Entscheidung für die Gentechnik:Perspektivwechsel

Eine frühere EU-Kontrolleurin arbeitet nun für einen Gentechnik-Konzern. Das nährt Zweifel an der Unabhängigkeit der EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit.

Katrin Blawat

Eigentlich sieht so ein perfekter Jobwechsel aus. Der alte Arbeitsvertrag läuft aus, die nächste Anstellung beginnt sechs Wochen später. So war es bei Suzy Renckens - doch für den schnellen Wechsel ihres Arbeitsplatzes muss sich die Biotechnologin nun rechtfertigen.

Genmais, ddp

Umweltschützer misstrauen dem Genmais. Studien erbrachten unterschiedliche Ergebnisse - aber die Efsa sieht keine Gefahr.

(Foto: Foto: ddp)

Bis Ende März 2008 leitete Renckens die Gentechnik-Abteilung der Efsa, jener Behörde, die in der EU für die Überwachung der Lebensmittelsicherheit zuständig ist. Unter anderem war Renckens dort für die Beurteilung gentechnisch veränderter Pflanzen zuständig.

Seit Mitte Mai 2008 beschäftigt sie sich mit dem gleichen Thema - nun allerdings unter einem anderen Blickwinkel. Seit eineinhalb Jahren leitet die Belgierin im Konzern Syngenta die Abteilung "Biotech Regulatory Affairs" für die Regionen Europa, Afrika und den Nahen Osten.

Das Schweizer Unternehmen Syngenta ist eines der weltweit größten im Geschäft mit gentechnisch verändertem Saatgut. "Ich werde nun eine von denen sein, die nachfragen, wie es mit bestimmten Akten vorangeht", mailt Renckens vier Tage nach Aufnahme ihrer neuen Arbeit an die ehemaligen Kollegen.

Dass eine Efsa-Mitarbeiterin innerhalb von sechs Wochen die Seiten wechselt, macht Gentechnik-Gegner misstrauisch. "Bei dieser Nähe zur Industrie stellt sich die Frage, wie unabhängig die Efsa in ihren Entscheidungen bei der Zulassung gentechnisch veränderter Organismen agiert", sagt Christoph Then.

Neutralität in Gefahr?

Er ist Geschäftsführer des Vereins Testbiotech, der sich als "Institut für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie" bezeichnet. Durch die Nachfragen von Testbiotech war der Fall Renckens vor drei Monaten öffentlich geworden, vor wenigen Tagen äußerte sich die Efsa nun erstmals zu den Vorwürfen.

"Von unserer Seite gab es keine Bedenken", schreibt der Verwaltungsdirektor der Behörde, Olivier Ramsayer. Then findet diese Haltung unverantwortlich. "Der Leitung der Efsa scheint ein ausreichendes Problembewusstsein zu fehlen", sagt er.

Laut EU-Regelungen müssen leitende Mitarbeiter eine Genehmigung einholen, wenn sie eine neue Arbeitsstelle antreten, die Auflage gilt für zwei Jahre. Renckens habe jedoch beim Verlassen der Efsa nichts von einer neuen Arbeitsstelle gesagt, entnimmt Verwaltungschef Ramsayer den Akten.

In den eineinhalb Jahren, die zwischen dem Jobwechsel und den Nachfragen von Testbiotech lagen, trat Renckens mehrmals öffentlich als Syngenta-Repräsentantin vor Efsa-Mitgliedern auf. Die Behörde sei also über ihre neue Arbeit informiert worden, lässt Renckens über eine Sprecherin mitteilen.

Efsa-Sprecher Steve Pagani sieht die Neutralität der Lebensmittelbehörde durch den Fall Renckens nicht in Gefahr. "Innerhalb der Efsa gibt es Mechanismen, die die Unabhängigkeit unserer wissenschaftlichen Arbeit sichern", sagt er. Dazu gehörten jährliche Angaben zu möglichen Interessenkonflikten, die genau geprüft würden.

Dennoch steht die Efsa schon länger im Verdacht, in einigen Fällen im Sinne der Industrie zu entscheiden. Beispiele dafür sehen Kritiker im Urteil der Efsa, der gentechnisch veränderte Mais Mon810 und zwei weitere Sorten seien gesundheitlich unbedenklich. Zuvor waren Studien zu widersprüchlichen Ergebnissen gekommen.

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