Bürgermeister:"Warum darf ich nicht entscheiden, wie hoch meine Parkgebühren sind?"

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Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter würde bei Nachhaltigkeit gerne mehr steuern. (Foto: Friedrich Bungert)

Zwei Oberbürgermeister und eine Oberbürgermeisterin haben ein gemeinsames Problem: Sie würden häufig lieber nachhaltiger handeln - aber sie dürfen nicht.

Von Harald Freiberger

Die Hofer Oberbürgermeisterin Eva Döhla hat die Folgen des Klimawandels gerade persönlich miterlebt. Auch ihre Stadt war in der vergangenen Woche vom Hochwasser betroffen. Gewerbebetriebe und Wohnungen wurden überschwemmt, in Tiefgaragen schwammen die Autos. Es entstand ein Sachschaden von zehn Millionen Euro. "Die Aufräumarbeiten werden Wochen und Monate dauern", sagte Döhla, zum Glück seien keine Menschen zu Schaden gekommen.

Über viele Fragen der Nachhaltigkeit entscheidet die große Politik: EU, Bund, Länder. Aber wie kommt das dort an, wo die Menschen leben, in den Städten und Kommunen? Und was können diese selbst tun, um das Leben der Menschen nachhaltiger zu gestalten, beim Verkehr oder beim Wohnen? Darüber diskutierten auf dem SZ-Summit zwei Oberbürgermeister und eine Oberbürgermeisterin: Dieter Reiter (München, 1,5 Millionen Einwohner), Ulf Kämpfer (Kiel, 247 000 Einwohner), der auch Vizepräsident des Deutschen Städtetages ist, und Eva Döhla (Hof, 46 000 Einwohner).

Sie vertreten eine große, eine mittlere und eine kleine Kommune, und es zeigte sich, dass sie ein gemeinsames Problem haben: Sie würden ihr Umfeld gern nachhaltiger gestalten, aber häufig dürfen sie nicht darüber entscheiden.

"Wenn ich etwas zu einem großen politischen Ziel erkläre, muss ich es schon auch mit Mitteln hinterlegen."

Beispiel Verkehr: "Warum darf ich nicht entscheiden, wie hoch meine Parkgebühren sind?", fragte Münchens OB Reiter. Der Bund lade den Kommunen Probleme aller Art auf, doch wenn es um die Finanzen gehe, hätten sie wenig zu melden. Zwei Milliarden Euro stelle die Bundesregierung für die Förderung des öffentlichen Nahverkehrs bereit - ein Tropfen auf den heißen Asphalt, wenn man bedenkt, dass allein München über die nächsten Jahre dafür 42 Milliarden Euro ausgeben muss. "Wenn ich etwas zu einem großen politischen Ziel erkläre, muss ich es schon auch mit Mitteln hinterlegen", sagte Reiter.

Auch vom Land sieht sich der OB nicht gut unterstützt: "Ich bin unglücklich darüber, dass der Freistaat die S-Bahn über Jahrzehnte vernachlässig hat." Ihre Unzuverlässigkeit führe dazu, dass viele Pendler mit dem Auto nach München fahren und die Straßen verstopfen. Es gehe jetzt darum, gemeinsam das anfällige Stellwerk am Ostbahnhof zu erneuern, "und zwar nicht erst 2030, sondern bald".

Kiel leidet heute unter einem Fehler, den die Stadtpolitiker vor 40 Jahren machten: Sie schufen die Straßenbahn ab, weil sie meinten, dass man sie nicht mehr brauche. "Es ist unglaublich schwer, diesen Fehler wieder gutzumachen", sagte OB Kämpfer. Die Nutzung des öffentlichen Nachverkehrs liege in Kiel "bei grottenschlechten zehn Prozent". Nun sei eine neue Stadtbahn geplant, für die man 90 Prozent Förderung durch Bund und Land brauche. Planung und Bau zögen sich hin, vor 2030 werde man sicher nicht fertig. Und dann hänge alles auch noch am Willen der Bürger: Die Wiesbadener und die Aachener zum Beispiel sprachen sich in einem Volksentscheid gegen eine Stadtbahn aus.

Kämpfer beklagte, dass übergeordnete Behörden bei ihm "schon den ein oder anderen Fahrradweg wieder rückgängig gemacht haben". Man müsse den Kommunen mehr zutrauen und dürfe sie nicht gängeln. Ein Thema, das sie derzeit auch beschäftigt, sind Geschwindigkeitsbeschränkungen. Acht Städte in Deutschland wollen Tempo 30 flächendeckend einführen. Reiter findet das übertrieben: "In München gilt Tempo 30 schon in 90 Prozent der Straßen, man muss das nicht aus ideologischen Gründen überall machen."

Beispiel Wohnen: "Die größte Herausforderung für uns ist, dass sich Pflegerinnen oder Polizisten, die das öffentliche Leben aufrechterhalten, in den Städten wohnen bleiben können", sagte Kämpfer. In boomenden Kommunen habe es "teilweise perverse Steigerungen" gegeben. Kämpfer, der auch den Deutschen Städtetag vertritt, kündigte drastische Schritte an: "Wir werden noch Regelungen umsetzen, die man sich früher gar nicht vorstellen konnte." Eine Möglichkeit sei die Begrenzung von Mieterhöhungen auf das Inflationsniveau. Auch die Renditen der Investoren im Wohnungsbau findet Kämpfer zu hoch: "Wir könnten davon zumindest etwas abschöpfen und es in den sozialen Wohnungsbau investieren."

Für Münchens OB Reiter sind die Grundpreise "die Wurzel des Problems". Er setzt sich dafür ein, einen Vorschlag umzusetzen, der noch vom verstorbenen Alt-OB Hans-Jochen Vogel stammt: den leistungslosen Zugewinn aus Grundbesitz zu begrenzen und der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. In München stiegen die Bodenpreise binnen 55 Jahren um 39 000 Prozent. Umsetzen kann das aber auch wieder nur der Bund.

In einem Punkt gab es dann doch einen Unterschied zwischen den drei Oberbürgermeistern. "Bei uns ist das Bauland noch erschwinglich, die Busse sind leer und Parkplätze vorhanden", sagte Eva Döhla. Deshalb könne eine Stadt wie Hof von der Entwicklung der vergangenen Jahre profitieren, die Ballungszentren teurer und unattraktiver machte. Döhla glaubt, dass auch die Corona-Pandemie und der Trend zum Home-Office dazu beitragen. Sie kenne eine junge Familie, die gerade zugezogen ist, "der Vater ist in Frankfurt in der Finanzbranche tätig, und der kann toll von Hof aus arbeiten".

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