Internationaler Transfermarkt:Ein Ausnahmetalent als Trostpflaster

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Künftig im königlichen weißen Trikot von Real Madrid statt im roten von Stade Rennes: Eduardo Camavinga, 18. (Foto: Anthony Bibard/imago)

Real Madrid verpflichtet den umworbenen Franzosen Eduardo Camavinga, der Wechsel von Kylian Mbappé scheitert offenbar am Widerstand von Paris Saint-Germain. In Paris hofft man nun, dass Mbappé doch noch verlängert - auch wegen Lionel Messi.

Von Javier Cáceres, Berlin

Real Madrid hat nun doch in Frankreich zugeschlagen - aber nicht bei Paris Saint-Germain, sondern bei Stade Rennes. Nicht Kylian Mbappé, 22, wurde aus der französischen Hauptstadt nach Madrid transferiert, sondern ein anderer, noch jüngerer, aber gleichfalls aufregender Offensivspieler von anderem Zuschnitt: Eduardo Camavinga, der erst im November des Vorjahres volljährig geworden ist - und trotzdem schon einer Reihe namhafter Klubs in Europa den Kopf verdreht haben soll.

Vor ein paar Wochen erst war der FC Bayern als mögliche Destination für den 18-Jährigen im Gespräch gewesen. Auch in England hieß es, Topklubs wie Manchester United hätten ein Auge auf den hageren Mittelfeldspieler geworfen, der in Miconje geboren wurde, einer angolanischen Enklave, die zwischen der Demokratischen Republik Kongo, der Republik Kongo und dem Atlantischen Ozean liegt. Vor ein paar Jahren nahm Camavinga die französische Staatsbürgerschaft an.

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Frankreichs Nationaltrainer Didier Deschamps berief ihn bereits in den Kader der A-Elf und ließ ihn debütieren - 2020 gegen Kroatien. Auch die Anerkennung der Kollegen war Camavinga sofort gewiss. Keiner schwärmte in höheren Tönen als jener Mann, den er seinerzeit auf dem Feld bei den Franzosen ersetzte: "Er erinnert mich an mich. Er ist ein kleiner Tänzer", sagte Paul Pogba von Manchester United, der vielleicht berühmteste französische "Box-to-box"-Mittelfeldspieler.

Die 30-Millionen-Euro-Ablöse kann auf deutlich über 40 steigen

In der vergangenen Woche galt noch Paris Saint-Germain als sicherer Abnehmer für Camavinga. Am Dienstagabend wurde offiziell bestätigt, dass er einen Vertrag bis 2027 bei Real Madrid unterschrieben hat. Angeblich wird Real eine Ablösesumme von 31 Millionen Euro entrichten, der Betrag könne jedoch erfolgsabhängig auf weit über 40 Millionen Euro anwachsen, berichtete die französische Sportzeitung L'Équipe unter Berufung auf Quellen bei Stade Rennes.

In spanischen Sportzeitungen war zudem zu lesen, dass das bereits für verdorrt gehaltene Interesse der Madrilenen an Camavinga unter anderem deshalb neu erblüht sei, weil Reals deutscher Mittelfeld-Routinier Toni Kroos zurzeit verletzt ist. Ein noch wichtigerer Faktor war wohl auch der Groll darüber, dass PSG im Fall von Mbappé, den Real-Präsident Florentino Pérez unbedingt nach Madrid holen möchte, offenbar starr bleibt. "Die kalte Rache Florentinos", kommentierte die Zeitung As den "Coup" mit Camavinga.

Die Soap um Mbappé wiederum wurde von den Sportmedien am Köcheln gehalten. Doch das Ende war nahe, denn das Sommer-Transferfenster schloss am Dienstagabend. Nachdem es in der Vorwoche noch geheißen hatte, ein Wechsel Mbappés sei möglich und sogar wahrscheinlich, zeichnete sich seit Montagabend immer deutlicher ab, dass der Weltmeister von 2018 vorerst wohl doch in Paris bleibt.

Die Lage blieb gleichwohl unübersichtlich, das Geraune ging europaweit in alle erdenklichen Richtungen: Mal hieß es, Real habe gar nicht direkt mit PSG verhandelt, sondern nur über Vermittler. Anderswo wurde gemeldet, Real habe die Verhandlungen mit Paris gestoppt. Belastbare Hinweise, was der PSG-Besitzer, der Emir im fernen Katar, wirklich denkt, gab es nirgendwo. Ein Hintertürchen wollten sich alle mehr oder weniger wild spekulierenden Medien offen lassen, bis eben die letzte Sekunde der Transferperiode verronnen war - man weiß ja nie.

Da hinten ist eine tolle Churrascaria, Lionel! Zugang Messi (rechts) wirkt etwas erstaunt, dass Kylian Mbappé noch in Paris ist - und wohl bleibt. (Foto: Franch Fife/AFP)

Die Faktenlage besagte lediglich, dass der Vertrag von Mbappé, der sich am Dienstag mit der französischen Nationalelf auf das WM-Qualifikationsspiel gegen Bosnien-Herzegowina vorbereitete, im Sommer 2022 ausläuft. Und dass er deshalb ab Januar mit jedem Klub der Welt verhandeln und im kommenden Jahr frei über seinen neuen Arbeitgeber entscheiden könnte.

So weit bekannt, ist der Verein seiner Träume weiterhin Real Madrid, und es wird ihm geschmeichelt haben, dass Spaniens Rekordmeister die Bereitschaft signalisiert hat, auch verrückte Sachen anzustellen. Zum Beispiel: fast 200 Millionen Euro Ablöse hinzulegen, obwohl Mbappé in Kürze ablösefrei zu haben wäre. Sollte sich jedoch bewahrheiten, dass Mbappé in Paris bleibt, so sähe er sich dort Dynamiken unterworfen, deren Effekte noch gar nicht abzusehen sind.

Denn Mbappé stürmt jetzt nicht mehr nur an der Seite des Brasilianers Neymar Júnior. Mittlerweile ist ja auch der Argentinier Lionel Messi in Paris. Wird Mbappé aber wirklich noch mit Macht aus Paris wegwollen, wenn sich das neue Zusammenspiel der Superstars gut entwickeln sollte? Oder verlängert er am Ende doch bei PSG? Zuletzt hatte er dies abgelehnt, obwohl der Verein ihm einen Nettoverdienst von 40 Millionen Euro in Aussicht gestellt haben soll. Spätestens im November soll ein neuer Anlauf unternommen werden, den Jungen aus dem Pariser Vorort Bondy von einem langfristigen Verbleib bei PSG zu überzeugen. Vorausgesetzt, er ist dann noch da, wofür am Dienstag einiges sprach.

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