Bundestagswahl im Landkreis München:Der Dauerkandidat

Bundestagswahl im Landkreis München: Axel Schmidt ist weit herumgekommen in der Welt. Seit vier Jahren wohnt er wieder in dem Haus in Oberhaching, das er 2007 mit seiner Familie gebaut hat.

Axel Schmidt ist weit herumgekommen in der Welt. Seit vier Jahren wohnt er wieder in dem Haus in Oberhaching, das er 2007 mit seiner Familie gebaut hat.

(Foto: Claus Schunk)

2020 wollte der oberbayerische FDP-Vorsitzende Axel Schmidt Bürgermeister von Oberhaching werden. Nun bewirbt er sich um ein Bundestagsmandat - zum zweiten Mal nach 1994.

Von Iris Hilberth, Oberhaching

Möglicherweise reiben sich manche Wähler in Oberhaching verwundert die Augen. Ist das jetzt eine Erinnerungstäuschung, ein klassisches Déjà-vu? Die Plakate für die Bundestagswahl hängen, und wenn man sich die Poster von der FDP so anschaut, fragt man sich: Er schon wieder? Ja, er schon wieder. Axel Schmidt, der Dauerkandidat. Erst bei der Bürgermeisterwahl im vergangenen Jahr, jetzt bei der Abstimmung für Berlin. "Ich liebe Wahlkampf", sagt er, mit einer Begeisterung in der Stimme, dass keiner auf die Idee kommen würde, das in Frage zu stellen. Und er mag Veränderung. Deshalb könnte er sich Berlin auch gut vorstellen. Dass seine Chancen ähnlich dürftig sind wie bei der Kommunalwahl, schmälert Schmidts Motivation kaum. "Es geht auch darum, Alternativen aufzuzeigen", sagt er, "die Demokratie lebt davon."

In seinem Gartenhaus in Oberhaching, das man sich eher wie eine lässige Lounge vorstellen muss, lässt sich unschwer erkennen, dass Veränderung und die Freiheit des Ortswechsels in seinem Leben schon immer eine Rolle gespielt haben. Allerlei Autokennzeichen aus verschiedenen Ländern hängen dort an der Decke. Schmidt ist in den vergangenen Jahren sieben Mal umgezogen, hat in Amerika gelebt, in Italien und in der Steiermark, hat 70 Länder bereist, war viel mit dem Wohnmobil unterwegs, denn er sagt: "Erfahrung kommt von fahren." Seit vier Jahren ist er zurück in Oberhaching, wo er mit seiner Frau und den beiden inzwischen erwachsenen Kindern 2007 ein Haus gebaut hatte, bevor seine Firma ihn wieder nach Amerika schickte.

Ein Kind des Landkreises

Und doch ist Axel Schmidt ein Kind des Landkreises München. Er ist in Ottobrunn zur Schule gegangen, dort begann er auch, sich politisch zu engagieren. In der Schüler-Union. Das war 1982, Schmidt war gerade mal 14 Jahre alt und verfolgte interessiert das Misstrauensvotum gegen den damaligen SPD-Kanzler Helmut Schmidt. Auch der Strauß-Wahlkampf zuvor hatte ihn bereits beschäftigt, er wollte politisch mitmischen. "Die einzige Chance sah ich damals bei der Schüler-Union", gibt er zu. Lange dauerte die Liaison mit der Nachwuchsorganisation der CSU aber nicht.

Nachdem er gemeinsam mit Vertretern anderer politischer Jugendorganisation wie den Jusos vor dem Gymnasium Flugblätter verteilt hatte, die Mitschüler zu einem politischen Engagement aufforderten, musste er die Schüler-Union wieder verlassen. Parteiübergreifendes Engagement, wie er es heute noch schätzt, war damals nicht gefragt. Es folgten Jahre als Schülersprecher und die Teilnahme an Demos gegen die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf. "Man sortiert sich als junger Mensch", sagt Schmidt. Zur FDP fand er als Student dann durch Hildegard Hamm-Brücher. "Es war eine Offenbarung, diese Frau zu erleben", beschreibt der heute 53-Jährige die Begegnung mit der Grande Dame der Freien Demokraten bei einer Veranstaltung zu Ehren der Widerstandsgruppe Weiße Rose.

Es war nicht nur die ergreifende Rede, die Hamm-Brücher damals gehalten hatte, es war auch ihre Art, die Axel Schmidt faszinierte. Gut erinnert er sich noch an ein Erlebnis mit der FDP-Politikerin nach der Veranstaltung. "Wir standen spät abends an einer roten Fußgängerampel, die Kreuzung war leer. Da sagte sie: Jetzt sind wir mal liberal und gehen rüber." Dass sie Regeln infrage stellte, gefiel ihm. Auch er ist dafür, Regeln zu brechen, wenn sie überflüssig sind. "Was aber nicht heißen soll, dass ich mit dem Auto über eine rote Ampel fahren würde", stellt er klar. Aber gewisse Verbote ergäben einfach keinen Sinn, Cannabis zum Beispiel sollte seiner Meinung nach legalisiert werden. "Dafür habe ich 1992 schon gekämpft, und ich hätte es gerne als Politiker erlebt, wenn dieses Verbot aufgehoben wird."

Schmidt spricht im Konjunktiv. Denn er macht sich nichts vor: Die Wahrscheinlichkeit, im September in den Bundestag einzuziehen, ist äußerst gering. Als Direktkandidat sind seine Chancen eh verschwindend klein, aber auch seine Platzierung auf der Liste ist wenig vielversprechend. Platz 13 oder 14 hatte er sich erhofft und jeweils knapp die Abstimmungen in der Aufstellungsversammlung verloren. Rang vier wie sein Vorgänger als Direktkandidat, der 2019 verstorbene langjährige Bundestagsabgeordnete Jimmy Schulz, hatte er eh nicht anvisiert. Er wollte Jüngeren und einigen Frauen gerne den Vortritt lassen. Dass es letztlich nur Platz 21 wurde, war aber eine herbe Enttäuschung. 17,6 Prozent müsste seine FDP einfahren, damit es doch noch was werden könnte mit dem Bundestagsmandat.

Demotivieren lässt Schmidt sich dadurch nicht. Dass seine ursprüngliche Konkurrentin von der SPD, Bela Bach, in einer ähnlichen Lage das Handtuch geworfen hat, versteht er nicht. Allerdings ist Schmidt in der komfortablen Situation, dass er beruflich viel erreicht hat. Als Diplom-Kaufmann hat er die mittlere Führungsebene beim Chemiekonzern Wacker längst erklommen und ist so zufrieden mit seinem Job, dass er nicht darauf angewiesen ist, ein Mandat zu erringen. "Ich wäre gerne nach Berlin gegangen, aber mit einem weinenden Auge", gibt er zu. Genügend Gestaltungsmöglichkeiten sieht er auch als Bezirksvorsitzender seiner Partei.

1994 hat Schmidt schon einmal für den Bundestag kandidiert. Auch damals hat es nicht geklappt. Aufgeben ist aber etwas, das für ihn nicht in Frage kommt. Sich reinhängen, Willen zeigen, Leistung bringen sind schon immer die Eigenschaften, die ihn antreiben. Was seine Kandidaturen betrifft, natürlich auch die Lust daran, mitzureden, Argumente auszutauschen, Politik zu machen. Dabei hat er sich auch immer die Fähigkeit bewahrt, anzuerkennen, wenn es einer gut macht, auch wenn der von einer anderen Partei kommt. "Bürgermeister Stefan Schelle ist ein guter Bürgermeister", sagt er etwa. Trotzdem ist er gegen den CSU-Politiker angetreten. Weil ihm die Vielfalt im Angebot wichtig ist.

Politik sei für ihn kein Beruf, sondern eine Leidenschaft, sagt Schmidt. Er finde es richtig, wenn Amtszeiten von Politikern zeitlich begrenzt werden, wenn es Lobbyregister gibt und wenn der Bundestag verkleinert wird. Vor allem sollten dort nicht nur Polit-Profis sitzen, sondern auch unabhängige Quereinsteiger. So wie er einer wäre.

Seine Ideen hat Schmidt in einem Zwölf-Punkte-Programm zusammengefasst. Mut zu Neuem nennt er das. Die Regierung sei gelähmt, und auch das Parlament könne neue Sichtweisen sehr gut gebrauchen, findet er: "Vor allem brauchen wir mehr Geschwindigkeit." Deutschland sei überreguliert. In anderen Ländern sei es zum Beispiel viel einfacher, Firmen zu gründen als in Deutschland. "Bei uns ist alles extrem komplex und abschreckend." Leistung muss sich mehr lohnen, findet er. Das betrifft für ihn die Besteuerung genauso wie allgemein Fleiß und Talent. "Fleiß muss wichtiger sein als Herkunft", sagt er. Was er überhaupt nicht leiden könne, sei Faulheit. Er sieht die FDP keineswegs als Partei der Besserverdienenden, sondern als Partei der Leistungswilligen und Leistungsträger. Wer Hilfe benötige, dem müsse allerdings auch geholfen werden, betont Schmidt.

Sollte er den Landkreis München im Bundestag vertreten dürfen, dann steht das Thema Wohnraum oben auf seiner Agenda. Im Nordosten der Region sieht Schmidt noch einiges Potenzial, um neuen Wohnraum zu schaffen und Druck aus dem Markt herauszunehmen. Auch müsse mehr auf Genossenschaften und Erbpacht gesetzt werden, findet er. Zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur könnte er sich Schienen entlang des Autobahnrings A 99 vorstellen, und die Bildungssysteme in Deutschland sind ihm viel zu unterschiedlich. Eines aber treibt ihn im Wahlkampf besonders an: "Ich will verhindern, dass Deutschland rot-rot-grün wird", sagt er.

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