Verhaltensbiologie:Affen unter Leistungsdruck

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Gibt es viel zu gewinnen, versagen offenbar auch Rhesusaffen häufiger. (Foto: imago stock&people/imago/McPHOTO)

Wenn Affen psychologisch gestresst sind, sinkt ihre Leistungsfähigkeit - sie vermasseln Aufgaben, die sie sonst gut können. Bisher hielt man das für ein menschliches Problem.

Von Charlotte Geißler

Die Chancen stehen gut, bisher hat es immer geklappt. Jetzt ist endlich die seltene Gelegenheit da, so richtig groß abzusahnen, volle Konzentration ist angesagt - und dann: vermasselt. Was mancher Athlet gerade bei den olympischen Spielen erlebt haben mag, passiert Rhesusaffen ebenfalls. In einer neuen Studie, die in der Fachzeitschrift PNAS erschienen ist, hat ein amerikanisches Forschungsteam untersucht, ob Tiere unter psychologischem Stress ebenfalls zum Scheitern neigen. Die überraschende Antwort: Ja, auch Affen leiden an Leistungsdruck.

Bei den Versuchen mussten drei Rhesusaffen verschiedene Greifübungen ausführen, die von ihnen viel Präzision, Geschwindigkeit und Konzentration erforderten. Vor jedem Durchgang wurde den Affen mithilfe von Zeichen mitgeteilt, wie ihr Erfolg belohnt werden würde.

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Hatten sie lediglich eine kleine Belohnung in Aussicht, waren die Affen unaufmerksam, bei etwas größerem Lohn verbesserte sich ihre Leistung. Einen Leistungsabfall gab es dagegen beim Jackpot, der selten und besonders lohnenswert war: Er lockte nur in fünf Prozent aller Durchgänge und bot den Affen die Chance auf das Zehnfache der mittleren Futtermenge. "Futter ist für die Affen so wie Geld für Menschen", sagt Studienautor Aaron Batista, Bioingenieur an der US-amerikanischen Universität Pittsburgh.

Gerade in entscheidenden Momenten wurden die Tiere übervorsichtig - und zu langsam

Hatten sie den Jackpot vor Augen, verbrachten die Rhesusaffen mehr Zeit mit genauem Zielen - und waren deshalb häufiger zu langsam. Die Wahrscheinlichkeit, die Aufgabe erfolgreich auszuführen, fiel um etwa zehn bis 25 Prozent - verglichen mit der Bestleistung bei mittelgroßer Belohnung. Auch weitere Kontrollversuche weisen recht eindeutig darauf hin, dass die Tiere unter psychologischem Druck ihre Aufgaben vermasseln, dass ihre Leistungsfähigkeit also abnimmt.

Das Phänomen kannte man bisher nur von Menschen: Gerade wenn besonders viel auf dem Spiel steht, wird Scheitern häufiger. Dass die Rhesusaffen das gleiche Problem haben, überraschte die Wissenschaftler. "Ich hatte gedacht, dass es ausschließlich Menschen passiert, weil wir die Fähigkeit haben, lange vorausschauend über die Konsequenzen unseres Handelns nachzudenken. Aber ich habe mich getäuscht", sagt Batista.

Besonders erstaunlich war der Grund des Vermasselns. Autor Steven Chase, Bioingenieur an der Carnegie-Mellon-Universität in Pittsburgh, hatte erwartet, dass die Affen scheitern würden, weil sie die Ruhe nicht bewahren können: "Es hat sich stattdessen herausgestellt, dass sie es vermasseln, weil sie übervorsichtig sind und zu viel nachdenken."

Dass Tiere bei hohem Einsatz ebenfalls dazu tendieren, schlechtere Leistungen zu erbringen, ist für die Forscher eine wertvolle Erkenntnis. Sie bietet die Chance, die Auswirkungen von Leistungsdruck nun auch in Tierversuchen näher zu beleuchten.

Es gibt Hinweise, dass das unglückliche Verhalten erlernt wird. Ein Ausrutscher könnte so zu einer permanenten Angewohnheit werden. Indem man die Gründe für das stressbedingte Scheitern näher untersucht, können - so die Hoffnung der an der Studie beteiligten Wissenschaftler - auch Strategien oder Behandlungen dagegen entwickelt werden.

"Es wäre ein gutes Resultat dieser Forschung, wenn sie dazu führen könnte, dass Athleten weniger vermasseln, insbesondere da ihre Karrieren davon abhängen können - aber noch wichtiger wäre es, wenn wir Menschen, die an Zwangsneurosen leiden, helfen könnten", sagt Batista.

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