Bienen-Volksbegehren:Eine Million Bäume für Bayerns Bienen

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Die Staatsregierung will die Wiederanpflanzung von Streuobstwiesen fördern. (Foto: Renate Schmidt)

Nach einem langen Streit mit den Obstbauern setzt die Staatsregierung nun eine der Kernforderungen des Bienen-Volksbegehren durch: die Wiederanpflanzung von Streuobstwiesen.

Von Christian Sebald, München

Das ist eine Ansage: Die Staatsregierung will die Streuobstwiesen in Bayern umfassend schützen. Außerdem will sie bis 2035 eine Million neue Streuobstbäume pflanzen. Das entspricht einem Sechstel des aktuellen Bestands. Die Fläche der Streuobstwiesen in Bayern würde sich um 12 000 Hektar vergrößern. Damit wäre nicht nur der permanente Schwund gestoppt, sondern in sein Gegenteil verkehrt. Seit den Sechzigerjahren sind mehr als zwei Drittel der Streuobstwiesen verschwunden. Nun soll es erstmals wieder mehr geben. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und die Umwelt- und Naturschutzverbände wollen dazu nach der Sommerpause einen Streuobstpakt schließen. Wenn alles klappt wie geplant, hätte Söder den wohl schwierigsten Streit nach dem "Volksbegehren Artenvielfalt - Rettet die Bienen" aus der Welt geschafft.

Die Naturschutzverbände sind begeistert. "Das ist ein großartiges Versprechen", sagt der Chef des Landesbunds für Vogelschutz (LBV), Norbert Schäffer. "Mit dem Programm können wir die verbliebenen Streuobstwiesen erhalten und beträchtlich ausweiten." Claus Obermeier von der Gregor-Louisoder-Umweltstiftung lobt den Pakt ebenfalls: "Streuobstwiesen sind ein Kulturschatz." "Sie sind Lebensraum für mehr als 5000 Tier- und Pflanzenarten. Und wegen ihrer Nähe zu Ortschaften und Dörfern haben sie einen besonderen Wert für die Gesellschaft." Sogar der Chef der Landtags-Grünen, Ludwig Hartmann, äußert sich anerkennend. "Wir begrüßen das Ziel des Paktes", sagt er. "Mit der bloßen Ankündigung ist es allerdings nicht getan, wir brauchen dafür Geld und Fachpersonal." Die ÖDP-Politikerin und Initiatorin des Bienen-Volksbegehrens, Agnes Becker, fordert, dass der Freistaat außerdem ausreichend Flächen für die Ausweitung der Streuobstwiesen zur Verfügung stellt.

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Ein besserer Schutz der Streuobstwiesen zählte zu den Kernforderungen des Bienen-Volksbegehrens vor zweieinhalb Jahren. Streuobstwiesen sind eine alte Form des Obstanbaus. Die teils sehr hochstämmigen Apfel-, Birn-, Zwetschgen- oder Kirschbäume stehen dabei in meist lockerer Folge auf Wiesen oder Weiden. Die Früchte werden zu Obstsäften oder feinen Schnäpsen verarbeitet. Streuobstwiesen waren einst weit verbreitet. Inzwischen trifft man sie hauptsächlich noch in Franken an, bei Forchheim etwa. Aus Sicht des Naturschutzes sind sie wertvolle Lebensräume für seltene Vogelarten, den Gartenrotschwanz etwa oder den Wiedehopf. Das Bienen-Volksbegehren forderte, Streuobstwiesen ab einer Größe von 2500 Quadratmetern als gesetzliche geschützte Biotope einzustufen.

Die Obstbauern wehrten sich dagegen massiv. Sie befürchteten, dass sie ihre Obstwiesen nicht mehr bewirtschaften und schon gar keine alten und kranken Obstbäume mehr fällen dürften. Zwar widersprachen die Naturschutzverbände und die Staatsregierung, aber die Proteste rissen nicht ab. In Franken legten manche Obstbauern sogar reihenweise Streuobstbäume um, weil sie das Volksbegehren nicht akzeptieren wollten. Söder und Umweltminister Thorsten Glauber wiederum wollten die Bauern unbedingt besänftigen. Also weichten sie den Schutz der Streuobstwiesen auf. Damit ein Bestand als gesetzlich geschütztes Biotop eingestuft wird, muss der Kronenansatz von drei Viertel der Obstbäume in wenigstens 1,8 Meter Höhe sein, heißt es in der einschlägigen Verordnung. Der Wert überschreitet alle bisherigen Marken etwa in Förderprogrammen. Die Folge: Streuobstwiesen sind keinen Deut besser geschützt als vor dem Volksbegehren.

Das akzeptierten die Naturschutzverbände nicht. Sie fühlten sich ausgetrickst. LBV-Chef Norbert Schäffer sprach sogar von einem Skandal und reichte Klage ein. Dann freilich schaltetet sich der CSU-Politiker Alois Glück ein. Glück hatte nach dem erfolgreichen Volksbegehren den runden Tisch zwischen Umweltschützern, Bauernverbänden und anderen Organisationen zu dessen Umsetzung moderiert und soll ebenfalls wenig amüsiert gewesen sein über das Agieren der Staatsregierung. Der Streuobstpakt soll ganz wesentlich auf sein Drängen zustande gekommen sein. Allzu groß dürfte Söders Widerstand aber nicht gewesen sein. Die Klage des LBV hatte durchaus Erfolgschancen. Eine Niederlage vor Gericht wäre aber eine Blamage für die Staatsregierung. Die Sorge ist Söder nun los. Nach Bekanntwerden des neuen Streuobstpakts erklärte Schäffer postwendend, man lasse die Klage ruhen.

© SZ vom 04.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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