Grafing:"Dinge nicht einfach wegwerfen, sondern reparieren"

Lesezeit: 2 min

Manfred Neumann. (Foto: Privat)

Der "Talentetausch Grafing" bietet Upcycling-Werkstätten an. Der Vorsitzende über das Konzept - und was der australische Bumerang damit zu tun hat.

Interview von Karin Pill, Grafing

Wer kennt es nicht: Schnell noch nach der Arbeit oder dem Sport zum Einkaufen. Milch, Eier, Nudeln sind bezahlt, aber leider ist keine Tasche dabei, um die Produkte einzupacken und nach Hause zu bringen. Liegen im Supermarkt keine Kartons aus, ist man meist gezwungen, eine Plastik-Einkaufstüte zu kaufen. Das ist nicht nur ärgerlich für den Geldbeutel, sondern auch für die Umwelt. Manfred Neumann, Vorsitzender und Leitungssprecher vom Tauschkreis "Talentetausch Grafing" hatte eine kluge Idee, um einerseits Stoffreste zu verwerten und andererseits Geldbeutel und Klimafußabdruck von vergesslichen Einkäufern zu schonen. Im Interview spricht der 70-Jährige über Upcycling, erklärt, was Boomerang-Bags sind und was Tauschen mit Nachhaltigkeit zu tun hat.

SZ: Herr Neumann, Ihr Tauschkreis bietet regelmäßig Upcycling-Werkstätten an. Was genau ist eigentlich Upcycling?

Manfred Neumann: Unter Upcycling versteht man, dass aus Abfall und Reststoffen, die man sonst wegschmeißt, nochmal nützliche und gebrauchsfähige Gegenstände gebastelt oder hergestellt werden. Aus alten Kalenderblättern machen wir Briefumschläge, oder etwa aus Kerzenresten neue Kerzen. Ziel ist, dass man die Dinge nicht wegschmeißt, sondern deren Charakter wertschätzt und die Ressourcen achtet, um daraus dann nützliche Dinge zu machen.

Nun kommen wir zu einem konkreten Beispiel. Was hat es mit den Boomerang-Bags auf sich?

Die Idee ist, dass wenn man beim Einkaufen keine Tüte oder Tasche dabei hat, eine selbst genähte Tüte vom Markt bekommt, die man dann auch wieder abgibt, damit jemand anderes sie nutzen kann. Wie eben beim Bumerangeffekt: die Tasche kommt zurück und kann wiederverwendet werden. Die Idee kommt wohl aus Australien. Auch hierzulande gibt es schon viele Städte, die das praktizieren.

Wo bekommen Sie das Material her und wohin geben Sie die fertigen Taschen dann?

Von unseren Kleiderpartys, bei denen man Kleidung tauschen oder verschenken kann, haben wir jede Menge Stoffreste zum Verwerten über. Da kam uns die Idee, solche Einkaufstaschen zu nähen und weiterzuverwenden. Wenn wir genügend Taschen zusammen haben, wollen wir sie lokalen Märkten wie zum Beispiel dem fair-Weltladen in Grafing oder dem Unverpackt-Laden in Poing spenden.

SZ PlusFlutkatastrophe
:"Das habe ich noch nicht erlebt"

Als Notfallsanitäter hat Klaus Schmid schon bei Bergunfällen und Lawinenabgängen geholfen. Was er im Flutgebiet in Ahrweiler gesehen hat, ist jedoch eine neue Dimension. Über Zerstörung, Verzweiflung - und das, was dennoch Hoffnung macht.

Von Karin Pill

Wer näht die Boomerang-Bags und wie lange dauert das?

Beim vergangenen Treffen der Upcycling-Werkstatt am 14. August waren wir sechs Teilnehmerinnen und Teilnehmer, und zwar Mitglieder aus dem Tauschkreis und auch Gäste. Je nach Stoff und natürlich Übung schaffen wir pro Treffen vier bis fünf Taschen.

Ist diese Praxis überhaupt hygienisch? Schließlich arbeiten Sie mit gebrauchten Stoffen.

Ja! (lacht). Wir verwenden nur Stoffe, die gewaschen und sauber sind. Ob die nun einer Hygieneverordnung zu 100 Prozent entsprechen, das kann ich natürlich nicht bestätigen. Die Tüten sind freilich nicht steril und desinfiziert aber sauber, ordentlich und gepflegt.

Warum liegt Ihnen das Projekt so am Herzen?

Wir sind ein Tauschkreis. Wir tauschen Talente, Fertigkeiten und Sachen gegen Talente, Fertigkeiten und Sachen - ganz ohne Geld. Ein Prinzip des Tauschens ist es, dass wir Dinge nicht einfach wegwerfen, sondern reparieren oder an Menschen weitergeben, die sie noch brauchen können. Da gehört natürlich auch der Komplex Umwelt und Schonung von Ressourcen unmittelbar dazu. Auf die Idee mit der Upcycling-Werkstatt sind wir gekommen, weil wir uns bei bestimmten Dingen dachten "da kann man ja noch was Schönes draus machen".

Der Talentetausch Grafing versteht sich als organisierte Nachbarschaftshilfe, bei der das menschliche Miteinander im Vordergrund stehen soll. Die nächsten Veranstaltungen sind die Upcycling-Werkstatt (mit Voranmeldung) am kommenden Sonntag von 14 bis 17 Uhr, bei der auch Boomerang-Bags hergestellt werden, oder der Kleidertausch-Markt am 24. Oktober von 14 bis 17 Uhr. Beides findet in der Casacreativa, Grandauerstr. 4, Grafing, statt.

© SZ vom 02.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Poing
:Regional, saisonal, ohne Plastik

Die Zustimmung für einen Unverpackt-Laden in Poing scheint groß zu sein. Die Initiatoren planen mit einer Eröffnung zum Jahresbeginn 2022.

Von Johanna Feckl

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: