Katastrophen-Alarmsystem:Warnung unter jeder Nummer

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Auf der Straße sind Warnsignale kaum zu übersehen, doch das Handy bleibt ohne App oder Internet bisher stumm. (Foto: Christoph Hardt/Imago)

Die Flut offenbarte die Schwächen des Katastrophen-Alarmsystems. Künftig sollen im Notfall alle Mobiltelefone eine Nachricht erhalten - auch ohne App oder Internet. Die Frage ist: Warum erst jetzt?

Von Jonah Wermter, Berlin

Als die Wassermassen in der Nacht des 14. Juli durch die Eifel-Gemeinden von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen rollten, wurden die meisten Anwohnenden davon überrascht - nur wenige wurden von Warn-Apps über die drohende Gefahr informiert. Um bei zukünftigen Katastrophen möglichst viele Menschen zu erreichen, hat das Bundeskabinett am Mittwoch den rechtlichen Rahmen für die Einführung eines "Cell Broadcast System" (CBS) beschlossen. Darüber können Warnungen direkt an alle Mobilfunkgeräte im Empfangsbereich eines Funkmastes geschickt werden - ganz ohne App, Internet oder Handynummern. Das Telekommunikationsgesetz verpflichtet künftig alle Betreiber von Mobilfunknetzen, ein solches CBS einzuführen.

Das aktuelle Warnsystem, das im Wesentlichen auf Apps wie "Nina" des Bundesamts für Bevölkerungs- und Katastrophenschutz oder "Katwarn" des Fraunhofer-Instituts beruht, war im Nachgang der Flut in die Kritik geraten. Die Apps würden nur von einer Minderheit in Deutschland genutzt und bräuchten zudem stets eine aktive Internetverbindung, erklärt der Digitalverband Bitkom. Auf manchen Smartphones müssen die Benachrichtigung zudem erst aktiviert werden. Hinzu kam, dass gerade im stark getroffenen Landkreis Ahrweiler die Menschen erst zu spät und dann nur über Katwarn, nicht aber über Nina gewarnt wurden.

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Bundesinnenminister Horst Seehofer, aus dessen Ressort die Initiative für die Gesetzesneuerung kam, sagte am Rande der Kabinettssitzung: "Die Warnung der Bevölkerung muss klappen, auf allen Kanälen. Wenn man nachts geweckt wird, muss man sofort wissen, was passiert ist und wie man sich verhalten soll. Die Einführung von Cell Broadcast wird Sirenen, Apps und den Rundfunk ergänzen."

In vielen anderen Staaten gibt es das System schon lange

Das CBS soll umfassender und einfacher funktionieren als das bisherige System. Sobald im zentralen "Modularen Warnsystem" eine Meldung eingeht, wird diese an die Funkmaste im betroffenen Gebiet ausgespielt. Die senden dann für die Dauer der Warnung kontinuierlich ein Signal an alle SIM-Karten, die sich im Empfangsgebiet befinden. Versendet werden darüber Texte in begrenzter Länge, die bei Smartphones wie Push-Mitteilungen, bei älteren Mobiltelefonen wie SMS aussehen. Auch Alarmtöne können aktiviert werden, selbst wenn Handys stummgeschaltet sind.

Das Signal ähnelt dabei eher einem Rundfunk- als einem SMS-Signal, da keine rückverfolgbare Verbindung zu einzelnen SIM-Karten hergestellt wird. Datenschutzbedenken gibt es also keine. In vielen EU-Staaten, aber auch in den USA und Japan gibt es das System seit Langem. Die technischen Voraussetzungen existieren bereits seit 1999 und sind in allen Mobilfunkstandards seit 2G integriert.

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Dass Cell Broadcast in Deutschland erst jetzt eingeführt wird, hat offenbar politische Gründe. Einem Medienbericht zufolge stand bisher das Bundeswirtschaftsministerium auf der Bremse, weil es die Netzbetreiber nicht mit weiteren Auflagen habe belasten wollen.

Umso schneller soll es jetzt gehen. Noch in dieser Legislaturperiode soll die Gesetzesänderung Bundestag und Bundesrat durchlaufen. Bis zum Herbst nächsten Jahres könnte das System einsatzbereit sein, heißt es aus Ministeriumskreisen. Die Investitionskosten von bis zu 40 Millionen Euro soll der Bund tragen, ebenso wie die Instandhaltungskosten von bis zu 3 Millionen Euro pro Jahr.

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