SZ-Serie: Bauen in Dachau, Folge 11:Wie Gartenzäune sich auf die Umgebung auswirken

Bäume und Gehölz statt Plastikzäune: Ein Positivbeispiel für ästhetischen Sichtschutz.

Bäume und Gehölz statt Plastikzäune: Ein Positivbeispiel für ästhetischen Sichtschutz.

(Foto: N.P. Joergensen)

Was Baumärkte heute an Zäunen verkaufen, ist eine Hölle von Hässlichkeiten. Die Folgen kann man leider auch in Dachau vielerorts sehen. Doch es gibt auch sehr gelungene Beispiele.

Von Paul Havermann

Architektur ist ohne die unmittelbare und weitere Umgebung gar nicht als Architektur zu denken. Es sind die Freiflächen zum Straßenraum, die Vorgärten oder Gärten, die Zwischenräume oder die direkt aneinandergereihten Häuser, die das Erscheinungsbild und die Qualität von Gebäuden und Umgebung ausmachen und sie wesentlich mitbestimmen.

Eine Villa ohne Umschwung, mit dem sie umgebenden Garten und Vorgarten ist keine Villa mehr, Einfamilienhäuser und Reihenhäuser, eine Wohnsiedlung ohne den sorgfältig geplanten Vorgarten, den Straßenraum, ohne den mitgeplanten Außenbereich und wo nötig auch die Einfriedung, egal ob im städtischen oder ländlichen Raum vermitteln meist keine Aufenthaltsqualität mehr, sie lassen Architektur zum anspruchslosen Bauprojekt verkommen.

Wenn sogar ein Profi, ein Dachauer Ex-Bauträger, wie gerade in der vorangegangenen Folge der SZ-Serie "Bauen in Dachau" davon spricht, dass für ihn das Aussehen von Dachgauben, Balkongeländern oder Gartenzäunen Nebensächlichkeiten seien, dann braucht man sich nicht wundern, mit welchen Auswüchsen an Gartenzaungestaltung, ausgesucht und ausgeführt durch überforderte Laien, man inzwischen überall konfrontiert wird.

Wettlauf zwischen den hässlichsten Modellen

Sucht man im Baumarkt oder im Internet nach Vorschlägen für einen Gartenzaun, so tut sich zum größten Teil eine Hölle von unsäglichen Hässlichkeiten auf: Gabionenmauern, Stahl- und Aluminiumsperren, Sichtschutzfolien aus schwarzem oder grünem Plastik, Holzwände vom Fließband, alles unter der Bezeichnung "Gartenzäune", übertrumpfen sich gegenseitig, nie hätte man vor 20, 30 Jahren gewagt sich vorzustellen, was ein globalisierter Markt für Ungeheuerlichkeiten über uns ausschütten kann.

Inzwischen scheint vielerorten geradezu ein Wettlauf zwischen den günstigsten, hässlichsten und, mit am wichtigsten, dem pflegeleichtesten Modell stattzufinden. Nie mehr Streichen, einbrennlackiert, eloxiert, plastikbeschichtet in Holzoptik, unverrottbar, sagrotansauber, Edelstahlabsperrungen, die an die Gitter von Gefängnissen erinnern, triste Gabionen mit weißem und schwarzem Schotter und sogar mit Glasscherben gefüllt, es gibt nichts, was es nicht gibt, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt! Was mit dem ganzen Plastikmüll an Sichtschutzwällen einst geschehen wird, egal, was kümmert uns die Zukunft. Ergänzt werden die Einzäunungen oft noch von den abenteuerlichsten Müllhäuschen, die das hilflose Gesamtbild abrunden.

Für jedes Bauvorhaben sollte eine Einordnung in die Umgebung stattfinden, manchmal ist es die gut gestaltete Gartenmauer, mal ist es der fehlende Zaun, der halböffentliche Bereich, der die dazugehörige Architektur unterstreicht und zur Architektur macht. Immer ist aber eine Bepflanzung mit einer Hecke, eine Begrünung von Mauern und Zäunen sowohl für die Artenvielfalt als auch für das Klima vorzuziehen, heute mehr denn je!

Wie wohltuend fügt sich das vor kurzem fertiggestellte Mehrfamilienhaus in der Prälat-Wolker, Ecke Kolping-Straße in das Gesamtbild des Quartiers ein. Ein Haus, das ganz in Holz gebaut, trotz seiner Größe und Wohnfläche nicht aufdringlich hervorsticht. Jedes Detail ist genau durchdacht, vom First herunter bis zur Traufe, die Dachrinne in den Baukörper integriert, die großen, hellen Fenster zum Garten, die Einfahrt mit dem daneben etwas dunkler abgesetzten Gartenhaus, die Holzverschalung in handwerklicher Perfektion ausgeführt und farblich in einem dezenten Grau gefasst, alles ist stimmig. Und nicht zuletzt die Einfriedung: Kein irgendwie belangloser Drahtverhau, kein Baumarktdekor, es genügt eine kleine Aufkantung an der Grundstücksgrenze, dahinter breitet sich der durchdachte Garten mit Terrasse bis zum Haus aus. Als Sichtschutz dienen einige geschickt gepflanzte Sträucher und Heckenstücke. Für das Auge, für das Quartier, für die Allgemeinheit eine einzige Wohltat.

Paul Havermann

Paul Havermann war Gründungsmitglied des Architekturforums Dachau. Als Kunstlehrer unterrichtete er an Dachaus Gymnasien und in Mailand und begleitete Bau und Gestaltung vieler Gebäude seiner Heimatstadt.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Ganz anders ein Neubau in unmittelbarer Nähe. Ein Haus, das im Bauträgersprech mit "klassischer Moderne, als Bauhausarchitektur" gepriesen wird, doch bleibt es allein beim Bauhaus geklauten Flachdach, ein nicht eingelöstes Versprechen. Ein Baukörper, der sich wie ein Fremdkörper im Quartier der Straße entlang ausbreitet, der mit den videoüberwachten Garagen und Vorplatz die Nachbarhäuser bis auf letzten Zentimeter bedrängt. Hier sieht man Gründlichkeit, Optimierung der Abstandsflächen aber keine Sensibilität für den Genius Loci, den Ort, der sich durch die Umgebung definiert. Der dazugehörige Vorgarten wird hinter einer massiven, nicht einsehbaren Holzwand versteckt, seitlich sieht man noch mit grauem Schotter gefüllte Gitterkörbe, eingesperrte Steine. Dahinter das glatte, aufragende Haus mit riesigem Fenster zur Straßenseite hin, eine wohltuende Öffnung des Hauses im krassen Widerspruch zur abweisenden Befestigung als Einfriedung.

Die Bauhaus-Bewegung war eine "Schule des Sehens"

Bauhaus, ein Zauberwort für den Aufbruch der Architektur und der Gestaltung in die Moderne. In den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts ein magischer Ort der Erneuerung, gegründet in Weimar, zwangsweise übergesiedelt nach Dessau, aufgelöst und verbannt durch die Nationalsozialisten!

Eigentlich müssten alle, die heute ihre Architektur mit Bauhausarchitektur bewerben, verpflichtet werden nach Dessau zu fahren, um sich dort am Original zu schulen. Der eine oder andere Immobilienwerber müsste sich für sein Produkt, angesichts der in freier Landschaft liegenden Meisterhäuser von Walter Gropius, bis ins kleinste Detail geplant und gestaltet, nur noch schämen.

Gropius, Kandinsky, Itten, sind nur drei Namen von Lehrern aus der Schule des Bauhauses. Architekten, Künstler und Kunsthandwerker suchten zusammen nach dem Gesamtkunstwerk. Es war damals schon eine "Schule des Sehens", die bis heute ihre Notwendigkeit noch immer nicht verloren hat.

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