Historische Fahrzeuge:Heilig's Blechle

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Stolze Besitzer liebevoll gepflegter Oldtimer. (Foto: Claus Schunk)

Die Oldtimer-Freunde in Kirchheim bringen mit Liebe zum Detail Ikonen der Automobil-Geschichte zum Glänzen.

Von Claudia Wessel, Kirchheim

Auf Jürgen Brechts Polo-Shirt prangt an der Stelle, an der ansonsten oft ein Krokodil zu sehen ist, das Abbild eines VW Bus T2B, Baujahr 1978. Es ist derzeit noch einer seiner verbliebenen Oldtimer und selbst das nicht wirklich. Denn damit unterwegs sind meist seine Tochter und sein Schwiegersohn. Erst vor Kurzem waren sie in Frankreich und brauchten mal wieder, wie schon so oft, eine Ferndiagnose. Denn der Bully blieb plötzlich stehen und sie konnten kein Gas mehr geben.

Maschinenbauingenieur Brecht und Ingenieur für Mess-und Regelungstechnik Hans-Peter Hartmann sitzen im Café in Heimstetten. Beide tragen ihre "corporate identity", wie Hartmann sagt, auch auf ihren Polo-Shirts. Hartmann hat an der Stelle des Krokodils das Logo der "Oldtimer-IG-Kirchheim". Die beiden Herren, 71 und 77 Jahre alt, sind sozusagen deren "Präsidenten". So jedenfalls werden sie von den gut 30 Mitgliedern genannt (die übrigens zusammen derzeit 56 Fahrzeuge ihr eigen nennen), obwohl sie keine Präsidenten sind. Denn die Oldtimer-Fans von Kirchheim haben im Jahr 2002 mit Absicht keinen Verein gegründet, in dem es allerlei Vorschriften und Funktionen gibt, sondern eine Interessengemeinschaft. Und eine solche hat eben nur gleichberechtigte Mitglieder. Was allerdings nicht heißt, dass es nicht doch Leute gibt, die irgendwie vorangehen. Und das sind eben Brecht und Hartmann.

Die Mitglieder haben sich während der Pandemie kaum gesehen

Gut eineinhalb Jahre haben sich die Mitglieder in der Coronakrise fast gar nicht gesehen, dann folgten zwei virtuelle und eine Präsenzveranstaltung. Jetzt haben sie ihre monatlichen Club-Abende wieder gestartet. Jeden zweiten Donnerstag treffen sie sich im Neuwirt in Kirchheim. Und sie würden sich freuen, wenn sich dort auch reichlich Nachwuchs einfinden würde. Denn an diesem mangelt es nach Auskunft der beiden. Wobei sie unter Nachwuchs 40- bis 60-Jährige verstehen. Auch derzeit ist das jüngste Mitglied knapp 40, das älteste an die 80. "Die jungen Leute interessieren sich nicht mehr für alte Autos", klagt Hartmann. Was weder er noch Brecht verstehen können.

Entstanden ist die IG im Jahr 2002 nach einem Aufruf, den Hartmann im Kirchheimer Blättchen veröffentlicht hat. Er war seinerzeit eigentlich Sammler von kleinen Spielzeugautos. Als er aber 1977 nach München versetzt wurde, kaufte sich ein Kollege von ihm einen roten Triumph tr 6. Hartmann war begeistert. Als die Werkstatt des Kollegen einen grünen Triumph tr 6 zu verkaufen hatte, schlug er zu. Und damit war er dann Oldtimer-Fan.

Die Mitglieder der Oldtimer IG Kirchheim zeigen ihre knapp 56 Fahrzeuge. (Foto: Claus Schunk)

Brechts erster Oldtimer war ein BMW 1600 2 Vollcabriolet, das er im Jahr 1980 erwarb. Er war Baujahr 1968, Brecht restaurierte ihn und fuhr ihn dann sechs Jahre lang. Als er mit seiner Frau ein Haus baute, verkaufte er ihn. Doch schon bald ging's zurück zur Oldtimer-Leidenschaft. Bei ihm war es ein Schweizer Kollege, der ihn in Versuchung führte. "Er sagte, er hätte da einen tollen MGB", berichtet Brecht. Farbe: Blutorange. "Der Preis war so toll, dass ich ihn mir gleich bringen ließ." Nur 12 000 Mark kostete das gute Stück. "Den hab ich dann erst mal zerlegt und dann neu gemacht."

Zerlegt heißt nicht in 1000 Einzelteile, aber auf jeden Fall brauchte der Wagen neue Sitze, überhaupt die Innenausstattung, auch der Lack war ausgeblichen. Die Farbe blieb natürlich Blutorange. "Das Wichtigste beim Restaurieren eines Oldtimer ist, den Originalzustand nie zu verlassen", betont Brecht. Also nie die Farbe wechseln oder etwa den Motor austauschen. "Denn das ist wertmindernd." Brecht hat 20 Oldtimer restauriert in seiner Laufbahn als Fan, unter anderem drei Porsche, einen MGB, einen MGA, einen VW Käfer, einen Autobianchi A 112, einen Fiat 500. Je nach Typ investierte er 500 bis 1200 Arbeitsstunden in ein Auto. Auch den Bully, den jetzt seine Tochter fährt, hat er restauriert, in insgesamt 2000 Arbeitsstunden. Bis vor fünf Jahren besaß er gleichzeitig sechs verschiedene Modelle, hatte neun Garagenplätze gemietet. Inzwischen - "das Alter" - hat er alles reduziert. Auch die Hebebühne, die er mal in seiner Garage hatte, hat er verkauft.

Auch Hartmann hat einmal ein Mini Cabrio restauriert, sein einziges Mal. Es dauert ein Dreivierteljahr. "Und dann bin ich kaum gefahren." Dabei ist er eigentlich laut eigener Aussage eher einer, der fährt als einer, der restauriert. Er hat dafür immer noch fünf Fahrzeuge.

Das Beste an einem Oldtimer ist natürlich, dass ein altes Auto keine Elektronik besitzt. "Das ist der Schlüssel dazu", sagt Hartmann. "Man kann die Technik durchschauen und weiß, wo man hinlangen soll." Brecht weiß das sogar aus der Ferne, wie er erst kürzlich wieder bewiesen hat. Tochter und Schwiegersohn blieben in Frankreich liegen. Via Whatsapp gab Brecht Anweisungen. Erst mal sollte der Schwiegersohn prüfen: Klemmt der Gaszug? Ist am Gaspedal etwas verbogen? Klemmt das Vergasergestänge? Alles war nicht der Fall. "Dann ist es einer der beiden Vergaser", erklärte Brecht aus Kirchheim. Man solle den ADAC rufen und "hoffen, dass noch jemand von der Alten Schule kommt". Sie hatten mal wieder Glück, sagt Brecht. Heraus kam: Das Einspritzröhrchen der Beschleunigerpumpe war in den rechten Vergaser gefallen und "Gottseidank hängen geblieben", so Brecht. Weil die Drosselklappe verklemmt war, konnte man kein Gas mehr geben. Der französische ADAC-Mann hatte Ahnung und nach fünf Stunden kam die Whatsapp-Nachricht: "Wir fahren".

Allerdings hat Brecht noch ein Hühnchen zu rupfen mit der Werkstatt, die erst jüngst die Vergaser checkte. Der Fehler lag bei ihnen, weil sie das Röhrchen nicht richtig befestigt hatten.

Außer dieser Ferndiagnose für seinen Familien-VW-Bus zerlegt Brecht heute noch Sitze und füllt sie neu auf. Mit was? "Das ist ein Betriebsgeheimnis." Auf jeden Fall sei es ein Bindemittel, mit dem er zerbröselnde Gummihaarsitzauflagen wieder herstelle. Auch Lenkradspeichen, die verrostet oder zerkratzt sind, stellt er wieder her, indem er die mit Kunstharz ausspachtelt. Auch bei Rallyes ist Brecht schon mitgefahren. Er berichtet von einer, an der er mit einem Fiat 500 teilnahm, mit 23 PS. Doch da man auf unbefestigtem Boden fuhr, ging es ganz schön ab und seine Frau als Beifahrerin hatte zu kämpfen. "Sie rief immer: Bremsen, bremsen, und ich sagte 'Noch nicht, noch nicht'", erinnert sich Brecht. So oder ähnlich hat jedes der 30 Mitglieder der Kirchheimer IG sein besonderes Wissen um Oldtimer. Und jeder von ihnen liebt sein Fahrzeug oder seine Fahrzeuge.

Reiner Erhardt restauriert in seiner Garage einen Mercedes W143, Baujahr 1937, ein Erbstück von einem Kollegen. (Foto: Claus Schunk)

Josef Feichtner liebt den hellbraunen Ford P7

Und jeder kann begründen, warum es genau dieses Auto sein soll. Beim Fototermin in Heimstetten, als elf Karossen frisch poliert in der Sonne glänzen, tun das dann die Anwesenden. "Es ist einer der letzten mit dem Rolls Royce Rot", sagt etwa Reiner Ehrhardt, stolzer Besitzer eines Rolls Royce 2025, Baujahr 1933. Rot war das Emblem, solange Royce noch lebte. Am 20. April 1933 ist er gestorben. Vom 21. April 1933 an war das Emblem daher aus Trauer schwarz. Ludwig Bruckmeir liebt seinen Mercedes 280 SL Typ 107, Baujahr 1983. "Ich war 21, als das Auto rauskam. Damals hatte unser Nachbar so eines, er war ein reicher Mann. Und ich durfte manchmal mitfahren." Seit 20 Jahren fährt er sich nun selbst.

Andreas Hauptmann nennt ein IFA F8 Luxuscabriolet Sonderausführung Baujahr 1955 sein eigen. "Es gab davon nur 470 Stück", sagt er. Als er es kaufte, war es "Schrott", sagt er. Er hat es dann zwölf Jahre lang restauriert, "alles nach Feierabend". Jetzt glänzt es perfekt.

Gerd Maurer ist stolz auf seinen BMW 327 Baujahr 1940. "Der war damals technisch sehr weit voraus mit seinem Sechs-Zylinder-Motor und hydraulischen Bremsen." Als er ihn vor 20 Jahren erwarb, sah er "fürchterlich" aus. Er hat ihn auch selbst restauriert.

Josef Feichtner liebt den hellbraunen Ford P7, den er vom Opa seiner Frau geerbt hat. Seit 35 Jahren besitzt er ihn, fährt ihn aber erst, seit das Auto 30 Jahre alt war und ein H-Kennzeichen bekommen konnte. Als er ihn vom Opa übernahm, hatte er 24 000 Kilometer drauf, inzwischen sind es 60 000. Hinten auf der Hutablage steht auch noch ein echter original Wackeldackel von Feichtners Mutter. Hans-Peter Hartmann hat zum Fototermin seinen BMW E 30 Cabrio, Baujahr 1991 mitgebracht. Christian Evers seinen BMW V 8 502 a, Baujahr 1955. "Genau wie ich", sagt er. "Ich finde es faszinierend, dass alles daran original ist." Wolfgang Mayer fährt seit 30 Jahren den Porsche 911 targa, der bis 1976 seinem Bruder gehörte. Was ihm daran gefällt? "Der? Ach, das können Sie gar nicht sagen, das müssen Sie spüren. Der hat keine Servos, nix. Die einzige Elektronik ist die K-Jetronic Einspritzanlage."

Walter Christ mag es auf zwei Rädern, er besitzt seit 20 Jahren eine Moto Guzzi, Baujahr 1952. Was er daran liebt? "Die alte Technik, die Schwungscheibe da draußen und den Krach." Günter Schwindl besitzt einen giftgrünen Opel Diplomat B/5,4, Baujahr 1975. "Mein rollendes Sofa", sagt er verliebt. 1975 dagegen sei dies die schnellste Limousine Deutschlands gewesen. Jürgen Brecht ist mit seinem BMW 1802, Baujahr 1974, zum Fototermin erschienen. Dirk Baums BMW 2.5 CS, Baujahr 1974, war seinerzeit die Sparversion, die wegen der Energiekrise gebaut wurde. Es gab nur 844 Stück davon.

© SZ vom 21.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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