Puchheim:Grenzenlos feiern

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Das Fest der Kulturen bietet nicht nur eine Bühne für folkloristische Lieder und Tänze. Die vielen in Puchheim vertretenen Nationalitäten haben auch Gelegenheit, zwanglos ins Gespräch zu kommen. Nicht nur deshalb fühlen sich eine Mexikanerin und ein Ägypter sehr wohl in der Stadt

Von Stefan Salger, Puchheim

Puchheim ist wie Babylon. Nur viel besser. Denn die Menschen aus etwa 120 Nationen haben nicht nur ihre Sprachen hierher mitgebracht, sondern auch ihre jeweilige Kultur. Alle bekommen beim Fest der Kulturen am Sonntag eine große Bühne. Im Blickpunkt stehen Musik, Tracht sowie Speisen aus allen möglichen Herkunftsländern. Unter den Künstlern ist Teresa Beilmaier, die aus Mexiko stammt, und unter den Zuschauern der gebürtige Ägypter Ahmed El Mohamady. Zwei Gesprächspartner, die rundrum zufrieden sind mit ihrer Wahlheimat.

Coronabedingt dürfen maximal 300 Gäste auf den Grünen Markt, deshalb wird an den Zugängen genau mitgezählt. Man werde wohl bald einige Besucher vertrösten müssen, sagt Norbert Seidl, der sich über den großen Andrang freut, am frühen Nachmittag. Der Bürgermeister steht neben Mitorganisator Ludger Wahlers vom Brucker Forum - zwischen Bühne und den Tischen, an denen Kinder kleine Holzhäuschen "ihrer Stadt" bemalen - mitten im Getümmel. Während die Bläserklasse der Musikschule in der Schule-Süd mit dem verdienten Applaus verabschiedet wird, fasst Seidl die Idee hinter diesem Fest in Worte: "Wir haben hier viele Kulturen und Lebensentwürfe. Und wir freuen uns einfach, wenn wir auch mal gemeinsam feiern können, von Angesicht zu Angesicht und auf Augenhöhe." Rein mit dem Leben in die Stadt! Und mit der Kultur gleich dazu! Zudem sei es sehr wichtig, "nicht übereinander, sondern miteinander zu reden".

Teresa Bielmaier führt gemeinsam mit Freunden mexikanische Tänze vor. (Foto: Günther Reger)

Dabei ist Puchheim in einer vergleichsweise komfortablen Lage. Klar, es gibt die Hochhäuser in der Planie mit ihrem recht hohen Anteil von Menschen mit Migrationsgeschichte. Aber klassische Hotspots gebe es nicht, sagt Seidl. Natürlich weiß auch er, dass "viele, die noch nicht so lange da sind, zu kämpfen haben". Das fängt schon bei der Suche nach einer Wohnung an. Auch deshalb ist es so wichtig, auf Veranstaltungen wie dem Fest der Kulturen Kontakte zu knüpfen. Und wie ginge das besser als unterm weiß-blau-geringelten Maibaum, bei Musik und Tanz und frisch gekochten Speisen aus Ländern wie Togo, Irak und der Türkei?

Vor dem Vergnügen kommt für Teresa Beilmaier die "Arbeit" - direkt im Anschluss an den sehenswerten Auftritt des jungen Geigenensembles "Die Streichhölzer" der Musikschule Puchheim. Aber diese "Arbeit" ist ja für sie ebenfalls ein Vergnügen - Lampenfieber hin oder her. Die 52-Jährige führt in prächtiger Landestracht Tänze aus ihrem Heimatland Mexiko vor. Das mittelamerikanische Land hat 32 Bundesländer, und die sind mindestens genauso verschieden und individuell wie Bayern und Schleswig Holstein.

Präsentation von Trachten aus dem Kurdengebiet im Irak (Zweite von links: Quartiersmanagerin Aveen Khorschied). (Foto: Günther Reger)

Teresa Beilmaier ist noch etwas außer Atem, als sie unter großem Applaus von der Bühne steigt und ein wenig über sich und das Leben in Puchheim erzählen soll. Vor 13 Jahren hat es sie hierher verschlagen - der Liebe wegen. Und ja, natürlich hat sie manchmal Heimweh und vermisst die große Familie, die sie in Mexiko zurücklassen musste. Aber gemeinsam mit ihrem Mann Hermann, der 18 Jahre alten Tochter Linda Denise und dem 15 Jahre alten Sohn Sven Miguel, der sie bei den Auftritten begleitet hat, fühlt sie sich sehr wohl in der Kleinstadt im Osten des Landkreises Fürstenfeldbruck. Sehr sicher hier, gute Schulen, nette Menschen.

Irgendwelche Probleme? Irgendwelche Wünsche, die man gleich persönlich beim Bürgermeister vorbringen könnte? Teresa Beilmaier denkt nur ganz kurz nach: Nein, alles bestens, überhaupt keine Grund zur Klage! Und das, obwohl es in Puchheim (noch) sehr wenige Landsleute gibt - lediglich eine weitere Frau aus Mexiko lebt in einem anderen Ortsteil. Umso wichtiger ist es, die eigene Kultur zu bewahren, dann eben als Mitglied der Gruppe "Mexikanisch-deutscher Kreis", gemeinsam mit Landsleuten, die anderswo in der Münchner Region leben. In Coronazeiten war das nicht immer einfach. "Wir konnten nur fünf Mal gemeinsam proben". Dafür klappte alles tadellos.

An einem Stand gibt es frittierte Puf-Puf-Teigbällchen. (Foto: Günther Reger)

So sieht das auch Ahmed El Mohamady, der gemeinsam mit zwei ehemaligen Klientinnen an einem der Tische sitzt. Auch ihn hat einst die Liebe nach Puchheim geführt - das war 2001. Der gebürtige Ägypter spricht fließend und akzentfrei Deutsch. Wohl auch deshalb, weil er selbst das befolgt hat, was er anderen Menschen empfiehlt: "Wer aus anderen Ländern nach Deutschland kommt, der muss sich auch aktiv um die Integration kümmern." Das heißt: Kontakt zu Einheimischen suchen und arbeiten. El Mohamady ist Integrationscoach und -begleiter und gehört zudem der Lenkungsgruppe für die Planie an. Das "kunterbunte Leben" ist für ihn quasi Alltagsgeschäft. Er wünscht sich, dass "alle verschiedenen Kulturen einen Schritt aufeinander zu machen", um Parallelgesellschaften und Ghettos zu vermeiden, wie es sie vor allem in Großstädten gibt. Dabei sei die Sprache der Schlüssel zur Inklusion. El Mohamady fühlt sich in Puchheim längst zu Hause und ist "wirklich sehr zufrieden hier". Zufrieden ist er auch mit den Fortschritten seiner Banknachbarin, der zweifachen Mutter Asma Abdul Jabar. Sie kam 2011 aus dem Irak und hat mit Hilfe des Coaches eine Festanstellung als Verkäuferin gefunden. Sie habe "den nötigen Willen" und sei damit auf dem besten Weg, sagt El Mohamady.

© SZ vom 27.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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