Arbeitsplätze bedroht:Klima-Aktivisten verbünden sich mit Bosch-Beschäftigten

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Mit Unterstützung von Klimagruppen kämpft die Belegschaft des Bosch-Werks in Trudering gegen die Schließung. (Foto: Alessandra Schellnegger)

250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern droht die Entlassung. Gemeinsam mit ihren Unterstützern fordern sie eine Umstellung der Produktion.

Von Sven Loerzer, München

Im Kampf gegen die drohende Schließung des Bosch-Werks in Trudering bekommt die Belegschaft, die bislang Einspritzventile und elektrische Kraftstoffpumpen für Verbrennungsmotoren fertigt, Unterstützung: Klima-Aktivisten sind den - auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinenden - Schulterschluss mit den 250 Beschäftigten eingegangen.

Das ungewöhnliche Bündnis eint aber nicht nur der Slogan: "Es geht um unsere Zukunft". Es fordert nun auch in einer Petition, die bereits mehr als die Hälfte des Personals unterschrieben hat, die Unternehmensführung auf, das Werk zu erhalten und die Produktion umzustellen. Die Klima-Aktivisten haben in gemeinsamen Runden mit Beschäftigten bereits eine Menge Ideen für eine klimafreundliche Produktion entwickelt, etwa die Herstellung von Wärmepumpen oder medizinischen Geräten.

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Eigentlich sei das ja die Aufgabe des Managements, die Fertigung anderer Produkte ins Werk zu holen, sagt Miyase Erdogan, die bereits seit 1987 in dem Bosch-Werk arbeitet. Zwölf Jahre lang, von 2005 bis 2017, hätten ihre Kolleginnen und Kollegen schon für einen Beschäftigungssicherungsvertrag auf Geld verzichtet. Bereits damals habe Bosch die Produktion in Billiglohnländer verlagern wollen, das stehe auch jetzt wieder im Raum. "Mit E-Autos hat das nichts zu tun."

Miyase Erdogan appellierte bei einem Pressegespräch vor dem Werkstor an Bosch, soziale Verantwortung zu zeigen: "Es sind viele junge Leute mit Kindern betroffen, was werden sie machen, wenn das Werk schließt?" Betriebsratsvorsitzender Giuseppe Ciccone bekräftigte: "Wir haben ein Anrecht auf Zukunft." Er setzt deshalb auf den Schulterschluss zwischen Belegschaft und Bevölkerung, um deutsche Arbeitsplätze zu erhalten, statt sie ins Ausland zu verlagern.

Dazu soll es, wenn es nach der Petition geht, auf gar keinen Fall kommen. Stattdessen solle das Werk künftig klimafreundliche Produkte produzieren, trug der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Ferhat Kirmizi die Forderungen vor. Er kritisierte, dass versucht werde, "unser Werk unter dem Deckmantel des Klimaschutzes zu schließen". Dabei gehe es nur um höhere Profite.

Dass das Ende fossiler Industrie mit Entlassungen gleichgesetzt wird, will auch die Aktivistin von "Klimaschutz und Klassenkampf" Mia, die ihren Nachnamen nicht nennen will, nicht hinnehmen. Den Kampf der Belegschaft für eine klimafreundliche Umstellung der Produktion wollen nach ihren Angaben auch die Gruppen Fridays for Future, Parents for Future und Extinction Rebellion unterstützen.

"Wenn Bosch seine Ankündigung wahr macht, bekommt es Bosch mit uns zu tun", erklärte Mia. Die Klimakrise dürfe nicht auf dem Rücken von Arbeitskräften ausgetragen werden. Klima-Aktivistin Laura, die ebenfalls nur ihren Vornamen nennt, hält es nach Gesprächen mit Beschäftigten für möglich, Teile von Wärmepumpen, Getriebeteile von E-Fahrrädern oder von medizinischen Geräten mit den Maschinen des Werks herzustellen. "Die Konzerne produzieren nicht das, was wir brauchen." Um den Forderungen Nachdruck zu verleihen, ist für Freitag, 3. September, 17 Uhr, eine gemeinsame Demonstration geplant, die am alten Gewerkschaftshaus an der Schwanthalerstraße starten soll.

Bosch-Sprecher Michael Kattau erklärte, der Markt für Komponenten von Verbrennungsmotoren sei rückläufig, kleine Standorte wie München seien wegen sehr hoher Fixkostenanteile nicht mehr wettbewerbsfähig. "Wir suchen gemeinsam mit der Arbeitnehmervertretung nach Lösungen, die sozial verträglich sind." Derzeit diskutiere man drei Szenarien, bei zwei davon steht die Verlagerung ins Ausland im Raum, beim dritten Szenario würde München zur "verlängerten Werkbank" des Nürnberger Betriebs. Diese Lösung sei aber "aus unserer Sicht nicht sinnvoll", weil sie nicht tragfähig sei. Aufgrund der geringen Größe des Standorts lasse sich auch "eine Transformation nicht darstellen", meinte Kattau.

© SZ vom 27.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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