Der Bedarf steigt:Sorge um das soziale Netz

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Bündnis will mit "Münchner Manifest" Einsparungen verhindern

Von Sven Loerzer

Wenn das Bündnis "München Sozial", das Sozialpolitische Forum und der Sozialpolitische Diskurs gemeinsam eine Pressekonferenz einberufen, dann ist das ein Alarmruf der gesamten sozialen Szene der Stadt: "Es brennt", sagt denn auch Karin Majewski für das Bündnis, in dem mehr als 70 soziale Organisationen zusammengeschlossen sind. "Wir machen uns Sorgen um ein stabiles soziales Netz." Denn die Bedarfe stiegen enorm, doch die Kassen werden immer knapper, wie sich an den Eckdaten für den nächsten städtischen Haushalt zeige. Mit einem "Münchner Manifest für ein sicheres soziales Netz" verleihen die drei Organisationen ihrer Forderung Nachdruck: "Kein Sparen im Sozialen!" Um die Folgen der Corona-Pandemie zu bewältigen, sei stattdessen der bedarfsgerechte Ausbau der sozialen Infrastruktur nötig. Gleichzeitig fordern die drei Organisationen die Finanzminister von Bund und Freistaat auf, einen Ausgleich für den Gewerbesteuerrückgang zu schaffen. "Wenn kein Geld in der städtischen Kasse ist, ist alles in Gefahr", sagt Karin Majewski.

Gerade aber für Kinder und Jugendliche müsse das Angebot nicht nur erhalten, sondern dringend ausgebaut werden, fordert Anna Laux vom Sozialpolitischen Diskurs. "Sie sind die absoluten Verlierer der Pandemie", viele seien von wesentlichen Bildungsinhalten ausgeschlossen geblieben. Häusliche und sexuelle Gewalt hätten zugenommen, der Missbrauch an Dynamik gewonnen. Bei der Erziehungsberatung sei die Nachfrage um 20 Prozent gestiegen. Für die "Generation Corona" sei der Ausbau des Unterstützungsangebots dringend notwendig. Rund 40 Prozent der Haushalte hatten wegen Corona starke Einkommenseinbußen. "Viele Menschen kämpfen um ihre Existenz", bekräftigt Norbert Huber vom Sozialpolitischen Diskurs. So sei die Wohnung gefährdet, wenn die Miete nicht bezahlt werden kann. Bei den Schuldnerberatungen hätten sich die telefonischen Anfragen verdreifacht, die Nachfrage nach Langzeitberatung zur Entschuldung verdoppelt. "Die Schuldnerberatung müsste um 40 bis 60 Prozent ausgebaut werden", schätzt Huber. Er begrüße, dass SPD/Volt und Grüne/Rosa Liste 350 000 Euro dafür bereitstellen wollen.

"Wir wissen es zu schätzen, dass der Stadtrat den Schwerpunkt größtenteils weiter im Sozialen sieht", sagt Andrea Betz für das Sozialpolitische Forum, "und dafür zusätzlich 7,5 Millionen Euro geben will". Betz betont, "das Wohl der Menschen muss immer an erster Stelle stehen". Angesichts dessen, dass die Not auch in München immer größer und sichtbarer werde, müsse aber die kommunale Kasse unbedingt aufgefüllt werden, appelliert Betz an Bund und Freistaat. "Wir müssten eigentlich unsere soziale Arbeit erweitern, damit die Verlierer der Pandemie nicht abgehängt bleiben." Sowohl freie als auch öffentliche Träger der Wohlfahrt bräuchten dazu eine angemessene Ausstattung. Deshalb dürfe es keine Einsparungen im Personalhaushalt der sozialen Arbeit geben - weder bei den Freien noch bei der Stadt, sagt Betz mit Blick auf das Sozialreferat, das gerade mit einem Einstellungsstopp zu kämpfen hat. Einsparungen im Sozialreferat würden eine gute Versorgung von Kindern und Jugendlichen gefährden.

Da es wohl vor der Bundestagswahl vom Bund keinen Ausgleich für die Gewerbesteuerausfälle mehr geben werde, fordert Huber vom Freistaat, die Schuldenbremse für den städtischen Haushalt zu lockern, damit sich die soziale Situation in München nicht verschärft.

© SZ vom 29.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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