Altersvorsorge:Wer hart arbeitet, hat viel weniger von der Rente

Nächtliche Straßenbaustelle in München Laim, 2017

Nachtbaustelle in München: Harte körperliche oder psychische Arbeit - wie zum Beispiel am Bau - verkürzt statistisch gesehen die Lebenserwartung.

(Foto: Florian Peljak)

Arbeiter leben im Schnitt vier Jahre kürzer als Beamte. Besonders gravierend ist der Unterschied bei Männern. Der Sozialverband VdK fordert Konsequenzen für die Rentenpolitik.

Von Hendrik Munsberg

Ein Großteil der Bundesbürger freut sich auf den Ruhestand, oft schon Jahre bevor es so weit ist. Endlich den Stress der täglichen Arbeit loswerden. Endlich reisen oder lesen, wann und so oft man Lust dazu hat. Endlich ein selbstbestimmtes Leben führen.

Doch wie viele Jahre man das Rentnerdasein tatsächlich genießen kann, hängt ganz entscheidend davon ab, in welcher Art von Beruf man zuvor tätig war. Das belegt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag des Sozialverbands VdK, die am Montag vorgestellt wurde. Demnach leben Beamte - gemessen an Arbeitern - im Schnitt mehr als vier Jahre länger.

Besonders gravierend ist der Unterschied bei Männern: Wer als Beamter das 65. Lebensjahr erreicht, kann laut Statistik damit rechnen, noch 21,5 weitere Jahre zu leben. Angestellte und Selbständige haben im gleichen Alter noch eine Lebenserwartung von 19 Jahren. Arbeiter dagegen müssen laut Statistik damit rechnen, nach dem Rentenbeginn nur noch 15,9 Jahre lang zu leben - 5,6 Jahre weniger als Staatsdiener und immerhin noch 2,5 Jahre weniger als Angestellte. Auch bei Frauen gibt es solche Unterschiede, wenn auch weniger ausgeprägt: Beamtinnen haben laut DIW-Studie eine um drei Jahre längere Lebenserwartung als Arbeiterinnen.

Harte körperliche oder psychische Arbeit - zum Beispiel am Bau, in der Pflege oder an der Kasse - verkürzt die Lebenserwartung, und damit auch die Dauer des Rentenbezugs, also die Ausgaben für die Rentenkasse. Mit anderen Worten: Gutverdiener haben am Ende ihres Erwerbslebens nicht nur höhere Rentenansprüche, sie bekommen auch noch deutlich länger Geld aus der Rentenkasse. Genau das zeigen die DIW-Daten: Wer zur niedrigsten Einkommensgruppe gehört, hat im Schnitt eine Lebenserwartung von 82,6 Jahren, die höchste Einkommensgruppe lebt 87,5 Jahre - also fast fünf Jahre länger.

Autobahnausbau der A9 bei Holledau in Bayern, 2016

Frühmorgens an der A9: Kann man mit 70 Jahren noch auf der Baustelle schuften?

(Foto: Robert Haas)

Diese Fakten, so fordert VdK-Präsidentin Verena Bentele, müssen nach der Bundestagswahl Ende September Konsequenzen für die Rentenpolitik haben. Vor allem eines lehnt der VdK rigoros ab: eine generelle Erhöhung der Regelaltersgrenze. Schon jetzt schaffe es nur eine Minderheit, bis zum Alter von 65 voll zu arbeiten, erst recht nicht bis 67, jener Altersgrenze, die in Deutschland von 2029 an per Gesetzt gilt. Darum diskutierte der VdK die DIW-Studie unter der Überschrift: "Länger leben, später in Rente - ist das sozial gerecht?"

Doch renommierte Rentenexperten und Ökonomen hatten erst unlängst in einer Studie für das Bundeswirtschaftsministerium gefordert, die Altersgrenze mit allgemein steigender Lebenserwartung weiter anzuheben - auf 69 Jahre, entsprechend der Faustformel für die verlängerte Lebenserwartung: zwei Drittel arbeiten, ein Drittel Rente beziehen. Bentele lehnte das strikt ab: "Eine Erhöhung auf 68, 69 oder gar 70 Jahre würde die Spaltung in der älteren Bevölkerung weiter verschärfen und zu noch mehr Altersarmut führen."

Hart arbeitende Menschen sollen mit 63 und ohne Abschläge in Rente gehen, fordert die VdK-Chefin

An die Adresse der nächsten Bundesregierung appellierte die VdK-Chefin: Statt die nächste Rentenkommission einzusetzen, die "vorschlägt, alle pauschal länger arbeiten zu lassen, brauchen wir flexiblere Lösungen". Wer etwa ein Leben lang in körperlich oder psychisch anstrengenden Berufen gearbeitet habe, müsse früher in Rente gehen können, und zwar ohne Abschläge auch schon mit 63. Das jetzige System sei "nicht fair", kritisierte die VdK-Präsidentin. Nötig sei eine Aufwertung geringerer Renten, und zwar über die gerade eingeführte Grundrente hinaus, die aber ein richtiger Schritt gewesen sei. Deutlich Verbesserungsbedarf gebe es aber auch bei den Erwerbsminderungsrenten. Wer 2020 erstmals eine Erwerbsminderungsrente bezogen habe, habe im Schnitt nur 882 Euro monatlich zur Verfügung.

Der VdK tritt zudem dafür ein, Arbeiter, Angestellte und Selbständige, aber auch Beamte in einer Rentenkasse zu vereinen - so wie in Österreich. Beamte, die vorzeitig in Pension gehen, so Bentele, könnten derzeit nicht unter 1761 Euro monatlich fallen. Für viele andere ist das unerreichbar. Die Tatsache, dass Beamte länger leben, führte dazu, dass sie in einer gemeinsamen Rentenkasse finanziell keinerlei Entlastung brächten. In Österreich jedenfalls wurden ihre Ansprüche schrittweise angeglichen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: