Technik:Pssst

Ein Gerät des US-Militärs soll Menschen zum Schweigen bringen.

Von Patrick Illinger

Aus amerikanischen Krimis ist der Satz wohlbekannt: "Sie haben das Recht zu schweigen. Alles, was Sie sagen, kann und wird vor Gericht gegen Sie verwendet werden." Es sind die sogenannten Miranda-Rechte, die mutmaßlichen Straftätern bei einer Verhaftung vorgetragen werden müssen, benannt nach einem wegweisenden Gerichtsurteil aus dem Jahr 1966.

Tatsächlich tun Verdächtige meist gut daran zu schweigen. Doch es gibt, ebenfalls bekannt aus dem Kriminal- und Spionagegenre, auch den gegenteiligen Fall. Da soll jemand "zum Schweigen gebracht werden", womit meist das gewaltsame Ableben des Betreffenden gemeint ist.

Das könnte sich nun ändern. Zweck einer neuartigen Erfindung des US-Militärs ist es, Menschen zum Schweigen zu bringen, ohne dass die Sache übel ausgeht. In die Kategorie sogenannter nicht tödlicher Waffen ("non-lethal weapons") fällt ein Gerät, das ein Tüftler namens Christopher Brown, tätig beim Naval Surface Warfare Center im Bundesstaat Indiana, einem Forschungszentrum der US-Marine, zum Patent angemeldet hat. Das "Acoustic Hailing And Disruption"-System (AHAD) sieht aus wie eine handliche Satellitenschüssel. Das technische Prinzip erinnert an die Rauschunterdrückung in modernen Kopfhörern: Dort registrieren die Ohrhörer die Umgebungsgeräusche und mischen die Töne mit umgekehrter Amplitude dem Hörer ins Ohr. Der künstliche Gegenschall und die externe Schallquelle löschen sich gegenseitig aus.

Die bizarre Form eines Echos

Der neuartige Apparat fängt die Schallwellen eines Menschen mit der Parabolantenne und einem Richtmikrofon auf, verstärkt sie und spielt sie auf doppelte Weise zurück, einmal unmittelbar und einmal mit rund 200 Millisekunden Verzögerung. Diese bizarre Form eines Echos wirkt offenbar so, dass es Menschen die Sprache verschlägt, buchstäblich. Der Effekt ist laut Patentschrift nicht nur ein physikalischer, sondern auch psychologisch: "Durch das verzögerte akustische Feedback wird die Konzentration der Zielperson unterbrochen, was es erschwert weiterzusprechen."

Der konkrete Anwendungsbereich dieser Erfindung bleibt allerdings vage. Soll jemand ein Geheimnis wahren? Sollen sich Gefangene nicht absprechen? Sicher ist nur: Irgendwer soll die Klappe halten. Englischen Medienberichten zufolge testeten Forscher eines japanischen Instituts bereits vor einigen Jahren ein ähnliches Gerät. Es sei nützlich, "um Diskussionen zu kontrollieren", hieß es damals.

Generell ist Schall eine der Optionen, die Militärlabore erforschen, wenn es um nicht kinetische Waffen geht, also um alles, was keine Patronen, Kugeln oder Granaten verschießt, sondern reine Energie, etwa Laserstrahlen, Mikrowellen oder eben Schall. Dieser kann in verschiedenen Szenarien wirkungsvoll sein, zum Beispiel, wenn Attentäter oder Piraten ein Schiff angreifen. Tatsächlich sind erste Kriegsschiffe bereits mit Schallkanonen ausgerüstet. Diese Wirkung auf den Feind reicht von Übelkeit, Schwindel bis zu Organschäden.

Dagegen ist die neue Erfindung weniger brachial. Offen lässt die Patentschrift der US-Marine, ob es auch eine zivile Version des Geräts geben könnte. So manche Debatte im Kollegenkreis oder am heimischen Herd ließe sich damit wirkungsvoll abbinden.

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