"Nudes - Nackt im Netz" im Ersten:Nackte Angst

Nudes - Nackt im Netz

Ada (Anna Storeng Frøseth) verschickt Fotos von sich ins Netz.

(Foto: ARD Degeto/Wild Bunch Germany)

Was, wenn Nacktbilder ungewollt im Netz landen? Die norwegische Serie "Nudes" macht Angst - aber nicht bei den Opfern.

Von Dennis Müller

Sofias Albtraum beginnt vor einem Supermarkt nach einer wilden Partynacht. Der 16-Jährigen und ihren verkaterten Freundinnen kommen zwei Jungs entgegen. "Hey, ist das nicht die Prinzessin?", fragt einer. Prinzessin? So hat sie der Junge von gestern genannt, als sie in einer Gartenlaube Sex hatten. Woher wussten die beiden das?

Was der Verlust der Intimsphäre bedeutet und wie es sich anfühlt, vor seinem kompletten Umfeld bloßgestellt zu werden, das erzählt die norwegische Coming-of-Age-Serie Nudes - Nackt im Netz, am Dienstagabend im Ersten und danach in der ARD-Mediathek. In zehn 20-minütigen Folgen geht es um drei in sich geschlossene Geschichten. Die mit einem norwegischen Fernsehpreis ausgezeichnete Serie stammt vom Sender NRK, der zuletzt mit Skam bereits ein gutes Händchen für Teenie-Stoffe bewiesen hat.

Teenager können es bei dieser Serie mit der Angst zu tun bekommen

Sofia (Lena Reinhardtsen) wurde heimlich beim Sex gefilmt, am Montag kennt das Video die ganze Schule. Schülersprecher Viktor (Tord Kinge) wird angezeigt, er soll Sex-Aufnahmen, die er ohne Wissen einer Minderjährigen gemacht hat, ins Netz gestellt haben. Die dritte Geschichte dreht sich um die 14-jährige Ada (Anna Storeng Frøseth), die sich in einer Dating-App als älter ausgibt und schließlich mit Nacktfotos erpresst wird.

In Norwegen ist es verboten, Nacktbilder von einer anderen Person in sozialen Medien zu teilen. Trotzdem zielen Kampagnen, Kinder und Jugendliche über die Gefahren von Sexting aufzuklären, meist nur darauf ab, dass sie solche Fotos von sich gar nicht erst anfertigen sollen. Klar, wenn es keine Bilder gäbe, wären da auch keine Menschen, die sie unerlaubt weiterleiten. Das ist jedoch einerseits unrealistisch, wenn laut einer Studie von 2018 jeder siebte Teenager regelmäßig sexuell chattet. Andererseits behandeln diese Kampagnen meist keine Fälle, in denen die abgebildeten Menschen gar nichts von den Nacktinhalten wissen.

Nudes schafft es, die Diskussion weg von den Opfern und hin zu den Tätern und all denen zu verlagern, die Nacktaufnahmen nicht aktiv melden, sondern sie auf dem Pausenhof still verbreiten. Den Opfern ist in langen Nahaufnahmen die Ohnmacht anzusehen, die sie fühlen, sobald ihre Bilder im Netz und damit nicht mehr in ihrer Kontrolle sind. Die stärkste der drei Teile ist dennoch die Täter-Geschichte von Viktor, weil er sich seiner Schuld gar nicht bewusst ist. Auf einer Party hat er die 17-jährige Miriam beim Sex gefilmt und die Aufnahmen anschließend bei Snapchat online gestellt. Nach Viktors Auffassung sind das gleich zwei mildernde Umstände: Erstens sei Miriam ja nur um ein Jahr jünger, zweitens würden die Inhalte bei Snapchat ja direkt wieder verschwinden. Dass ihn das vor einer Verurteilung nicht schützt, überrascht Viktor - und mit ihm bestimmt viele Teenager, die sich in solchen Fällen ebenfalls in Sicherheit wiegen.

Ebenfalls gelungen sind die Stellen, an denen die Täter-Opfer-Umkehr offensichtlich wird, mit der sich Geschädigte von Sexualdelikten häufig konfrontiert sehen. Während Sofia nach der Veröffentlichung des Videos als Flittchen gilt, wird ihr Sexpartner in der Schule bejubelt. Ja, Teenager können es mit der Angst zu tun bekommen, wenn sie Nudes schauen. Aber sie werden vielleicht in Zukunft etwas vorsichtiger sein.

Nudes - Nackt im Netz, zehn Folgen, ARD, 22.50 Uhr, danach in der ARD-Mediathek.

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