Ironman-WM auf Hawaii:Im Keller statt auf Kona

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Organisiert sich seine Rennen mittlerweile selbst: Jan Frodeno im vergangenen Juli im Allgäu, wo er seine Weltbestzeit verbesserte. (Foto: Frank Hau/Beautiful Sports/Imago)

Die deutschen Weltklasse-Triathleten Jan Frodeno und Laura Philipp kritisieren, dass die Ironman-WM auf Hawaii erneut entfällt - und sinnieren über Alternativen.

Von Frederik Kastberg, München

Die Stimme füllt sich mit Enttäuschung, als der Triathlet Jan Frodeno auf die verschobene Ironman-WM auf Hawaii zu sprechen kommt, während er gerade vom Flughafen in Barcelona zu seiner Familie nach Girona fährt. "Die Entscheidung, den Ironman in den Februar zu verschieben, halte ich persönlich für albern", sagt er. Nach 2020 fällt auch in diesem Jahr die mythisch umwehte Langstrecke auf Kona aus, dafür soll es nächstes Jahr gleich zwei geben, im Februar und Oktober. Die Fallzahlen steigen vor Ort seit Wochen so stark an, dass Gouverneur David Ige zuletzt die Touristen darum bat, auf ihren Hawaii-Urlaub zu verzichten.

Die gesundheitliche Situation im US-Bundesstaat möchte Frodeno, der drei Mal auf Kona gewonnen hat, keineswegs verharmlosen. Doch für ihn ist es kaum vorstellbar, dass die Situation im Februar eine andere sein wird, wenn die Zahlen saisonal bedingt auf der nördlichen Halbkugel steigen würden. "Das scheint mir eher ein Taktieren und Hinhalten der Sponsoren zu sein, um es dann doch wieder absagen zu müssen." Die Verschiebung habe ihn überrascht, "weil da Herz und Seele dranhängen und ich mich ein wenig über dieses Rennen definiere".

Auch die Heidelbergerin Laura Philipp bringt Verständnis für die Verschiebung auf: "Niemand von uns möchte dafür verantwortlich sein, dass dort Menschenleben in Gefahr kommen." Doch gerade für sie kommt die neuerliche Vertagung zur Unzeit. Vor zwei Wochen hatte sich die 34-Jährige in Finnland zur Europameisterin der Ironman-Kette gekürt - und kam nach 3,8 Kilometern Schwimmen, 180 Kilometern Radfahren und einem Marathon mit 20 Minuten Vorsprung ins Ziel. "Ich hatte das Gefühl, mich bis Hawaii noch mal richtig steigern zu können", sagt Philipp. Jetzt muss sie diese Form irgendwie über den Winter retten. Nur: Wie hält man sich fit für einen Saisonhöhepunkt, der den Athleten seit zwei Jahren vor der Nase baumelt und doch immer wieder entwischt?

Seltenes Glücksgefühl in diesem Jahr: Laura Philipp gewinnt den Halbdistanz-Triathlon in Zell am See, den sie nach der Hawaii-Absage kurzfristig in ihren Rennkalender aufgenommen hatte. (Foto: Jan Hetfleisch/Getty Images)

Beim bis heute letzten Rennen auf Kona, im Oktober 2019, war Phillip Vierte geworden, das habe sie "hungrig" hinterlassen. Gerade Langdistanz-Triathleten wie Philipp und Frodeno, die häufig ihre komplette Saison auf das Insel-Rennen im Oktober ausrichten, mussten ihre Planungen in den vergangenen Monaten oft komplett über den Haufen werfen, weil auch andere Rennen ausfielen. "Da wird dir jedes Mal ein kleiner Boden unter den Füßen weggezogen", sagt Philipp. Sie könne damit zwar relativ gut umgehen, erzählt sie, doch andere Triathleten hätten in den vergangenen Monaten nicht mal mehr die Motivation für das Training aufgebracht.

Denkbar wäre auch ein Rennen nur für Geimpfte gewesen

Einen Plan, wie sich auf das Rennen im Februar vorbereitet, hat Philipp mit ihrem Trainer und Ehemann Philipp Seipp noch nicht ausgearbeitet. Im Raum steht ein Trainingslager auf den Kanaren im Dezember oder Januar, um unter ähnlichen klimatischen Bedingungen zu trainieren. "Aber zur Not", sagt Philipp, "fühle ich mich auch im Keller wohl." Dort könne sie auf dem Laufband trainieren, die Heizung aufdrehen oder sich nach einer Einheit auf dem Indoor-Rad in die Sauna setzen, um die Hitze auf Hawaii zu simulieren.

Sich in den eigenen vier Wänden vorzubereiten, das sollte auch für Jan Frodeno kein Problem sein, schließlich hat er im vergangenen Lockdown eine ganze Langstrecke in seinem Haus mit integrierter Gegenstromanlage absolviert. Allerdings ist er, wie Philipp, mittlerweile frustriert darüber, dass es in diesem Jahr wieder keine Alternative zum Höhepunkt auf Hawaii gibt. "Andere Sportarten haben auch gezeigt, dass es irgendwie möglich ist. Für uns Profis geht es auch darum, sich mit den Besten messen zu können", sagt Philipp.

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Denkbar wäre aus ihrer Sicht auch ein Rennen nur für Geimpfte gewesen; ein Konzept, das der Ironman in Hamburg zuletzt erprobte. "Man hätte die WM auch an ein anderes Rennen auf dem Festland vergeben können, in Florida zum Beispiel", sagt Philipp, "am Ende haben wir zu der Entscheidung aber leider nichts beizutragen." Frodeno glaubt sogar, dass sich die Veranstalter "irgendwann ins Bein schießen", wenn sie den Wettkampf zu oft verschieben. Dieser sei schließlich deren Alleinstellungsmerkmal.

Frodeno plant schon sein eigenes, "WM-würdiges" Starterfeld

Ein reines Profi-Rennen lohnt sich aus finanzieller Sicht für viele Veranstalter wie die World Triathlon Corporation (WTO), die hinter der Marke Ironman steht, nicht. Es sind die Jedermänner und -frauen, die sogenannten "Agegrouper", die beim Triathlon das Geld in die Kassen spülen. Allein der Startplatz in Hamburg kostet bis zu 570 Euro, hinzu kommen Einnahmen durch Fanartikel wie Rucksäcke, T-Shirts, Rennanzüge. "Das Problem ist die Firmenpolitik von Ironman", sagt Philipp. "Für die sind die Profis nice to have, aber die würden nie irgendetwas nur für uns machen. Deren Hauptgeschäft sind die Agegrouper."

Frodeno möchte sich jedenfalls nicht damit abfinden, sich womöglich erst im Februar wieder mit der Weltspitze messen zu können: "Ironman hat es verpasst, irgendwas Konstruktives aus der Situation zu produzieren", sagt er, "deswegen muss ich mir ab und zu auch wieder was Eigenes einfallen lassen." So wie Mitte Juli im Allgäu, als er seine Weltbestzeit auf 7:27:53 Stunden verbesserte. Mit anderen Athleten plant er nun, beim Ironman im kalifornischen Sacramento Ende Oktober ein "WM-würdiges" Teilnehmerfeld an den Start zu bringen: "Ich habe ein paar Jungs zusammengetrommelt, jetzt schauen wir mal, ob wir uns nicht in Kalifornien treffen", sagt er. "Das ist eigentlich das, was ich mir als Plan B von offizieller Seite gewünscht hätte."

Und so verschieben sich im Langstrecken-Geschäft, das bis heute von der Ironman-Marke dominiert wird, für den Moment auch ein paar Kräfte. Im Fokus stehen jetzt umso mehr die Mitbewerber, die vom Milliardär Michal Moritz alimentierte Professional Triathlon Organization (PTO) etwa, die zuletzt den Collins Cup ins Leben rief, eine Art Ryder Cup für Triathleten, an dem auch Frodeno und die deutschen Top-Profis Anne Haug, Patrick Lange und Sebastian Kienle mitwirkten. Auch der prestigeträchtige Triathlon im fränkischen Roth kann am kommenden Sonntag stattfinden, dort hatten sich die Organisatoren ursprünglich nur auf wenig Prominenz im Starterfeld eingerichtet. Nach der Hawaii-Absage wird sich das nun wohl noch kurzfristig ändern.

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