Kunst:"Ich möchte, dass die Menschen Angst bekommen"

Die Künstlerin Rossy Riszterer, 2021

Die Künstlerin Rossy Riszterer sitzt vor 1120 Tetra-Paks. Aus ihnen hat sie ein Wandbild gestaltet, mit dem sie gegen die Umweltzerstörung protestiert. Vom 16. September an stellt sie das Werk in ihrem Atelier aus.

(Foto: Robert Haas)

Rossy Riszterer sammelt leere Tetra-Paks, um auf die Umweltzerstörung aufmerksam zu machen. 1120 solcher Verpackungen hat die Künstlerin für ihr aktuelles Wandbild verwendet. Der soeben veröffentlichte Report des Weltklimarats beflügelt die Münchner Künstlerin in ihrem Protest

Von Clara Löffler, München

Rossy Riszterer arbeitet als Grafikdesignerin, bietet Kreativkurse an und ist Künstlerin. Bereits 2017 protestierte sie mit einem Wandbild aus 1120 Tetra-Paks gegen die Umweltzerstörung und rief zum Umdenken auf. Doch die Zeit des Mahnens sei vorbei, sagt sie. Ihr neues Kunstprojekt "Risked Future Sunrise" soll nun die Dramatik der Folgen aufzeigen.

SZ: Der Titel Ihres ersten Wandbilds lautete "Future Sunrise". Jetzt präsentieren Sie erneut eine Arbeit aus 1120 Tetra-Paks, den Titel haben Sie zu "Risked Future Sunrise" ergänzt. Inwieweit unterscheiden sich die Konzepte hinter den zwei Arbeiten?

Rossy Riszterer: Vor vier Jahren habe ich ein Wandbild gebaut mit Weitblick in die Zukunft. Um aufzurütteln, dass wir unbedingt umdenken müssen, damit in Zukunft für uns am Horizont die Sonne aufgeht, und wir weiterhin einen intakten Lebensraum haben. Das geht eben nur, indem wir Müll vermeiden, unser Klima schützen, unsere Umwelt respektieren. Vor vier Jahren war für mich fünf vor zwölf. Da dachte ich noch, wenn wir es jetzt wirklich anpacken, dann haben wir noch eine Chance, das Ruder herumzureißen.

Und jetzt?

Jetzt sind vier Jahre vergangen und es ist nichts passiert. Jetzt ist für mich schon weit nach zwölf. Das versuche ich in meinem Bild darzustellen, dass sich dramatisch etwas verändert hat. Man kann darauf erkennen, dass die Sonne nicht mehr genauso aufgeht für uns. Ich finde das eine schreckliche Vorstellung, dass es irgendwann einmal ganz dunkel sein wird, symbolisch dafür, dass unsere Natur nicht mehr funktioniert, wir keinen Lebensraum mehr haben, wir nichts zu essen haben. Darauf steuern wir zu. Ich möchte, dass die Menschen Angst bekommen.

Sie arbeiten mit Tetra-Paks. Woher stammen die Verpackungen, die Sie in Ihrer Arbeit verwenden?

Ich habe ganz viele Menschen, die mir helfen. Für mich hat ein Kloster gesammelt, eine Gaststätte, ein Kindergarten, Freunde im Umfeld. Es hat neun Monate gedauert, bis die Tetra-Paks zusammengekommen sind. Ich habe sozusagen Müll eingesammelt. Die Tetra-Paks stellen diese Menge an Müll dar, die uns erschlägt.

Umweltverbände sehen Tetra-Paks sehr kritisch.

Bis vor Kurzem war da der Grüne Punkt hinten drauf und es hieß, die seien recycelbar. Nur ein ganz kleiner Bruchteil wird recycelt und der Rest irgendwo versteckt.

Nicht nur in dieser Arbeit beschäftigen Sie sich in Ihrer Kunst mit Umweltschutz. Worin liegt Ihre persönliche Motivation?

Ich habe Respekt vor Tieren, ich habe Respekt vor der Natur. Und mir tut jeder einzelne Baum leid, der gefällt wird. Das tut mir alles im Herzen weh, und ich fühle mich immer ziemlich ohnmächtig als Privatperson. Dort, wo ich wohne, setze ich mich im Kleinen für die Erhaltung von Bäumen ein und schließe mich Bürgerinitiativen an. Abgesehen davon, dass ich versuche, so nachhaltig wie möglich zu leben. Das ist gar nicht so einfach, wenn einem nicht die finanziellen Mittel zu Verfügung stehen, alles im Bioladen unverpackt einkaufen zu können. Ich bin nicht bequem, ich koche jeden Tag und putze mit Schrubbern anstatt mit Putzmitteln. Das nehme ich gerne in Kauf, aber das reicht nicht. Es reicht nicht, wenn die Einzelnen etwas tun, denn wir werden von der Wirtschaft und Politik bestimmt.

Sie selbst betreuen in ihrem Beruf Marketingkampagnen. Geraten Sie da manchmal in Konflikt?

Ich hatte mir schon gleich nach meinem Grafikdesignstudium vorgenommen, nicht jeden Auftrag anzunehmen. Ich bin dann gar nicht in die Situation gekommen, dass ich für irgendeine Firma hätte arbeiten müssen, wo es für mich nicht zusammenpasst mit meiner Einstellung. Ich bin nicht dieser coole Ellenbogentyp. Ich habe damit Schwierigkeiten gehabt. Ich bin nicht so erfolgreich geworden, wie manch anderer, aber ich bin bei mir geblieben und das war mir immer am wichtigsten. Zuletzt habe ich zehn Jahre für eine Firma gearbeitet im Kosmetikbereich, wo Nachhaltigkeit ein wichtiger Aspekt war.

Warum denken Sie, dass Kunst der richtige Weg ist, um Menschen wachzurütteln?

Die Kunst hat immer schon die Probleme der Zeit dargestellt. Damit kann man einfach eine größere Öffentlichkeit erreichen. Ich kann ganz vielen Menschen gleichzeitig eine Botschaft übermitteln.

Auch wenn Kunst oft selektiv ist? Nicht alle Menschen interessieren sich dafür oder haben Zugang dazu.

Das stimmt. Das ist ziemlich frustrierend. Ich habe vor vier Jahren aber weniger Aufmerksamkeit bekommen als jetzt.

Woran liegt das, denken Sie?

Vielleicht weil das Thema in der Öffentlichkeit präsenter ist. Es ist nichts passiert im Sinne von tatsächlichem Handeln, aber es gibt mehr Bewusstsein.

Ihr Projekt wird vom Bezirk Oberbayern unterstützt. Ist das nicht ein Zeichen dafür, dass die Politik sich doch für die Thematik interessiert?

Natürlich. Darüber habe ich mich sehr gefreut, denn ich habe in mein Konzept ganz klar geschrieben, wofür mein Projekt steht und das ist anerkannt worden. Aber jetzt muss richtig etwas passieren. Wir stehen kurz vor den Wahlen. Ich habe das letzte Projekt vor der letzten Wahl gemacht und jetzt ist wieder der Zeitpunkt gekommen, dass etwas passieren könnte.

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