Schweiz:Weniger Schutz für Ungeimpfte

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Alltagsleben in Zürich: Starke Einschränkungen für alle solle es nicht mehr geben, sagt Gesundheitsminister Alain Berset. (Foto: MANUEL GEISSER/imago images)

Tests werden kostenpflichtig, die Maskenpflicht soll vorerst bleiben: Wie die Regierung in der Schweiz in der Pandemiepolitik die "Normalisierungsphase" einleitet.

Von Isabel Pfaff, Bern

Ähnlich wie in Deutschland sollen Corona-Tests auch in der Schweiz von Herbst an kostenpflichtig werden, wenn die Testpersonen keine Symptome aufweisen. Bislang übernimmt der Bund alle Kosten für Antigen-Schnelltests; zusätzlich können alle nicht Geimpften oder Genesenen pro Monat fünf Selbsttests kostenlos in den Apotheken beziehen. Wer also etwa tanzen gehen will, kann sich gratis vor dem Clubbesuch testen lassen - wenn man möchte, auch mehrmals die Woche. Damit soll von 1. Oktober an Schluss sein. Das teilte der Bundesrat, die Schweizer Regierung, am Mittwochnachmittag mit.

Ausnahmen soll es nur für Kinder bis zwölf Jahren geben und für Personen, die sich nicht impfen lassen können. Der Bundesrat wird diese Pläne allerdings noch mit den Kantonen und mit den parlamentarischen Kommissionen besprechen und am 25. August definitiv entscheiden.

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Mit dieser Ankündigung leitet die Schweizer Regierung gemäß ihrem Drei-Phasen-Modell nun die sogenannte Normalisierungsphase ein - nach den Stufen Schutz und Stabilisierung. Voraussetzung dafür war, dass alle impfwilligen Schweizer geimpft sind. Davon geht der Bundesrat nun aus. Allerdings will er die aktuell gültigen Maßnahmen wie die Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr und in Läden sowie die Zertifikatspflicht bei größeren Anlässen und beim Ausgehen trotzdem aufrechterhalten: "aufgrund der unsicheren epidemiologischen Lage und weil eine Überbelastung der Spitalstrukturen nicht ausgeschlossen werden kann". Erst im September könnte es zu einer weiteren Lockerung der Maßnahmen kommen.

"Wir nehmen in Kauf, dass das Virus zirkuliert."

Was sich nun ändert, ist also eher die Haltung: Während die Schweizer Regierung vorher die mehrheitlich nicht geimpfte Bevölkerung schützen wollte, gilt ihr Augenmerk nun nur noch der möglichen Überlastung der Krankenhäuser. Starke Einschränkungen für alle wie zu Hochzeiten der Pandemie werde es nicht mehr geben, sagte Gesundheitsminister Alain Berset. "Wir nehmen in Kauf, dass das Virus zirkuliert." Also auch: dass Ansteckungen, Hospitalisierungen und sogar Todesfälle wieder zunehmen. Wer sich davor schützen wolle, könne sich impfen lassen.

Der bisher nur leichte Druck auf Ungeimpfte in der Schweiz nimmt damit zu - spätestens wenn die Schnelltests im Oktober kostenpflichtig werden. Bisher sind knapp die Hälfte der Schweizer Bevölkerung vollständig geimpft. Im gesamteuropäischen Vergleich liegt diese Quote im Mittelfeld; in Westeuropa zählt sie allerdings zu den niedrigsten. Ob das neue Corona-Regime der Impfkampagne einen Schub verleihen wird, muss sich zeigen. Fest steht: Ähnlich wie in den Nachbarländern nehmen die Covid-Fallzahlen und - Spitaleinweisungen auch in der Schweiz seit Juli wieder zu. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt aktuell bei mehr als 100 Infizierten pro 100 000 Einwohner.

Während die Kantone den Bundesrat beim jüngst kommunizierten Kurs unterstützen, kritisiert die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) die Beibehaltung der Maßnahmen als "diktatorisch". Sie fordert angesichts der niedrigen Hospitalisierungszahlen die sofortige Rückkehr zur Normalität.

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