Prozess in Ebersberg:Wenn Corona-Leugner vor Gericht stehen

Amtsgericht Ebersberg - Symbolbilder

In Ebersberg wurde ein führender Kopf der örtlichen Corona-Leugner-Szene verurteilt.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ein 40-Jähriger platzierte antisemitische Plakate an mehreren Geschäften im Landkreis Ebersberg - und wurde nun wegen Volksverhetzung in fünf Fällen schuldig gesprochen.

Von Andreas Junkmann, Ebersberg

"Juden werden hier nicht bedient" stand auf den Schildern zu lesen, die Ende Oktober vergangenen Jahres an mehreren Geschäften im Landkreis Ebersberg ausgehängt waren. Doch nicht etwa deren Inhaber waren für dieses antisemitische Statement verantwortlich, sondern ein 40-jähriger Grafinger, der ein führender Kopf der örtlichen Corona-Leugner-Szene ist und als solcher bereits mehrere Demonstrationen in der Region organisiert hat. Heimlich hatte der Mann die Schilder an den Eingangstüren der Läden angebracht, nun musste er sich dafür vor dem Ebersberger Amtsgericht verantworten - und wurde wegen Volksverhetzung in fünf Fällen schuldig gesprochen.

An zwei Metzgereien und einem Biomarkt in Grafing sowie an einer Bäckerei-Filiale in Glonn hatte der Mann seine Plakate im DIN-A5-Format platziert. Kurz darauf tauchten Bilder davon auch in einschlägigen Chatgruppen auf, unter anderem in dem mehr als 5000 Mitglieder umfassenden Telegram-Kanal "Querdenker 089". Auch die Verbreitung der Inhalte in den sozialen Netzwerken warf die Staatsanwältin dem arbeitslosen Grafinger am Donnerstagnachmittag vor. Dessen Taten seien nicht nur eine Verunglimpfung von Menschen aufgrund ihres Glaubens. Sie seien auch dazu geeignet gewesen, das politische Klima in der Bevölkerung anzuheizen, sagte die Juristin.

Das Plakat mit der antisemitischen Aufschrift hatte sich der Mann zuvor aus dem Internet heruntergeladen. Es handelt sich dabei um eine Fotografie eines Schildes aus den Dreißigerjahren, das heute zur Sammlung des Jüdischen Museums in Berlin gehört. Die laminierten Ausdrucke platzierte der Mann an eben jenen vier Geschäften, die er keineswegs zufällig ausgewählt hatte, wie sich im Laufe der Verhandlung zeigen sollte. Sein Handeln, das der Staatsanwältin zufolge das Potenzial hatte, das allgemeine Vertrauen in die Rechtssicherheit zu gefährden, ließ der Angeklagte über seinen Verteidiger wie folgt erklären: An besagten Geschäften seien Hinweise angebracht gewesen, wonach Personen ohne Mund-Nasenschutz dort nicht bedient werden - selbst wenn der Kunde ein entsprechendes Attest zur Befreiung vorweisen kann. Sein Mandant habe das als "unzumutbare, menschenverachtende Diskriminierung" empfunden.

Von einer möglichen antisemitischen Intention wollte auch der Angeklagte selbst nichts wissen. Auf Nachfrage von Richterin Vera Hörauf gab er an, "Mitglied einer freiheitsliebenden Gruppe" zu sein. Ob, wie zunächst von der Polizei angenommen, auch noch weitere Personen an der Plakataktion beteiligt waren, wollte er vor Gericht nicht sagen. Die Idee dafür habe jedenfalls er selbst gehabt. Ansonsten aber gab sich der Mann auf der Anklagebank eher als Opfer, denn als Täter aus. Er sei selbst per Attest von der Maskenpflicht befreit und wolle deshalb nicht benachteiligt werden. Mit dieser, wie er sagte, "Kunstform" habe er auf eben jenen Missstand hinweisen wollen. "Eine Diskriminierung wie vor 90 Jahren darf nicht mehr passieren", zog er schließlich den Vergleich zwischen dem Tragen von Schutzmasken und der Judenverfolgung im "Dritten Reich".

"NS-Verharmlosung ist bei den sogenannten Corona-Rebellen fast schon gang und gäbe", sagte dagegen Florian Rieder von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Bayern, nachdem die Plakatierungsaktion im Landkreis bekannt geworden war. Es handele sich um "eine unerträgliche Gleichsetzung der heutigen Demokratie mit dem diktatorischen Faschismus", so der Extremismus-Experte damals. Der Angeklagte allerdings versuchte seine Aktion als Satire zu rechtfertigen, die vom Recht der freien Meinungsäußerung gedeckt sei - eine Sichtweise, die er mit Ausnahme seines Anwalts Frank Miksch im Gerichtssaal exklusiv hatte.

Die Plakataktion sei "eine Verhöhnung von Juden und hat mit Satire nichts mehr zu tun"

Letzterer ist selbst kein Unbekannter in der Szene. Der Jurist aus Fürth war einst Aktivist bei der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" und vertritt heute vorwiegend Klientel aus dem rechten Spektrum. Zuletzt etwa eine in der Neonazi-Szene aktive Heilpraktikerin, die laut Urteil des Oberlandesgerichts München Anschläge auf Politiker oder Menschen des muslimischen Glaubens vorbereitet hatte.

Miksch sagte nun in seinem Plädoyer, die Plakate in Grafing und Glonn seien keineswegs antisemitisch gemeint gewesen, "sie sind sogar judenfreundlich". Stattdessen seien die Hinweise an den Geschäften, auch von der Maskenpflicht befreite Kunden nicht bedienen zu wollen, "eine gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit". Die Aktion seines Mandanten hingegen sei "praktizierte Meinungsfreiheit und keine Hetze gegen Juden". Er forderte, den Angeklagten freizusprechen.

Zuvor hatte die Staatsanwältin für eine saftige Geldstrafe plädiert. Dieser Forderung folgte Richterin Hörauf. Die Plakataktion sei "eine Verhöhnung von Juden und hat mit Satire nichts mehr zu tun", sagte die Vorsitzende. Sie verurteilte den Grafinger zu einer Geldstrafe von insgesamt 8100 Euro. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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