Haftpflicht:Amazon macht jetzt auf Versicherung

Drohnenflug im Englischen Garten in München, 2018

Wer eine Drohne bei Amazon bestellt, dem liefert der Online-Versender die entsprechende Haftpflichtdeckung gleich mit.

(Foto: Stephan Rumpf)

Der Online-Händler sorgt sich um Schäden, die von defekten Produkten angerichtet werden. Deshalb sollen die Händler Haftpflichtversicherungen abschließen - und Amazon regelt ganz nebenbei die Bedingungen.

Von Nina Nöthling, Köln

Der Online-Händler Amazon macht einen großen Schritt in Richtung Versicherungsmarkt. In den USA hat das Unternehmen den Amazon Insurance Accelerator ins Leben gerufen, mit dessen Hilfe Kunden gegen Sach- oder Personenschäden abgesichert werden, wenn defekte Produkte sie verursachen. Zu den Partnern gehören indirekt der Münchener Rückversicherer Munich Re und der Großmakler Marsh.

In den Chefetagen der großen Versicherer kommt die Nachricht nicht gut an. Denn sie haben gehörigen Respekt vor den Internet-Giganten. Amazon, Google, Microsoft und Apple haben riesige Datenmengen über ihre Kunden - und können damit auch umgehen und nehmen Versicherern den direkten Kontakt zum Kunden ab. Wer sich für einen Hauskauf interessiert, dem kann Google problemlos eine Gebäudeversicherung anbieten, wer eine Drohne bei Amazon bestellt, dem liefert der Online-Versender die entsprechende Haftpflichtdeckung mit.

Amazon hat schon eine Reihe von Vorstößen in Richtung Versicherung gemacht: Der Konzern arbeitet als Versicherungsmakler in Indien. Zusammen mit Berkshire Hathaway und J.P. Morgan gründete der Online-Händler 2018 einen Krankenversicherer in den USA, der aber nach drei Jahren wieder aufgelöst wurde. Außerdem bietet Amazon schon länger mit Hilfe von Versicherern Garantieverlängerungen an.

Schadenersatz und damit verbundene Klagen sind ein großes Thema

Doch jetzt wird es ernst. Amazon mischt sich direkt in die Haftpflichtversicherung für die Händler ein. Wer bei Amazon eine Bohrmaschine kauft und sich verletzt, weil die Maschine defekt ist, will Schadenersatz. Dasselbe gilt, wenn ein fehlerhaftes Spielzeug zu einem Feuer führt. Schadenersatz und damit verbundene Klagen sind ein Riesenthema, nicht nur in den USA. Die Versicherung von Firmen gegen solche Ansprüche ist hochaktuell.

Amazon will die Anspruchsstellung erleichtern. Wer künftig über den Online-Marktplatz ein Produkt gekauft hat, das einen Schaden hervorruft, kann sich direkt an den Konzern wenden, nicht wie bisher an den Händler, der die Ware verkauft hat. Schäden bis 1000 Dollar (851 Euro) übernimmt Amazon selbst, ohne dafür von den Händlern eine Rückerstattung zu verlangen. Bisher gilt das nur für Kunden in den USA, aber Amazon will das Angebot ausweiten.

Damit die Garantie greift, müssen die Händler jedoch eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen haben. Der Konzern macht sehr genaue Vorgaben, was die Police umfassen muss. Unter anderem muss die Deckungssumme mindestens 1 Million Dollar betragen, der Selbstbehalt, den die Händler zahlen müssen, darf nicht höher als 10 000 Dollar sein.

Dafür hat das Unternehmen den Amazon Insurance Accelerator ins Leben gerufen, ein Netzwerk aus Versicherern, über das Amazon den Händlern die Haftpflichtversicherung anbietet. Die bekannten Gesellschaften Munich Re, Chubb und Hiscox machen schon mit. Der Großmakler Marsh hat die Policen nach Amazons Vorgaben angepasst. Damit macht Amazon einen großen Schritt in Richtung Versicherungsvermittlung und spielt seine Marktmacht aus: Der Konzern stellt nämlich präzise Regeln auf, wie sich die Versicherer verhalten müssen.

Amazon will die Fäden in der Hand halten

Schäden über 1000 Dollar sollen die Versicherer der Händler selbst abwickeln. Doch Amazon behält sich vor, einen Schaden noch einmal zu überprüfen, wenn der Versicherer die Zahlung abgelehnt hat. Ist der Online-Riese davon überzeugt, dass eine Schadenzahlung angebracht ist, entschädigt er selbst den Kunden und holt sich dann das Geld vom Versicherer zurück.

Auch wenn eine Gesellschaft einen Schaden nicht schnell genug bearbeitet, kann Amazon eingreifen und selbst die Schadenabwicklung übernehmen. Die Versicherer haben 30 Tage Zeit, einen Schaden abzuwickeln. Damit setzt Amazon selbst die Standards für die Schadenabwicklung, ein Kern des Geschäftsmodells der Versicherer.

Dennoch beteiligen sich Gesellschaften am Insurance Accelerator: Sie glauben zu Recht, dass sie über Amazon einen gewaltigen Markt für das lukrative Geschäft mit kleinen und mittleren Unternehmen gewinnen können. Dafür nehmen sie in Kauf, dass sie nur noch Zulieferer sind und sich genau an Amazons Regeln halten müssen.

Zu den Grundprinzipien des Online-Händlers gehört es, Entwicklungen zu skalieren und einmal erprobte Techniken für weitere Regionen und Angebote zu nutzen. Deshalb ist es sehr wahrscheinlich, dass die Truppe von Amazon-Chef Jeff Bezos schon bald den Insurance Accelerator auch in anderen Ländern antreten lässt - und das Angebot erweitert. Dann könnten auch Policen für Privatkunden und Angebote für Unternehmen, die über den Haftpflichtschutz hinausgehen, per Mausklick bestellt werden.

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