Windkraftanlagen:Ausgerechnet das Zukunftsgeschäft wird für Siemens Energy zum Problem

Windkraftanlagen: Windturbine von Siemens Gamesa in New Mexiko.

Windturbine von Siemens Gamesa in New Mexiko.

(Foto: Maz Kobza/Mauritius Images)

Der Windkraftanlagen-Bereich reißt das Unternehmen tief in die roten Zahlen. Nun läuft ein Ultimatum.

Von Thomas Fromm

Man kann die anderen auch brüskieren, indem man die einen erst mal in den höchsten Tönen lobt. So hat das Christian Bruch, Chef des Energieausrüsters Siemens Energy, am Mittwochmorgen gemacht. Die traditionelle Kraftwerkssparte sei "voll auf Kurs", sagte er. Und: "Das Team macht eine tolle Arbeit und liefert tolle Ergebnisse." So viel zum Loben des Chefs.

Das ist die eine Seite. Die andere, das ist der Windkraftanlagenbauer Siemens Gamesa, der Siemens Energy zu zwei Dritteln gehört. Nachhaltig, grün, das ideale Zukunftsgeschäft für die Energiewende der kommenden Jahre, eigentlich ein Aushängeschild für Siemens Energy. Der Beweis dafür, dass man nicht nur Gasturbinen und Kohlekraftwerke kann, sondern auch die Zukunft im Griff hat. Eigentlich müsste es hier brummen.

Stattdessen kam Mitte Juli die zweite Gewinnwarnung nach kurzer Zeit, die Gamesa-Aktie verlor an einem Tag an die 15 Prozent, Milliarden an Börsenkapital wurden verbrannt. Oder, nun ja, vom Winde verweht. Das Drama schießt inzwischen hoch bis zur Mutter in Deutschland, im abgelaufenen dritten Geschäftsquartal von April bis Juni machte der Gesamtkonzern 307 Millionen Euro Verlust und erwartet nun auch für das Gesamtjahr rote Zahlen.

Tolle Ergebnisse? Tolle Arbeit? Tolles Team?

"Das ist extrem ärgerlich", sagt Siemens-Energy-Chef Bruch. Und macht klar: "Ich bin auch nicht zufrieden mit der Transparenz und Vorhersehbarkeit der Projektergebnisse." Seit die Siemens-Windkraftsparte mit dem spanischen Unternehmen Gamesa vor gut vier Jahren zusammengegangen ist und das gesamte Konstrukt aus Spanien arbeitet gibt es offenbar Ärger ohne Ende. Man habe das lokale Management in den vergangenen zwölf Monaten "runderneuert", sagt Bruch. "Die gehen die Probleme an. Aber mir ist das ehrlicherweise nicht schnell und konsequent genug." Es ist eine Telefonkonferenz an diesem frühen Mittwochmorgen, und das heißt: Das Einzige, was man sieht, sind ein paar zugeschaltete Charts im Netz. Gerne hätte man mehr gesehen. Zum Beispiel das Gesicht von Bruch, wenn er eine Stunde lang wiederholt, was ihm bei der Spanien-Tochter fehlt: Transparenz.

Erklärt wird die Misere mit hohen Rohstoffpreisen und Projekten mit Windkraftanlagen an Land, im sogenannten Onshore-Bereich. Im Moment läuft es beim Hochlauf der neuen Windkraftanlagen-Generation 5.X nicht rund. Probleme, die alle zusammen wohl so gravierend sind, dass sie das eigentlich gut laufende Geschäft mit konventioneller Energieerzeugung mit in die roten Zahlen ziehen. Dafür läuft es allerdings gut bei den Offshore-Windrädern - jenen Anlagen also, die auf hoher See stehen und bei denen der Konzern Weltmarktführer ist. Als Siemens und Gamesa ihre Windkraftgeschäfte zusammenlegten, kamen die Offshore-Windräder vor allem von deutscher Seite mit in die Beziehung.

Aber es gibt auch noch andere Probleme. Zum Beispiel, dass Siemens Gamesa mit seinen erneuerbaren Energien nicht nur eine Siemens-Energy-Tochter ist, sondern eben auch ein eigenständiges, börsennotiertes Unternehmen. Dies wiederum bedeutet: Der Siemens-Energy-Chef kann sich zwar ärgern. Aber seine Möglichkeiten sind begrenzt, über den Aufsichtsrat gibt es nur beschränkten Einfluss. Die Spanier seien "stolze Basken", heißt es in Industriekreisen, und Gamesa weit weg. Da sei es gar nicht so einfach, reinzugrätschen und seine Strategie durchzudrücken. Außerdem will man sich zusätzliche deutsch-spanische Kulturkämpfe gerne ersparen. Den Laden komplett von der Börse wegzukaufen und einzugemeinden, wäre eine Option. Wenn einem alles gehört, stellt sich die Frage von Nähe und Distanz nicht mehr. Dies aber würde Milliarden kosten und es ist auch nicht so einfach, wie es klingt.

Börsengang Siemens Energy

Siemens-Energy-Chef Christian Bruch beim Börsengang im September 2020. Inzwischen ist der Konzern in den Dax aufgestiegen.

(Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Die Kette von Deutschland nach Spanien ist lang. Es begann damit, dass der Siemens-Konzern im vergangenen September seine Energiesparte als Siemens Energy an die Börse brachte. Mit dabei: der deutsch-spanische Windkraftanlagenbauer Siemens Gamesa. Spätestens seit der Konzern mit seinen 91 000 Mitarbeitern weltweit, 26 000 davon in Deutschland, im vergangenen März in den Dax aufgestiegen ist, schauen Investoren ganz genau hin. Eigentlich hatte Siemens Energy eine operative Umsatzrendite von drei bis fünf Prozent im Plan gehabt. Jetzt rechnet Bruch nur noch mit "zwei bis unter drei Prozent".

Wie soll man umgehen mit der wichtigen Beteiligung in Spanien, die einen so in die roten Zahlen zieht? Seit vergangenem Jahr steht bei Siemens Gamesa Andreas Nauen an der Spitze. Zwei Gewinnwarnungen fallen inzwischen in seine Amtszeit, und ein inoffizielles Gesetz der Branche lautet: drei davon, und es ist vorbei.

Der Druck steigt, aber so weit ist es wohl doch noch nicht. Noch darf Nauen seinen Job behalten. Was aber mehr damit zu tun haben dürfte, dass Energy-Chef Bruch keine Lust hat, nach nur wenigen Monaten wieder große Personalien anzustoßen. Schnelle Management-Wechsel seien nicht immer die Lösung, sagt er. Stattdessen wolle er die Probleme nun mit dem Management "nacharbeiten". Aus Industriekreisen hieß es neulich, es werde "langsam eng für Nauen". Eine weitere Gewinnwarnung könne er sich "nicht leisten". Nauen, der Mann an der Spitze von Siemens Gamesa, hat noch einige Monate Zeit, und so wie es aussieht, dürfte dies dann die letzte Chance sein.

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