Wahlkampf:Mann aus dem Maschinenraum

Spitzenkandidat der SPD für die Landtagswahl 2022

Der neue Hoffnungsträger der Nord-SPD: Thomas Losse-Müller.

(Foto: Axel Heimken/dpa)

Kieler SPD-Landeschefin Serpil Midyatli verzichtet: Der frühere Staatssekretär Thomas Losse-Müller soll bei der Wahl 2022 Ministerpräsident Daniel Günther herausfordern.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Spitzenkandidat der SPD für die Landtagswahl 2022

Der neue Hoffnungsträger der Nord-SPD: Thomas Losse-Müller.

(Foto: Axel Heimken/dpa)

"Den einen oder anderen wird meine Entscheidung vielleicht überraschen", sagte Serpil Midyatli, als sie die Überraschung am Sonntag in der Kieler Parteizentrale offiziell machte. So ist es, auch wenn sich die Entscheidung der SPD in Schleswig-Holstein in den vergangenen Tagen herumgesprochen hatte. Nicht die Landes- und Fraktionsvorsitzende Midyatli wird bei den Landtagswahlen am 8. Mai 2022 gegen den Ministerpräsidenten Daniel Günther von der CDU antreten - sondern Thomas Losse-Müller, den bisher in der Wählerschaft kaum jemand kennt und der vor einem Jahr noch in einer anderen Partei war.

Bei den Sozialdemokraten geschehen ja immer wieder erstaunliche Dinge, das Manöver im deutschen Norden ist verblüffend. Bis vor Kurzem gab es kaum einen Zweifel, dass Serpil Midyatli als Spitzenkandidatin antritt. Die Tochter türkischer Einwanderer ist die zupackende Nachfolgerin von Ralf Stegner, sie fällt auf mit ihrer Biografie und ihrer Art, sie galt als Gegenentwurf zum allerdings recht populären Regierungschef Günther. Jetzt soll es also statt der Frau, die ein Kieler Familienrestaurant aufgebaut hatte und seit 21 Jahren in der SPD ist, ein Mann versuchen, der aus der Finanzwelt und von den Grünen kommt.

Der Volkswirt Losse-Müller, 48, aus Schwerte im Ruhrgebiet war unter anderem bei der Deutschen Bank in London und bei der Weltbank in Washington, für die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit betreute er Projekte in Afrika. In der US-Hauptstadt gründete der Berater einen Grünen-Ortsverband, in Frankfurt saß er als Beisitzer im Grünen-Landesvorstand. 2012 holte ihn Schleswig-Holsteins Grünen-Landesvorsitzende Monika Heinold nach Kiel, 2014 machte der damalige SPD-Ministerpräsident Torsten Albig den Finanzexperten von den Grünen zum Chef der Staatskanzlei, damals regierte zwischen den Meeren noch eine sogenannte Küstenkoalition aus SPD, Grünen und Südschleswigschem Wählerverband SSW.

Erst im Oktober 2020 trat Losse-Müller in die SPD ein

Erst im September 2020 trat Losse-Müller aus seiner alten Partei aus und im Oktober 2020 in die SPD ein, nun enthüllte Serpil Midyatli sein Wahlplakat. "Heute beginnt die Zukunft", steht als Wahlslogan darauf. Warum auf einmal er, den offenbar viele Experten in Unternehmen und Gremien kennen, aber die wenigsten Wählerinnen und Wähler? Warum nicht sie?

Zuletzt hatte Serpil Midyatli gegen einen SPD-Rivalen nur mit Mühe die Nominierung als Direktkandidatin für den Landtag geschafft, jetzt verzichtet sie auf die Spitzenkandidatur. Es sollten "auch andere neben mir leuchten", erläuterte die Landesparteichefin bei der Verkündung der Rochade. "Diese Größe und Stärke habe ich." Sie hatte Thomas Losse-Müller schon in eine von ihr angeregte Denkfabrik der Nord-SPD berufen, sie habe sich ihn "sechs Monate lang angeschaut". Er sei "wahnsinnig vernetzt", er komme "aus dem Maschinenraum". Losse-Müller sprach vom "aktiven Staat als Motor von Wandel und Gestaltung", das vermisse er bei den Grünen.

Die Grünen sind in Schleswig-Holstein Teil von Daniel Günthers Jamaika-Koalition, laut der letzten Umfrage hat sie weiterhin eine Mehrheit.

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