Wahlkampf in München:"Noch nie waren die Zeiten so ernst"

Lesezeit: 3 min

Bayerns Ministerpräsident Söder trommelt im Augustinerkeller für die vier Münchner Direktkandidaten der CSU. Denn das mit den Erststimmen werde "verdammt schwierig".

Von Anna Hoben, München

Diesmal also kein Stadion auf der Stadion-Wahlkampftour von CSU-Chef Markus Söder, auch kein volles Bierzelt, geht ja nicht. Stattdessen: der Augustinerkeller. Blasmusik gibt's trotzdem, zu trinken nur Wasser, und die Maske muss die ganze Zeit aufbleiben, weil es sich um eine Versammlung handelt und nicht die Regeln für die Gastronomie gelten. Eine hybride Veranstaltung, die Anwesenden locker verteilt im Raum, andere schauen zu Hause am Livestream zu. Söder ist da, um den Münchner CSU-Kandidaten zur Bundestagswahl unter die Arme zu greifen. "Noch nie waren die Zeiten so ernst", mahnt der Parteichef. Die Direktmandate dürften deshalb "nicht kampflos den Grünen und den Roten übergeben werden".

Die Nervosität ist deutlich spürbar. Denn dass die Münchner Wahlkreise an die CSU gehen, wie immer in den vergangenen Jahren, das ist längst nicht mehr so sicher wie das Amen in der Kirche. Es bebt gewaltig in der politischen Landschaft, die Rennen sind offen wie nie; Wahlkreisprojektionen zweier verschiedener Anbieter sahen zuletzt Grüne und SPD in München vorne. Es kann also nur helfen, wenn Söder die Wahlkämpfer noch mal motiviert. Das tut er, mit einer Rede, die eine gute Dreiviertelstunde dauert. Frenetische Bierzelt-Stimmung kommt da nicht auf, aber das ist die Krux einer abgespeckten Teilnehmerliste in Corona-Zeiten.

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Den meisten Applaus bekommt eine Spitze gegen die Freien Wähler, mehr als alle Spitzen gegen die Grünen - und an letzteren mangelt es nicht an diesem Abend. An Söders Lippen hängen die Parteimitglieder trotzdem. Zu Beginn stellen sich die vier Direktkandidaten auf der Bühne im Gespräch mit einer Moderatorin vor. Seine Nebentätigkeit als Hausarzt biete ihm immer wieder den "Realitätscheck" für seine Gesundheitspolitik, sagt Stephan Pilsinger (West/Mitte). Was ihm wichtig ist: Die CSU müsse in München besser deutlich machen, dass sie nicht nur die Partei derjenigen ist, die viel Geld haben, sondern auch die "Partei der Leberkäs-Etage".

Michael Kuffer (Süd) startet mit seinem Thema Asyl und Migration, beides müsse man "sauber trennen", es bleibe aktueller denn je, einen Missbrauch des Asylrechts zu verhindern, sagt er mit Blick auf die Entwicklungen in Afghanistan. Dann schaltet er um auf Attacke gegen die Grünen. Die neue Rathauskoalition habe die Wohnungsbauzielzahlen "runtergewirtschaftet", von 8500 auf 4000, sagt der Bundestagsabgeordnete, der früher selbst im Stadtrat saß. Die Zahl allerdings stimmt so gar nicht - die 4000 beziehen sich allein auf geförderte und preisgedämpfte Wohnungen; das Gesamtziel liegt immer noch bei 8500. Für Kuffer jedenfalls ist das Fazit klar: "Man muss nur nach München gucken, dann weiß man, was einen erwartet, wenn man am 26. September für Deutschland falsch wählt."

Bernhard Loos (Nord) fordert einen S-Bahn-Nordring und mehr "Anstand und Respekt". Wolfgang Stefinger, der im Münchner Osten antritt, wirbt für seine Entwicklungspolitik und greift dann ebenfalls das Münchner Dauerbrenner-Thema Wohnen auf: Eine Vermögenssteuer und eine erhöhte Erbschaftssteuer, glaubt er, führten am Ende dazu, dass bezahlbarer Wohnraum von sozialen und fairen Familien-Vermietern vernichtet werde.

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Und dann: Auftritt Markus Söder. Es sei nun Zeit zu kämpfen, und das heiße: "Die Unterschiede aufzeigen." Er beschwört die Gefahr, die ein Linksbündnis aus seiner Sicht darstellen würde, da sei es im Übrigen egal, ob Linke oder FDP die Mehrheit beschafften: "Auch eine Ampel ist verdünntes Links." Den politschen Hauptgegner in München sieht der CSU-Chef in den Grünen: "Mein Gefühl ist, dass ein Großteil der Forderungen der Grünen nicht in die Zukunft gehen, sondern alte Klamotten der Vergangenheit sind." Er könne sich im Übrigen auch eher nicht vorstellen, dass Lastenräder das Münchner Pendlerproblem lösten. "Und wenn ich Frau Baerbock reden höre, dann seh' ich nicht sie, sondern immer das Gesicht von Anton Hofreiter, und das schreckt mich persönlich ab."

Und damit wieder nach München. Das mit den Erststimmen in den Städten werde "verdammt schwierig", prophezeit Söder und appelliert zugleich: "Lasst uns selbstbewusst die nächsten Wochen gestalten." Es würden harte Wochen, aber gerade die letzten Momente seien oft entscheidend. Und da, zum Schluss, fällt zum zweiten Mal an dem Abend der Name des Kanzlerkandidaten der Union. "Wir kämpfen für Armin Laschet, aber besonders für unsere Münchner Kandidaten."

© SZ vom 03.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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