Ingolstadt:Die Farben des Lichts

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Das Museum für Konkrete Kunst würdigt zwei Künstlerinnen mit sehenswerten Einzelausstellungen und überbrückt elegant die Zeit bis zum Umzug ins neue Haus.

Von Sabine Reithmaier, Ingolstadt

Eigentlich war die Vorgänger-Ausstellung schon als die letzte Schau im alten Haus angekündigt worden. Nach "Mind The Gap" wollte das Museum für Konkrete Kunst (MKK) schließen und sich auf den Umzug ins neue Haus vorbereiten. Doch dann geriet - zum wiederholten Mal - zwecks Komplikationen auf der Baustelle und enormen Kostensteigerungen der Zeitplan ins Rutschen. Doch das Museum hat es geschafft, mit zwei sehenswerten monografischen Ausstellungen von Inge Dick und Susa Templin elegant die Lücke zu schließen. Vor allem die Präsentation Dicks, die anlässlich des 80. Geburtstags der österreichischen Künstlerin die jüngste Fortführung des Projekts "jahres licht weiss" zeigt, ist beeindruckend.

Der Tagesrhythmus bestimmt die Farbintensität

Das Lebensthema der Malerin und Fotografin, im Vorjahr mit dem Österreichischen Kunstpreis für Fotografie ausgezeichnet, ist Licht. Seit Jahrzehnten setzt sie sich mit dem Farbspektrum des natürlichen Lichts auseinander, fotografiert und filmt seit den späten Siebzigerjahren weiße Flächen, immer auf der Suche nach der Vielfalt des Lichts. 2012 startete sie das Experiment, dessen Ergebnisse in Ingolstadt zu sehen sind: Sie richtete eine Digitalkamera auf eine weiße Wand ihres Ateliers am oberösterreichischen Mondsee. Drei Tage lang zeichnete die Kamera von jeweils kurz vor dem Sonnenaufgang bis kurz nach Sonnenuntergang das durch Fenster und Oberlichter eindringende Licht auf, der Rhythmus des Tages bestimmte die Farbintensität. Aus dem so entstandenen Filmmaterial hat sie nach ästhetischen Erwägungen einzelne Farbtöne ausgewählt und chronologisch in vertikalen Linien aneinandergereiht; die zeitlichen Abstände variieren, was gut abzulesen ist: Jeder Farbstreifen hat einen eigenen Timecode, jede Sekunde ihren eigenen Farbton.

Inzwischen hat Dick auf diese Weise die vier Jahreszeiten eingefangen und mit ihren Filmstills die unterschiedliche Farbigkeit des Lichts bei Tag und Nacht festgehalten. Damit erlaubt sie Wahrnehmungen, die dem menschlichen Auge ansonsten unmöglich sind. Nachvollziehbar, dass sie mit der Arbeit "Lichtzeiten" 2019 den Kunst-am-Bau-Wettbewerb anlässlich der Erweiterung des Terminals 1 am Flughafen München gewann. Denn es ist unmöglich, sich dem Zauber dieser geometrisch-abstrakten und doch so poetisch komponierten Bilder zu entziehen. Und sie passen ausgezeichnet ins MKK, denn konkreter ist Licht kaum abzubilden.

Komplizierter nachzuvollziehen sind die anspruchsvollen Arbeiten der Fotografin Susa Templin, die sich selbst zwischen Malerei und Bildhauerei ansiedelt. Sie arbeitet mit analoger Fotografie, fotografiert Treppenaufgänge, Hausfassaden, Zimmerdecken, Türen, Ateliers, hält jeden Ort fest, an dem sie lebt oder einmal gelebt hat. Für die Ausstellung hat sie sich auf das 5,20 Meter schmale, dafür aber 34 Meter lange zweite Obergeschoss des Museums intensiv eingelassen und "Spatial Abstractions", eine Installation aus Collagen der architektonischen Motive entwickelt. Stahl-Module halten die auf Folien, Papier und Plexiglasscheiben gedruckten Fotografien. Der Besucher wandelt durch ein Labyrinth an Architekturfragmenten. Die Motive überlagern und überschneiden sich, jeder Schritt verändert die Blickachse. Eine fragile Angelegenheit, genauso zerbrechlich, wie es eben menschliche Erinnerungen sind.

Umzug mehrmals verschoben

Theres Rohde, seit 6. August die neue Leiterin des Hauses, erinnert sich gerade lieber nicht, wie oft der Umzug schon verschoben wurde. Sie mag auch gar nicht mehr von "letzten Ausstellungen" sprechen. Verständlich angesichts des komplizierten Bauvorhabens und der Tatsache, dass sowohl Zeitplan als auch Kostenrahmen schon mehrmals gesprengt wurden. Sie ist nach Tobias Hoffmann und Simone Schimpf bereits die dritte Chefin, die darauf hofft, das neue Haus eröffnen zu können. Doch wann dies sein wird, darauf will sich im Moment niemand so konkret festlegen, zu unwägbar gestaltet sich der Bau des unterirdischen Museums in der historischen Gießereihalle nahe der Donau.

Erst im Juni hatte der Stadtrat zähneknirschend die gewaltige, jüngste Kostensteigerung auf knapp 47 Millionen Euro akzeptiert, gewaltig angesichts der ursprünglichen Kostenschätzung des Wiener Architekturbüro Querkraft, das mit 21 Millionen rechnete. 2013 plante der Stadtrat 25 Millionen ein, doch die Kostensteigerungen ließen nicht lang auf sich warten. Denn die Grundierung des Gebäudes erwies sich als enorm schwierig, doch es gab auch noch andere Faktoren. Im Februar 2019 stimmte der Stadtrat nach erbitterten Debatten einer Erhöhung auf 33 Millionen Euro zu. Und kürzlich eben weitere 14 Millionen Euro, denn die Komplikationen bei der Fundamentierung des Tiefbaus reißen nicht ab, ganz abgesehen von den generell explodierenden Baukosten. Kann also gut sein, dass es noch weitere Ausstellungen im alten Haus geben wird.

Raum - Licht - Zeit: Inge Dick und Susa Templin, bis 5.12., Museum für Konkrete Kunst, Ingolstadt. Dazu gibt es zwei Kataloge: "Inge Dick. Lichtzeiten" (Hirmer-Verlag) und "Susa Templin. Das Licht, der Raum und die Zeit" (Snoeck Verlag)

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