Typisch deutsch:Welche Farbe soll es sein?

Friseur

Man möchte meinen, dass männliches Haar in der Regel billiger zu pflegen ist als das von Frauen. Doch Münchens Männer sind äußerst penibel.

(Foto: dpa)

In der Heimat unseres Autors haben so gut wie alle Männer kurze schwarze Haare. In München musste er bemerken, dass sie einen Kamm mit sich führen und eitel auf ihre Frisur achten.

Kolumne von Olaleye Akintola

Welche Farbe es auch sein soll, man kreuzt sie einfach beim Friseur an, wie auf der Speisekarte im Lokal, schon wird sie einem à la carte serviert: schwarz, braun, golden oder rot? Gewellt oder lockig? Kurz, schulterlang oder ganz lang? Eine Sonderlänge? Manche Haare können so lang sein, dass sie bis zur Taille reichen. Ihre Träger verwenden ein Band, um sie zu verpacken, damit sie nicht herunterfallen. Die Rede ist nicht von Frauen.

Man möchte meinen, dass männliches Haar, egal wo, in der Regel billiger zu pflegen ist als bei Frauen. Doch Münchens Männer sind äußerst penibel und stets darauf bedacht, wie ihr Haar aussieht. Einige von ihnen lassen sich so lange Haare wachsen, dass es aus sicherer Corona-Distanz schwerfällt, das Geschlecht zu bestimmen. Auf öffentlichen Plätzen sieht man, wie sie ihre Frisuren mit den Händen zurechtrücken, sie in eine bestimmte Position bringen, als ob sie Protagonisten auf einer Modenschau wären.

Wer wallendes blondes Haar trägt, muss Fläschchen finden, sodass es aussieht, als käme man frisch aus der Maske eines Rosamunde-Pilcher-Films. Wer gar goldenes Haar trägt, muss es glänzend in Form halten. Angesichts der Preise in den Drogerien wird sich so mancher blonde Münchner Engel wünschen, einen echten Goldschatz in der Hinterhand zu haben. So aber gilt: Je größer der Kopf, desto größer die Kopfschmerzen.

Es wird hier viel Aufwand betrieben, um lange, glatte Haare zu pflegen. Einfacher ist es mit meinen eigenen kurzen, flauschigen Low-Budget-Haaren, die nur ab und zu einen winzigen Haarschnitt, Bürsten und Fette benötigen. Es braucht eine geringe Menge Seife, um sie zu waschen. Nur wer weiß, wie es mir gehen würde, würde ich selbst einen Goldschatz bergen. Vielleicht käme ich dann auf ganz andere Frisuren.

So aber stelle ich in dankbarem Pragmatismus die Vorteile meiner aktuellen Frisur heraus. In Nigeria haben so gut wie alle die gleichen kurzen, schwarzen Haare, dort bleibt einem diese Datenerhebung beim Passamt erspart. Bei der Beantragung eines Personalausweises in München muss man die Haarfarbe angeben.

In München tragen nicht wenige Stadtbewohner Kämme in ihren Taschen. Sie gehen häufig auf die Toilette, um in den Spiegel zu schauen und die Haare zu glätten. Dandys, deren Bedürfnisse so manche Vorstellungskraft übersteigen dürften. Bevor sie morgens aus dem Haus gehen, kommt das Haupthaar unter den Haartrockner. Ohne das Gerät sähen sie aus wie ein Hund, der in einer Wasserlache gebadet hat.

So viel zur häuslichen Pflegeroutine der Münchner Männerhaare. In der Stadt zahlen sie dann weiter gutes Geld bei regelmäßigen Friseurbesuchen. Ich habe gehört, wie viele Männer während des Corona-Lockdowns (als alle Salons geschlossen wurden) deutlich lauter gewimmert haben als ihre Frauen. Erwachsene, die über verschüttete Milch weinen.

Dann wiederum gibt es Männer, die zur Glatze gezwungen werden. Diese vermeintliche Enttäuschung ist ein Segen. Sie müssen den Sternen danken, dass sie sich ein Vermögen sparen. Und Zeit. Ohnehin wird der Mangel an Kopfhaaren an anderen Körperstellen ausgeglichen. Mein Herz schlägt auch für jene, denen wie mir allmählich graue Haare wachsen. Wir sitzen alle in einem Boot, umringt von Ködern aus Haarfärbemitteln.

Übersetzung aus dem Englischen: koei

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