Fünfseen-Filmfestival:Viertelstundenlyrik

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Anton G. Leitner stellt im Lyrik Kabinett nicht nur "Das Gedicht #31" vor, sondern auch seinen Band "Vater, unser See wartet auf dich". (Foto: Georgine Treybal)

Der Dichter Anton G. Leitner muss seine Lesung zum Fünfseen-Festival in Weßling zusammenkürzen, weil der Abend mit dem Filmklassiker "Club der toten Dichter" nicht so lange dauern soll

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Weßling

Lyrik soll kurz, prägnant und treffend sein. Wenn die Gedichte im bairischen Dialekt verfasst werden, könne man noch präziser und direkter formulieren als im Hochdeutschen, glaubt der Weßlinger Dichter und Verleger Anton G. Leitner.

Aber so kurz? Der Dichter musste sich in der Festivalreihe "Lyrik im Kino" mit Viertelstundenlyrik zufrieden geben. Denn für die Vorstellung seines Gedichtbands "Wadlbeissn" in seiner Heimatgemeinde waren ihm nur 15 Minuten zugestanden worden. Begründung gab es keine. Leitners Vermutung: Der Abend mit dem gut zweistündigen Klassiker "Der Club der toten Dichter" im voll besetzten Pfarrstadel Weßling sollte nicht so lange dauern, weil sich in der Vergangenheit Anwohner wegen des Lärms beschwert hätten. Leitner, der die Reihe vor zwölf Jahren mit Festivalchef Matthias Helwig begründete, trug's mit Fassung und überzog ein wenig. Die Mischung stimmte trotzdem nicht, weil Lyrik zur Nebensache degradiert wurde.

Der Autor, der seit den Neunzigerjahren auch Herausgeber der Zeitschrift "Das Gedicht" ist, gab im Schnelldurchgang einen Querschnitt aus dem neuen Buch mit dem Untertitel "zupackende Verse". Die "bissigen" und "ein paar böse" Gedichte habe er gestrichen, sagte der Träger des SZ-Tassilo-Kulturpreises von 2016. Die Bürger seiner kleinen Heimatgemeinde Weßling könnten sich womöglich in den Gedichten wiedererkennen, und er wolle niemanden verletzen. Denn Leitner holt sich seine Themen mitten aus dem Leben. Der Lyriker hat immer einen Schreibblock dabei, in dem er Ideen festhält.

Gedichte sind sein Leben, schon als 15-Jähriger hat er angefangen zu schreiben. "Ohne Lyrik hätte ich keine Frau und kein Leben", sagt er. Auch sein Jura-Studium hätte er ohne Gedichte nicht abgeschlossen, da ihm die "Rechdsvadrearei" nicht lag. In der ersten Vorlesung verliebte er sich in eine Kommilitonin. Er schrieb ihr ein Gedicht und legte es in ihre Basttasche. Sie erhörte ihn, zwei Semester lang waren sie ein Paar. Diese Geschichte ist in dem Gedicht "Rechd gscheid - Schdudium generaale" nachzulesen. Bis vor ein paar Jahren hat Leitner ausschließlich Hochdeutsch geschrieben. Jetzt liebt er die bairische Sprache. Der Bayer sei ein Anarchist, sagt er, die Tradition des Doppelbödigen und Frechen schlage sich im Dialekt nieder. Weil er ein Perfektionist sei, habe er basierend auf dem Bairisch-Lexikon seine eigene Schreibweise entwickelt ("mein Wortschatz ist umfangreicher als das Lexikon"). Leitner zufolge ist das Lektorat für seine Mundartgedichte sehr aufwendig. Für das neue Buch wurden zwei Lektorinnen benötigt, eine für die hochdeutsche, eine für die bairische Fassung. Denn Leitner hat die Gedichte sozusagen zweisprachig verfasst und sein Bairisch ins Hochdeutsche übersetzt. Das Buch ist pünktlich zu seinem 60. Geburtstag im Juni erschienen - unter erschwerten Corona-Bedingungen.

Die finanziellen Corona-Hilfen werden nach dem Vorjahr berechnet. Doch Leitner war in den Jahren 2018 und 2019 schwer erkrankt, sein Einkommen ist entsprechend eingebrochen. Auch die etwa 50 Lesungen pro Jahr, die er als Mitglied der Münchener Turmschreiber deutschlandweit abhält, fielen wegen der Pandemie aus. Sein Glück war, dass er viele Unterstützer gefunden hat und mit Hilfe von Crowdfunding überleben konnte. Zu seinem 60. Geburtstag hat er sich als Geschenk eine finanzielle Unterstützung gewünscht, um das Buch finanzieren zu können. "Sonst wäre ich mit wehenden Fahnen untergegangen", meint er rückblickend.

© SZ vom 27.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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