Arbeitsmarkt:Mehr Urlaub dank Tarifvertrag

Playa de Palma auf Mallorca im zweiten Jahr der Corona-Pandemie Frühsommer 2021 -;Playa de Palma auf Mallorca im zweiten

Playa de Palma auf Mallorca: Manche Arbeitnehmer haben vier, andere sechs Wochen im Jahr frei.

(Foto: Chris Emil Janssen/imago images)

Wer in einem Betrieb mit Tarifbindung arbeitet, kann oft länger Ferien machen. Dieser Vorteil ist besonders groß in Deutschland, zeigt eine EU-Studie. Doch immer weniger Beschäftigte profitieren.

Von Björn Finke, Brüssel

In Deutschland und anderen europäischen Staaten sind zahlreiche Arbeitnehmer inzwischen aus dem Sommerurlaub zurückgekehrt. Wie lange Ferien andauern können, hängt auch davon ab, wie viel bezahlten Urlaub der Arbeitgeber gewährt. In Betrieben, für die ein Tarifvertrag gilt, sind die Beschäftigten bei der Frage deutlich besser gestellt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die der europäische Gewerkschaftsdachverband Etuc am Montag veröffentlicht und die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. In Deutschland und Kroatien ist der Unterschied zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und den Ferientagen, die Tarifverträge vorschreiben, demnach am größten in der EU - im Durchschnitt steigt der Urlaubsanspruch von vier auf sechs Wochen.

Dieser enorme Bonus für jene Beschäftigten, die von Tarifverträgen profitieren, ist brisant. Schließlich sinkt in den meisten europäischen Staaten die Tarifbindung, also der Anteil der Arbeitnehmer, für deren Firmen solche Verträge gelten. Eine umstrittene EU-Richtlinie zu Mindestlöhnen und Tarifbindung soll den Trend umkehren. Das wäre ganz im Sinne des Gewerkschaftsverbands Etuc: "Zu viele Arbeitnehmer mussten ihren Sommerurlaub kürzer ausfallen lassen, weil sie immer noch nicht von den Vorteilen von Tarifverhandlungen profitieren", sagt die stellvertretende Etuc-Generalsekretärin Esther Lynch. Die Studie im Auftrag der Brüsseler Organisation rechnet vor, dass im europäischen Durchschnitt Tarifverträge drei Tage zusätzlichen Urlaub garantieren.

In Deutschland sind 51 Prozent der Beschäftigten in Betrieben mit Branchen- oder Haustarifvertrag tätig, wie eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zeigt. Nach Angaben des Etuc fiel die Tarifbindung seit der Jahrtausendwende in 22 von 27 EU-Staaten, darunter auch der Bundesrepublik. Die dramatischsten Einbußen gab es in Rumänien und Griechenland, wo früher alle Beschäftigten durch solche Verträge geschützt waren, es nach Gesetzesreformen hingegen nur noch jeder vierte ist.

Im vorigen Herbst präsentierte die EU-Kommission einen Richtlinienentwurf, der Mindestlöhne und Tarifbindung erhöhen soll. Der Gesetzesvorschlag schreibt zwar keine konkreten Löhne vor, aber dafür Standards, die Staaten bei der Festsetzung ihrer Mindestlöhne einhalten sollen. Zudem zwingt er Regierungen, Aktionspläne zur Steigerung der Tarifbindung aufzustellen, wenn die unter 70 Prozent liegt.

Ein CDU-Politiker will Gewerkschaften stärken

Damit der Entwurf Gesetz wird, müssen Europaparlament und Ministerrat zustimmen, das Entscheidungsgremium der Mitgliedstaaten. Im EU-Parlament sind zwei sogenannte Berichterstatter für die Richtlinie zuständig, darunter der CDU-Abgeordnete Dennis Radtke. Der frühere Gewerkschaftssekretär will den ohnehin umstrittenen Vorschlag der Kommission weiter anspitzen: Er will durchsetzen, dass Staaten nicht bloß 70, sondern sogar 90 Prozent Tarifbindung anstreben müssen. Das erreichen bisher nur Österreich, Frankreich, Belgien, Finnland und Schweden. Dieser soziale Ehrgeiz erzürnt viele von Radtkes Parteifreunden in CDU/CSU; sie werfen ihm einen Verstoß gegen Grundprinzipien der Union vor. Radtke nennt solche Kritik freilich "haarsträubend".

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