SZ-Pflegekolumne: Auf Station, Folge 16:Wenn man Patienten betreut, die man gut kennt

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Eine Kirtahutschn (Symbolfoto). (Foto: Florian Peljak)

Julia Rettenberger wird von ihrer Freundin gebeten, ein besonderes Auge auf deren Opa zu haben, bei dem die beiden früher auf der Kirtahutschn saßen.

Protokoll: Johanna Feckl

Als ich klein war, haben eine Freundin und ich ab und an auf dem Hof ihrer Großeltern gespielt, meistens auf dem Heuboden. Jedes Jahr an Kirta - "Kirchweih", wie der Nicht-Bayer sagt, - gab es auf dem Hof ein großes Fest. Meine Freundin und ich durften vor allen anderen kommen und schon mal loslegen mit dem Kirtahutschn, dem für dieses Fest traditionellem Schaukeln auf einem langen Baumstamm. Vor ein paar Monaten nun blinkte eine Nachricht auf meinem Handy, sie war von eben dieser Freundin, die noch heute zu meinen engsten zählt.

Ihr Opa war beim Apfelbaum-Zuschneiden von der Leiter gestürzt: mehrere gebrochene Rippen, Blut im Brustkorb, die Lunge lädiert. Es waren schwere Verletzungen, ein Über-80-Jähriger steckt so etwas nicht mehr ohne Weiteres weg. Meine Freundin bat mich, nach ihrem Opa zu sehen, denn er werde demnächst zu uns auf die Intensiv verlegt. Gleich zu Beginn meiner Schicht am nächsten Morgen bin ich zu ihm ins Zimmer - selbstverständlich.

Es war nicht das erste Mal, dass ein mir bekanntes Gesicht auf unserer Station liegt oder jemand aus dem Freundeskreis mich bittet, ein besonderes Auge auf einen unserer Patienten zu werfen. Wenn man wie ich in einer Klinik arbeitet, die relativ nahe zur Heimat und zum aktuellen Wohnort gelegen ist, dann passiert das zwangsläufig. Das geht jedem von uns Pflegekräften so.

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Protokoll: Johanna Feckl

Werde ich darum gebeten, dann übernehme ich natürlich die Versorgung. So hat die Familie einen Bezug zur Pflegekraft und fühlt sich meistens besser integriert in die Behandlung - und das ist viel Wert, wenn ein naher Angehöriger oder Freund schwer krank oder verletzt ist. Und für mich ist es ein zusätzlicher Ansporn, meinen Patienten so schnell und so gut wie möglich wieder fit zu bekommen.

Dabei ist freilich trotzdem klar: Meine Kolleginnen und Kollegen versorgen die mir bekannten Patienten ebenso gut - und das müssen sie auch, denn ich bin schließlich nicht rund um die Uhr im Dienst. Es sind kleine Dinge, die ich zum Beispiel bei der Versorgung des Opas meiner Freundin ein wenig anders gemacht habe als sonst. Sie können aber dafür sorgen, dass der Aufenthalt im Krankenhaus etwas angenehmer ist.

Zu dem Großvater habe ich mich zwischendurch öfter ins Zimmer gesetzt und mit ihm geratscht. Dadurch, dass wir uns kannten, konnte ich Punkte aufgreifen, wie sonst niemand auf der Station: Seine Frau, seine Familie - manchmal haben wir zusammen seine Enkelin, meine Freundin, angerufen - oder seine Arbeit als Landwirt und seinen Hof.

Als Kind bin ich gerne mit meiner Freundin auf diesem Hof gewesen. Hoffentlich konnte ich in den drei Wochen, in denen ihr Opa Patient bei uns war, zumindest ein bisschen etwas als Danke für diese schöne Zeit damals zurückgeben. Neulich erst haben wir uns auf einer Hochzeit getroffen. Ihm geht es mittlerweile wieder gut.

Julia Rettenberger ist Intensivfachpflegerin. In dieser Kolumne erzählt die 27-Jährige jede Woche von ihrer Arbeit an der Kreisklinik in Ebersberg. Die gesammelten Texte finden Sie unter sueddeutsche.de/thema/Auf_Station.

© SZ vom 23.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Die 27-Jährige berichtet immer Montags von ihrer Arbeit auf der Ebersberger Intensivstation. Über Beifall, blöde Sprüche oder Patienten, die doch wieder aufwachten.

Von Johanna Feckl

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