Erneuerbare Energien:"Denn ohne Gewinn kann ich meine Familie nicht ernähren"

Biogasanlage Kleinkatzbach

Hinter dem jungen Mais ist das neue Endlager zur Gaslagerung zu sehen.

(Foto: Stephan Goerlich)

Mehr als 70 Biogasanlagen gibt es im Landkreis Erding. Eine davon betreibt Gerhard Reger seit 2004 erfolgreich. Weil in den nächsten Jahren viele Förderungen auslaufen, ist die Zukunft der Anlagen ungewiss.

Von Tom Burggraf, Dorfen

Gerhard Reger steht vor dem Maschinenraum seiner Biogasanlage in Kleinkatzbach, nordöstlich von Dorfen. Die Anlage läuft reibungslos. Aber aus Protest drückt er den Notausknopf. Mit seiner Teilnahme an der bundesweiten Warnaktion wollte er 2016 darauf aufmerksam machen, dass nach dem Auslaufen der staatlichen Förderungen viele Biogasanlagen - seine eingeschlossen - vor dem Aus stünden. Die Politik hat nachjustiert und dadurch einen breiten Biogasrückbau bis jetzt verhindert. In den nächsten Jahren laufen die Förderungen für viele Anlagen dennoch aus, und sie müssen sich dann über Ausschreibungen auf weitere bewerben. Weil die Förderung aber geringer ausfallen wird, ist die Zukunft ungewiss. Das spiegelt sich auch in den Zahlen von 2020 wider: Die Anzahl der Biogasanlagen in Deutschland war erstmals seit Beginn der Förderung 2000 rückläufig. Dabei können die Anlagen einen wichtigen Beitrag für die Energiewende leisten.

Reger steht in seinem Fahrzeugschuppen und steigt die fünf Stufen hinauf in seinen Radlader. Er startet den Motor und fährt zu seinem Silobecken, wo er die Schaufel in die Silage gräbt. Er wendet, hebt die Schaufel etwa drei Meter an und fährt den Inhalt hinüber zu einem offenen, türkisen Container. Reger kippt und schüttelt die Schaufel, der Inhalt fällt in den Schlot seiner Biogasanlage. Seit 2004 gehört diese Fahrt zu seiner täglichen Arbeit. Seitdem betreibt er seine Biogasanlage in Kleinkatzbach, seit 2010 hauptberuflich. Davor hatte er 20 Milchkühe und arbeitete bei einem Maschinenbauer in Dorfen.

Aufgrund der damals schon prekären Lage für Milchbauern und einer möglichen staatlichen Förderung für erneuerbare Energien wollte Reger etwas ändern und entwickelte mit seinem Nachbarn einen Plan: Reger investiert in eine Biogasanlage, seine Nachbarn liefern Biogaspflanzen. Durch die staatliche Förderung im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) hat die Anlage ihn und seine Familie in den vergangenen Jahren gut ernährt. Doch in drei Jahren läuft die 20-jährige Förderung aus. Wie es danach weitergeht, weiß Reger nicht, wie er sagt. Vielen Biogasanlagenbetreibern geht es ähnlich. Reger schätzt, dass in den nächsten zehn Jahren etwa zwanzig Prozent der Anlagen schließen könnten. Manuel Maciejczyk, Geschäftsführer des Biogasfachverbands in Freising, bestätigt das: "Die Unsicherheit über die zukünftige Vergütung führt zu einer großen Unsicherheit bei den Betreibern und bei vielen zur Frage, ob sie überhaupt noch weitermachen."

Was Reger jeden Morgen der Biogasanlage zuführt, wird in den ersten Fermenter gedrückt, ein großes Becken, in dem die Silage unter Luftabschluss auf 50 Grad aufgeheizt wird. In beiden Fermentern steckt außerdem ein großer "Stabmixer", wie Reger die Motoren nennt, die die Gärmasse in Bewegung halten. Bakterien zersetzen die Silage, eine braune Brühe entsteht. Mit einer Taschenlampe leuchtet Reger durch eine Luke, um die Homogenität der Brühe zu prüfen. Aus der Gärmasse steigen Blasen auf. "Das ist das Methan, das durch die Gärung entsteht", sagt Reger.

Die Förderung für Biogasanlagen hat seit 2000 viele Landwirte zu Investitionen bewegt. So sind im Landkreis mehr als siebzig Anlagen entstanden, bundesweit etwa 9500. Biogasanlagen können grüne Energie und Wärme liefern, den schnellen Ausbau fanden aber nicht alle gut, unter anderem wegen der "Vermaisung" der Landwirtschaft. Mais liefert am meisten Energie pro Hektar Land, weswegen viele Landwirte ihre Äcker zu Monokulturen umgewandelt haben. Politisch wurde nachjustiert und zum Beispiel mit dem EEG 2012 bestimmt, dass Biogasanlagen nur mit maximal 60 Prozent Mais gefüttert werden dürfen. Seit dem EEG 2021 sind es nur noch 40 Prozent. Der Monokulturanbau sei ein Problem, sagt auch Reger. Der Boden wird anfällig für Erosion und die Pflanze für Schädlingsbefall.

Die 18 Tonnen Silage, die Reger jeden Tag seiner Anlage zuführt - sechs Schaufeln in der Früh, sechs am Abend -, sind aus unterschiedlichen Pflanzen zusammengesetzt, die auf seinem Hof lagern: Grasverschnitt, gehäckselter Mais, Silphie und Ganzpflanzensilage. Mais liefere zwar etwa doppelt so viel Energie wie die Dauerkultur Silphie, sagt Reger, die Silphie leiste dafür zusätzlich einen Beitrag zur Artenvielfalt. Und der Boden bleibt durch die Fruchtfolgen fruchtbar. Drei weitere Stoffe landen in der Anlage: Pflanzenkohle, Gesteinsmehl und Spurenelemente. Sie sorgen dafür, dass es den Bakterien noch besser geht, sie machen den Kompost fruchtbarer, der am Ende auf die Felder kommt. Für Reger bringt "Artenvielfalt der Gesellschaft etwas und dem einzelnen Betrieb."

Biogasanlage Kleinkatzbach

Energiewirt Gerhard Reger aus Kleinkatzbach.

(Foto: Stephan Goerlich)

Maciejczyk vom Biogasfachverband befürchtet, dass nach dem Auslaufen der EEG-Förderungen in den nächsten Jahren einige Anlagen stillgelegt werden. Die Betreiber stünden vor mehreren Herausforderungen. So seien in den vergangenen fünf Jahren die Auflagen massiv verschärft worden. "Das geht auch mit einer extremen Kostensteigerung einher", sagt Maciejczyk. Er sieht aber auch ein Problem beim Freistaat Bayern. In Bayern seien die Anforderungen für Biogasbetreiber besonders hoch. "Wir haben in keinem Bundesland ähnliche Probleme."

Auch Reger sagt, dass ihn die steigenden Auflagen unter Druck setzen. "Wir werden kontrolliert wie ein Industriebetrieb." Er könne den bürokratischen Aufwand nicht leisten und müsse externe Dienstleister engagieren. Dadurch würden vor allem die kleinen dezentralen Energiebetreiber ausgebremst. Und Betriebe wie seiner, der zugunsten der Artenvielfalt und Humusaufbau auf Maximalerträge verzichtet. Diesen steigenden Kosten stünden niedrigere Erträge nach der EEG-Förderung gegenüber. Reger bekommt aktuell durch das Bonussystem des EEG 23 Cent pro Kilowattstunde Strom. Läuft die 20-jährige Förderung 2024 aus, muss er seinen Strom bei Ausschreibungen anbieten. Dabei kann er über weitere zehn Jahre gefördert werden - aber lediglich mit einem Preis von maximal 18,4 Cent pro Kilowattstunde. Die Förderung ist dazu da, das Überleben der Anlagen für die nächsten zehn Jahre zu ermöglichen. Reger sagt aber, dass das Betreiben seiner Anlage für 18 Cent eine Nullrunde sei - oder nur möglich auf Kosten der Artenvielfalt. Ohne Gewinne könne er etwa zwei Jahre überstehen, dabei sei es viel wichtiger weiter zu investieren, um die Anlagen technisch und ökologisch auf dem neuesten Stand zu halten. Ohne Zusage vom Staat werde er sich aber jede Investition gut überlegen. "Denn ohne Gewinn kann ich meine Familie nicht ernähren."

Auf Regers Biogasanlage verlaufen Rohre aus dem einen Fermenter in den nächsten. Auf dem Weg dorthin werden Teile der Gärmasse weiter zerrieben. Die Masse wird noch einmal "wiedergekäut", sagt Reger, der Gärprozess wird angeregt. Das aufsteigende Gas füllt die grünen Hauben der Gärrestlager, die aussehen wie überdimensionierte Pilze. Außen sind sie mit Luft gefüllt, innen drückt das aufsteigende Gas gegen das Luftpolster. Das Gas besteht aus etwa 50 Prozent Methan und 50 Prozent Kohlenstoffdioxid.

Durch ein Rohr gelangt es in einen Tank, der in der Wiese versteckt ist. Dort kühlt es ab, bevor es in den drei Gasmotoren verbrannt wird, um Strom zu gewinnen. Durchschnittlich produziert die Anlage 320 Kilowattstunden und liefert genug Strom, um 750 Haushalte zu versorgen. Die dabei entstehende Abwärme beheizt außerdem etwa 50 Haushalte.

Auch der Biogasfachverband spricht sich kritisch über die neuen Regelungen aus. Das Fördervolumen von 600 MW sei zwar "extrem viel". Zusätzlich wurde aber eine Regelung eingeführt, "um künstlich Wettbewerb herzustellen", erklärt Maciejczyk. Demnach fielen bei 100 Bewerbungen auf die Ausschreibung jene 20 aus der Förderung heraus, die den teuersten Preis bieten. Und diese Preisspirale setze die Biogasanlagenbetreiber unter Druck. Reger wird nun aber erst einmal die Wahl abwarten, sagt er. Wenn der Klimaschutz entschiedener angegangen werde, müsse Biogasanlagen eine bessere Perspektive geboten werden, denkt er. Ein höherer CO₂-Preis könnte Strom und Wärme aus Biogasanlagen konkurrenzfähiger machen.

Reger schlägt vor, Biogas flexibel einzusetzen

Nach etwa 150 Tagen in den Tanks werden die Pflanzenreste aus der Anlage herausgedrückt. Ein etwa drei Meter hoher Haufen hat sich schon aufgetürmt, die ausgepressten Schnitzel sehen aus wie Pferdemist und purzeln an den Wänden herab. Reger riecht an dem noch warmen Kompost. "Das ist der reinste Dünger", sagt er.

Reger sieht trotz allem eine gute Zukunft für Biogasanlagen, auch weil sie Energie speichern können. "Photovoltaikanlagen bauen kann jeder, aber speichern eben noch nicht. Da haben Biogasanlagen einen Vorteil." Er schlägt vor, Biogas flexibel einzusetzen, genau dann, wenn kein Strom aus Solar- oder Windkraftanlagen zur Verfügung stünde.

Auch die Forschung stimmt ihn optimistisch. Der Energiewirt steht im Kontakt mit der Technischen Universität München (TUM). Dort hat Stephan Herrmann eine neue Brennstoffzellentechnologie für die Nutzung von Biogas entwickelt. Eine Zehn-Kilowatt-Prototyp wurde an der TUM in Garching installiert. Dieser Prototyp soll Mitte September bei einer Biogasanlage im Landkreis installiert werden und unter Realbedingungen getestet. Verglichen mit herkömmlichen Gasmotoren, wie sie Reger nutzt, könne die Brennstoffzellentechnologie doppelt so viel Strom aus Biogas gewinnen, sagt Herrmann. Und sie läuft auch rückwärts: Die Brennstoffzellen können nicht nur aus Gas Strom produzieren, sondern auch aus Strom, Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid Biogas herstellen. So ließe sich mit Biogasanlagen Energie speichern: Wenn durch Solar und Wind Überschüsse bestünden, könne Gas erzeugt und in der Nacht wieder zu Strom verwandelt werden. 2023 soll die neue Brennstoffzellentechnologie kommerziell angeboten werden - ein Jahr, bevor Regers Förderung ausläuft.

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