China:"Keineswegs ein reiner Justizfall"

Michael Spavor

Michael Spavor während eines Video-Interviews im März 2017.

(Foto: Uncredited/dpa)

Ein chinesisches Gericht verurteilt einen kanadischen Geschäftsmann wegen Spionage. Westliche Diplomaten sprechen von einer "Vergeltungsaktion" für die Festnahme der Huawei-Finanzchefin in Kanada.

Von Lea Sahay, Peking

In China ist der kanadische Geschäftsmann Michael Spavor am Mittwoch der Spionage und Beschaffung von Staatsgeheimnissen schuldig gesprochen worden. In einem dreistündigen Prozess ohne Beobachter verurteilte ihn ein Gericht in Dandong an der Grenze zu Nordkorea zu elf Jahren Haft. Spavor soll zudem abgeschoben werden. Kanadas Botschafter ging am Mittwoch davon aus, dass die Abschiebung nach Ablauf der Strafe umgesetzt werde.

Spavor, der in China ein Unternehmen zum Kulturaustausch mit Nordkorea leitete, wurde Ende 2018 festgenommen. Kurz zuvor war in Vancouver die Finanzchefin des chinesischen Telekommunikationsunternehmens Huawei, Meng Wanzhou, verhaftet worden.

Neben dem kanadischen Geschäftsmann hatten die Behörden auch den ehemaligen Diplomaten Michael Kovrig in Gewahrsam genommen. Dieser arbeitete zu dem Zeitpunkt als Experte für die Denkfabrik International Crisis Group in China. Beide sitzen seit mehr als zweieinhalb Jahren in Einzelhaft. Das Urteil gegen Kovrig steht noch aus.

Kanada hatte die Managerin Meng Wanzhou im Dezember 2018 auf Bitten der USA am Flughafen in Vancouver festgenommen. Dort wird der Tochter des Huawei-Gründers Ren Zhengfei Bankbetrug in Zusammenhang mit der Verletzung von Sanktionen gegen Iran vorgeworfen. Inzwischen befindet sich in Kanada ein Verfahren kurz vor dem Abschluss, in dem über die Auslieferung Mengs an das Nachbarland entschieden wird. Deren Anwälte versuchen weiter, diese zu verhindern. Zur Zeit lebt die Beschuldigte in einem luxuriösen Anwesen in Vancouver, wo sie auf die Entscheidung wartet.

August 4, 2021, Vancouver, BC, Canada: Meng Wanzhou, chief financial officer of Huawei, leaves home to attend her extrad

Meng Wanzhou, Finanzchefin von Huawei, in Vancouver.

(Foto: Darryl Dyck/imago)

China hat einen Zusammenhang zwischen den Verfahren gegen die beiden Kanadier und der Verhaftung von Meng immer wieder abgestritten. Auch der Verwaltungsratsvorsitzende von Huawei, Eric Xu, sagte 2019, er sehe keine Verbindung. Wenn Kriminelle entdeckt würden, müssten Behörden sie festnehmen.

Ausländische Diplomaten hingegen sprechen von einer "Vergeltungsaktion" und werfen der chinesischen Regierung "Geiseldiplomatie" vor. Auf eine Frage, ob es Hoffnung für die Angeklagten gebe, wenn Kanada die Managerin nicht an die USA auslieferte, erklärte eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums im März: "Es ist am dringlichsten, dass Kanada seine Fehler korrigiert, Frau Meng freilässt und ihr erlaubt, nach China zurückzukehren."

Kanadas Premier Trudeau kritisiert das Urteil als "absolut inakzeptabel"

Chinas Außenminister Wang Yi erklärte im März 2019 mit Blick auf den Umgang der USA mit Huawei, das Vorgehen sei "keineswegs ein reiner Justizfall, sondern ein absichtlicher politischer Schritt, um sie kleinzumachen". Washington wollte Chinas technologische Entwicklung bremsen. Die USA hatten dem Technologieunternehmen immer wieder Spionage und Sabotage vorgeworfen.

Kanadas Regierungschef Justin Trudeau kritisierte das Urteil am Mittwoch heftig. Dies sei "absolut inakzeptabel und ungerecht". Dem Beschluss sei eine willkürliche Internierung vorangegangen, im Gerichtsverfahren habe es an Transparenz gemangelt. Nicht einmal die vom internationalen Recht geforderten Mindeststandards sah Trudeau erfüllt. Die sofortige Freilassung bleibe oberste Priorität: "Wir werden weiter rund um die Uhr arbeiten, um sie so bald wie möglich nach Hause zu bringen."

Seit der Festnahme von Meng Wanzhou sind die Beziehungen zwischen den beiden Ländern angespannt. Erst am Dienstag hatte ein chinesisches Berufungsgericht das Todesurteil gegen den kanadischen Drogenschmuggler Robert Lloyd Schellenberg bestätigt. Zunächst hatte Schellenberg eine 15-jährige Haftstrafe erhalten. Kurz nach der Festnahme von Meng war das Urteil jedoch in eine Todesstrafe abgeändert worden. Beobachter kritisierten das neue Urteil als politisch motiviert. Mindestens drei kanadische Drogenschmuggler wurden in China seit Mengs Festnahme zum Tode verurteilt.

Die EU schloss sich der Kritik aus Kanada am Mittwoch an und sprach von einer "willkürlichen Festnahme". Ungeachtet wiederholter Appelle habe Spavor kein faires Verfahren erhalten, erklärte eine Sprecherin des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell am Mittwoch in Brüssel. Dem Kanadier sei das Recht auf eine öffentliche Verhandlung versagt worden, obwohl internationale Menschenrechtsnormen und das chinesische Strafprozessrecht dies vorschrieben.

China hatte die Entscheidung damit begründet, dass es sich um einen Fall nationaler Sicherheit handele und deshalb nicht öffentlich verhandelt werde. Die EU kritisierte außerdem, dass Spavor seine Verteidigung nicht frei wählen durfte und die konsularische Betreuung stark eingeschränkt sei. Außerdem war die Anklage wegen Gefährdung der nationalen Sicherheit erst im Juni 2020 erfolgt - eineinhalb Jahre nach seiner Festnahme.

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