Kritik:Psychotisches Gurren

Macbeth Staatsoper

Vom Machtrausch in den Wahnsinn: Liudmyla Monastyrska als Lady Macbeth.

(Foto: Wilfried Hösl)

Liudmyla Monastyrska beeindruckt als Lady Macbeth bei den Opernfestspielen.

Von Rita Argauer, München

Als Liudmyla Monastyrska sich zur Ouvertüre von Verdis "Macbeth" an der Staatsoper erstmals aus ihrem Zelt schält, erschrickt man. So schwer verstört wirkt die Frau. Dann in der Rückschau, die diese Oper in Martin Kušejs Inszenierung auch ist, versteht man, dass diese Frau einfach nur wirklich sehr gut ist. Sowohl gesangstechnisch als auch schauspielerisch. Sie spielt die Gebrochene, noch ohne Worte, ohne Gesang, nutzt sie die Orchestereröffnung um den großen Sturz ihrer Figur vorzubereiten, um diese Partie mit voller Gewalt wirken zu lassen.

Für Sängerinnen ist die Lady Macbeth eine besondere Rolle. Sie ist die einzige wirklich präsente Frauenrolle in diesem Werk. Und sie ist - seltenst für das 19. Jahrhundert - diejenige, die die Fäden zieht. Mal abgesehen von den Hexen als Schicksalsbild - gesungen von einem vielstimmig durchscheinend und verführerisch reinen Chor zum hervorragend plastisch musizierenden Staatsorchester unter Pinchas Steinberg.

Aber zurück zu Monastyrska. Sie bestimmt die ersten beiden Akte. Vom grausamen Kalkül zum Machtrausch, den Monastyrska ins Psychotische kippen lässt. Ihre Stimme ist wahnsinnig vielsagend. Sie verfügt über ein beinahe gurrendes Vibrato in den Höhen, wenn sie bezirzt, ohne je schrill oder hart zu werden. Sie lässt die Koloraturen überschnappen wie ein Wahnsinn, der sich ankündigt. Sie sirrt und summt die Chorlinien mit, während des Festes im zweiten Akt, und ist da psychisch eigentlich schon am Ende.

Simon Keenlyside als Macbeth geht dazu den umgekehrten Weg. Die ersten beiden Akte ist er fahl - stimmlich und im Gesicht. Lässt der Kraft der Frau allen Raum, den sie braucht, um derart zu beeindrucken. Später dann, im Duett mit einem derzeit in Höchstform agierenden Pavol Breslik als Macduff, gibt er dem Macbeth mehr Profil. Aber so lange die Frau an seiner Seite ist, ist sie das Zentrum, politisch und strategisch. Da waren Shakespeare und in seiner Folge Verdi schon weiter als Ivanka Trump. Kušejs Inszenierung von 2008 aber, die sich immer wieder explizit künstlicher Elemente des Splatter- und Horrorfilms bedient, wirkt angesichts aktueller Entwicklungen und zeitgenössischer Despoten fast ein wenig naiv.

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