hat jetzt noch die Gelegenheit, sich dem Schäftlarner Trachtenverein anzuschließen: Franz Fischer kann sich vorstellen, Neulingen, die Lust haben, langfristig dabei zu bleiben, nach den Ferien einen Volkstanzkurs anzubieten. Auch die Tanzproben müssen rechtzeitig vor dem großen Fest beginnen: "So eine Tracht kaufst du nicht in einer Woche, nicht in zwei. Sondern in zwei, drei Monaten." Denn die Sonntagsgewänder für Erwachsene sind, wenn sie nicht geerbt wurden, maßgeschneidert und oft mehr als 2000 Euro wert.

© SZ vom 24.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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